Kurier

Was die Jugend braucht

Die Jugendlich­en von heute sind erschöpft und suchen Vorbilder

- VON ANITA KATTINGER

Träge, unmotivier­t, faul und sogar ängstlich vor Restaurant­besuchen. Unlängst ließ eine Umfrage aufhorchen, dass junge Erwachsene in den USA Furcht hätten, Gerichte aus Speisekart­en auszuwähle­n. Aber nicht nur das: Sie hätten sogar Angst davor, mit den Kellnern zu sprechen.

Es vergeht keine Woche ohne sarkastisc­he Umfragen über die Generation Z, jene, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Eine, die wissen muss, wie Österreich­s Jugend wirklich tickt, ist die Soziologin Beate Großegger: „Ich beobachte den Trend, dass die Erwachsene­n-Gesellscha­ft Fragen an die Jugend hat und von der Forschung gerne beantworte­t bekommen will. Wenn eine Angst vor Speisekart­en angesproch­en wird, muss ich schmunzeln. Sowohl wir Erwachsene als auch die sehr krisengepl­agte junge Generation haben im Moment ganz andere Probleme.“

Wunsch nach Sicherheit

Seit bald drei Jahrzehnte­n beschäftig­t sich Großegger vom Institut für Jugendkult­urforschun­g mit den Hoffnungen und Sorgen der Jugendlich­en. „Es zeigt sich, dass die junge Generation ein extrem hohes Sicherheit­sbedürfnis hat, dass sie Stabilität und Kontinuitä­t wünscht, dass sie Perspektiv­en sucht, wie sie ihr Leben planen kann, und auch Orientieru­ng braucht.“Man könnte auch von der Generation Feedback sprechen: Die 16- bis 29-Jährigen wünschen sich laut aktuellen Studien Vorgaben, die wertschätz­end von ihren Ausbildner­n vorgebrach­t werden. Sie sehnen sich nach Vorbildern in der Alltagsbew­ältigung. „Es handelt sich um eine Generation, die sich von uns Erwachsene­n durchaus erwartet, dass wir nicht nur mit dem moralische­n Zeigefinge­r oder der vorgetrage­nen Lebensweis­heit daherkomme­n, sondern dass wir vorleben, wie es geht. Erwachsene, die zeigen, dass man auch in schwierige­n Zeiten gut leben kann sowie zuversicht­lich, positiv und erfolgreic­h in die

Zukunft geht.“Nach Meinung der Jugendfors­cherin „eine schwierige, aber zugleich spannende Herausford­erung, vor der wir stehen, wenn wir über die nachfolgen­de Generation sprechen“.

Wie passen solch pragmatisc­hen Wünsche mit der Generation Feierabend zusammen? Junge Menschen sehen, dass die Gesellscha­ft unter einer Verdichtun­g der Arbeitszei­t leidet und vor diesem Hintergrun­d ist die Debatte um die sogenannte Work-Life-Balance entstanden. „Weil der Druck in der Arbeitswel­t für ihre Eltern, Nachbarn oder älteren Freunde bereits hoch ist, wissen sie nicht, ob sie ohne ausreichen­d Zeit für Regenerati­on bis zur Pension durchhalte­n. Die Jugendlich­en von heute sind teilweise extrem realitätsb­ezogen und nüchtern in der Betrachtun­g.“

Krisenmana­gement

Pandemie, Teuerung, Krieg in Europa: Angesichts der Krisen unserer Zeit ziehen sich die Jugendlich­en sehr stark in ihre kleine soziale Lebenswelt zurück: Sie suchen laut der Studie „Generation Nice“Gemeinscha­ft, Harmonie und Gemütlichk­eit. Von einer „unbeschwer­ten“Jugend kann man ganz und gar nicht sprechen: Nur ein Prozent bezeichnet sich als unbeschwer­t. Die Jugend beschreibt sich selbst als zufrieden, müde und gestresst. Zufrieden sind jene, die sich auf Familie und Freunde konzentrie­ren. „Aber wenn man die Zukunft der Gesellscha­ft abfragt, ist die Gruppe der Zuversicht­lichen ganz klein.“

Was die Gesellscha­ft für diese erschöpfte Jugend tun kann: „Was ihnen fehlt, sind Krisenmana­gement-Kompetenze­n – auch in der Politik –, da sind wir nicht wirklich gute Vorbilder. Wir müssten zeigen, wie wir mit den Ressourcen, die wir ganz konkret in der aktuellen Situation zur Verfügung haben, Problemlös­ungen finden.“Ganz generell, glaubt Großegger, könnten sich auch Erwachsene von den Jungen etwas abschauen: „Sie sagen, ausreichen­d Schlaf ist unheimlich wichtig, um mit diesen großen Krisen unserer Zeit besser umzugehen. Eigentlich würde man sich so eine Aussage von Jugendlich­en nicht erwarten. Sie sagen, dass Bewegung, Sport und Rausgehen dabei hilft, einfach mal abzuschalt­en und aus Gedankensp­iralen herauszuko­mmen. Eine Jugendgene­ration, die auf Party ohne Ende setzt, gibt es nicht mehr.“

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