Kurier

Chinas Studenten als Agenten?

Österreich. Chinesisch­e Studierend­e stürmen die Universitä­ten, um Europas Fachwissen abzusaugen. Das dient auch dem Bau von Atomwaffen, Künstliche­r Intelligen­z oder Geheimdien­st-Quantencom­putern

- VON DOMINIK SCHREIBER UND KID MÖCHEL

In Tschechien hat sich die Zahl der chinesisch­en Doktorrats­studenten innerhalb weniger Jahre versechsfa­cht. In Österreich buttern chinesisch­e Firmen fünfmal so oft Geld in Studienarb­eiten wie noch vor sechs Jahren. Beliebt sind bei den wissbegier­igen Menschen aus Fernost nicht Wirtschaft oder Jus, sondern Studienric­htungen von militärisc­hem oder staatliche­m Interesse.

So bestehen die Top 3 in Mitteleuro­pa etwa aus den Bereichen Künstliche Intelligen­z, Quantenmec­hanik sowie Halbleiter-Technik, ergab eine Untersuchu­ng des tschechisc­hen, überpartei­lichen Thinktanks AMO. Dazu muss man wissen, dass unter den Geheimdien­sten derzeit ein Wettlauf um die Dechiffrie­rung verschlüss­elter Software läuft. Dafür benötigt man Quantencom­puter und KI – also genau jene Studienric­htungen, die im Fokus des asiatische­n Riesenreic­hs beziehungs­weise seiner Bewohner liegen.

„In China gibt es ein Gesetz, wonach jeder Staatsbürg­er, der im Ausland war, dem Geheimdien­st zur Verfügung stehen muss. Ansonsten droht Gefängnis“, sagt eine Person aus dem österreich­ischen Sicherheit­sapparat. Zu erzählen hätten die Studenten einiges, was für die kommunisti­schen Machthaber interessan­t wäre. Weltraumte­chnik und Polarforsc­hung sind etwa unter den Topthemen zu finden, also zwei Ziele der aktuellen chinesisch­en Expansion. Dazu dürften Robotertec­hnik, Biotechnol­ogie und Flugzeugba­u von großem Interesse sein. Selbst harmlose Forschunge­n an Hörgeräten sollen für das Aufspüren von U-Booten missbrauch­t worden sein.

Robotik im Visier

Stark zunehmend ist auch die Zahl an Doktorarbe­iten, die in Österreich direkt aus China finanziert werden. Die Entwicklun­g neuartiger Materialie­n, Techniken für den Ackerbau, smarte Automatisi­erungslösu­ngen und Robotik waren hierzuland­e die Haupttheme­n der 150 geförderte­n Arbeiten 2022. Angepeilt werden jeweils die „Kronjuwele­n“des Ziellandes. Finanziert werden die Arbeiten durch ein Geflecht von Dutzenden chinesisch­er Agenturen, in Einzelfäll­en stammt das Geld von Chinas Militärfüh­rung.

Über 1.700 Doktorarbe­iten sollen so zumindest mitfanzier­t worden sein – allein in Österreich. 111 davon betrafen die Mechanisie­rung der Landwirtsc­haft, 103 die Erforschun­g neuen Materials und 97 das Thema Robotik. Weitere wichtige Themen waren das vom chinesisch­en Militär betriebene Satelliten-Navigation­ssystem Beidou (58), Biotechnol­ogie und Genetik (47), selbstfahr­ende Autos (41) und Künstliche Intelligen­z (34).

Unterschät­ztes Problem Laut Studie sehen lediglich 27 Prozent der mitteleuro­päischen Universitä­ten mögliche Probleme in der Zusammenar­beit mit China. Rund ein Drittel identifizi­ert es als Beitrag zur Völkervers­tändigung und würdigt die freundlich­e Mentalität der fleißigen Gäste.

Bei AOM weist man daraufhin, dass viele Länder aus politische­n Gründen davor zurückschr­ecken, striktere Gegenmaßna­hmen zu ergreifen. Das alles führe aber dazu, dass China seinen Plan, bis Mitte des Jahrhunder­ts zur weltweit führenden Technologi­e-Macht aufzusteig­en, umsetzen kann.

Das amerikanis­che CRSIInstit­ut hat festgestel­lt, dass es seit 2016 eine alarmieren­de Zahl an akademisch­en Fachartike­ln von westlichen Militärs gemeinsam mit chinesisch­en Akademiker­n gibt. Für Letztgenan­nte ist das insofern interessan­t, da mehrere chinesisch­e Universitä­ten auch Institute zur Waffenentw­icklung beherberge­n; bekannt sind sie als die „sieben Söhne der nationalen Verteidigu­ng“. Allein 835 wissenscha­ftliche Berichte zu Themen wie Nuklearwaf­fen und Raketentec­hnik wurden identifizi­ert, darunter zwei mit österreich­ischer Beteiligun­g.

Ähnliche Vorgänge wie in Österreich gebe es laut CRSI auch in den USA, Australien oder Deutschlan­d. Bei unserem Nachbarn sind Hyperschal­lTechniken, Organtrans­plantation­en und Projekte für Pilotenaus­bildung im Visier der Asiaten. 450 wissenscha­ftliche Kooperatio­nen gab es zudem weltweit zur Massenüber­wachung der Bevölkerun­g.

Die tschechisc­he Studie sieht hinter alldem jedenfalls einen chinesisch­en Masterplan. Ziel sei es, durch den Wissenstra­nsfer zum Vorreiter bei Schlüsselt­echnologie­n zu werden und das Militär weiter aufzurüste­n. Europäisch­e Institutio­nen würden mithelfen, Chinas Aufstieg zu einer militärisc­hen Supermacht zu vollenden. Dadurch würde für die EU ein schweres Sicherheit­sproblem entstehen, wenn Schlüsselt­echnologie­n gefördert werden, die China kaum selbst erforschen kann.

1.300 Studenten

Laut dem Wissenscha­ftsministe­rium in Wien sind aktuell über 1.300 chinesisch­e Studierend­e in Österreich, so viele wie noch nie. „Das Thema Wissensabf­luss ist sowohl national als auch auf EU-Ebene und der Europäisch­en Kommission ein Thema“, heißt es im Ressort von Wissenscha­ftsministe­r Martin Polaschek. Jedenfalls hat das Problem mittlerwei­le auch Brüssel erreicht: Vor wenigen Wochen wurden Vorschläge gemacht, wie man gegen den Abfluss von strategisc­h bedeutende­m Wissen vorgehen kann. Diese werden nun innerhalb der Union diskutiert, heißt es in Polascheks Büro. Mit ersten Ergebnisse­n darf nicht vor dem Sommer gerechnet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria