Chinas Studenten als Agenten?
Österreich. Chinesische Studierende stürmen die Universitäten, um Europas Fachwissen abzusaugen. Das dient auch dem Bau von Atomwaffen, Künstlicher Intelligenz oder Geheimdienst-Quantencomputern
In Tschechien hat sich die Zahl der chinesischen Doktorratsstudenten innerhalb weniger Jahre versechsfacht. In Österreich buttern chinesische Firmen fünfmal so oft Geld in Studienarbeiten wie noch vor sechs Jahren. Beliebt sind bei den wissbegierigen Menschen aus Fernost nicht Wirtschaft oder Jus, sondern Studienrichtungen von militärischem oder staatlichem Interesse.
So bestehen die Top 3 in Mitteleuropa etwa aus den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantenmechanik sowie Halbleiter-Technik, ergab eine Untersuchung des tschechischen, überparteilichen Thinktanks AMO. Dazu muss man wissen, dass unter den Geheimdiensten derzeit ein Wettlauf um die Dechiffrierung verschlüsselter Software läuft. Dafür benötigt man Quantencomputer und KI – also genau jene Studienrichtungen, die im Fokus des asiatischen Riesenreichs beziehungsweise seiner Bewohner liegen.
„In China gibt es ein Gesetz, wonach jeder Staatsbürger, der im Ausland war, dem Geheimdienst zur Verfügung stehen muss. Ansonsten droht Gefängnis“, sagt eine Person aus dem österreichischen Sicherheitsapparat. Zu erzählen hätten die Studenten einiges, was für die kommunistischen Machthaber interessant wäre. Weltraumtechnik und Polarforschung sind etwa unter den Topthemen zu finden, also zwei Ziele der aktuellen chinesischen Expansion. Dazu dürften Robotertechnik, Biotechnologie und Flugzeugbau von großem Interesse sein. Selbst harmlose Forschungen an Hörgeräten sollen für das Aufspüren von U-Booten missbraucht worden sein.
Robotik im Visier
Stark zunehmend ist auch die Zahl an Doktorarbeiten, die in Österreich direkt aus China finanziert werden. Die Entwicklung neuartiger Materialien, Techniken für den Ackerbau, smarte Automatisierungslösungen und Robotik waren hierzulande die Hauptthemen der 150 geförderten Arbeiten 2022. Angepeilt werden jeweils die „Kronjuwelen“des Ziellandes. Finanziert werden die Arbeiten durch ein Geflecht von Dutzenden chinesischer Agenturen, in Einzelfällen stammt das Geld von Chinas Militärführung.
Über 1.700 Doktorarbeiten sollen so zumindest mitfanziert worden sein – allein in Österreich. 111 davon betrafen die Mechanisierung der Landwirtschaft, 103 die Erforschung neuen Materials und 97 das Thema Robotik. Weitere wichtige Themen waren das vom chinesischen Militär betriebene Satelliten-Navigationssystem Beidou (58), Biotechnologie und Genetik (47), selbstfahrende Autos (41) und Künstliche Intelligenz (34).
Unterschätztes Problem Laut Studie sehen lediglich 27 Prozent der mitteleuropäischen Universitäten mögliche Probleme in der Zusammenarbeit mit China. Rund ein Drittel identifiziert es als Beitrag zur Völkerverständigung und würdigt die freundliche Mentalität der fleißigen Gäste.
Bei AOM weist man daraufhin, dass viele Länder aus politischen Gründen davor zurückschrecken, striktere Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das alles führe aber dazu, dass China seinen Plan, bis Mitte des Jahrhunderts zur weltweit führenden Technologie-Macht aufzusteigen, umsetzen kann.
Das amerikanische CRSIInstitut hat festgestellt, dass es seit 2016 eine alarmierende Zahl an akademischen Fachartikeln von westlichen Militärs gemeinsam mit chinesischen Akademikern gibt. Für Letztgenannte ist das insofern interessant, da mehrere chinesische Universitäten auch Institute zur Waffenentwicklung beherbergen; bekannt sind sie als die „sieben Söhne der nationalen Verteidigung“. Allein 835 wissenschaftliche Berichte zu Themen wie Nuklearwaffen und Raketentechnik wurden identifiziert, darunter zwei mit österreichischer Beteiligung.
Ähnliche Vorgänge wie in Österreich gebe es laut CRSI auch in den USA, Australien oder Deutschland. Bei unserem Nachbarn sind HyperschallTechniken, Organtransplantationen und Projekte für Pilotenausbildung im Visier der Asiaten. 450 wissenschaftliche Kooperationen gab es zudem weltweit zur Massenüberwachung der Bevölkerung.
Die tschechische Studie sieht hinter alldem jedenfalls einen chinesischen Masterplan. Ziel sei es, durch den Wissenstransfer zum Vorreiter bei Schlüsseltechnologien zu werden und das Militär weiter aufzurüsten. Europäische Institutionen würden mithelfen, Chinas Aufstieg zu einer militärischen Supermacht zu vollenden. Dadurch würde für die EU ein schweres Sicherheitsproblem entstehen, wenn Schlüsseltechnologien gefördert werden, die China kaum selbst erforschen kann.
1.300 Studenten
Laut dem Wissenschaftsministerium in Wien sind aktuell über 1.300 chinesische Studierende in Österreich, so viele wie noch nie. „Das Thema Wissensabfluss ist sowohl national als auch auf EU-Ebene und der Europäischen Kommission ein Thema“, heißt es im Ressort von Wissenschaftsminister Martin Polaschek. Jedenfalls hat das Problem mittlerweile auch Brüssel erreicht: Vor wenigen Wochen wurden Vorschläge gemacht, wie man gegen den Abfluss von strategisch bedeutendem Wissen vorgehen kann. Diese werden nun innerhalb der Union diskutiert, heißt es in Polascheks Büro. Mit ersten Ergebnissen darf nicht vor dem Sommer gerechnet werden.