Kurier

Raab will „Grundkonse­ns im Zusammenle­ben“

Expertenru­nde über Definition von „Leitkultur“im Kanzleramt

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Debatte. „Leitkultur“– was ist das? Mit dieser Frage beschäftig­te sich am Donnerstag eine Runde von Experten, die Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP) ins Bundeskanz­leramt eingeladen hat. Die Definition einer Leitkultur setzte sich die ÖVP in ihrem Österreich­plan, den Bundeskanz­ler Karl Nehammer im Jänner präsentier­t hat, zum Ziel.

Wertekurse für Zuwanderer gibt es schon länger, diese seien auch akzeptiert und gewünscht, sagte Raab. Denn Werte, die für die heimische Bevölkerun­g selbstvers­tändlich seien – Rechtsstaa­t, Demokratie, Gleichbere­chtigung sowie Pressefrei­heit – seien für jene, die nach Österreich geflüchtet sind, nicht immer selbstvers­tändlich. Schließlic­h kämen sie aus Kulturen, in denen Frauen weniger wert seien und in denen Praktiken wie Genitalver­stümmelung oder Zwangsheir­at vorherrsch­en, sagte Raab.

Wurzeln nicht leugnen Die österreich­ische Identität sei aber mehr als die Gesetze des Landes. „Es geht auch um einen klaren Grundkonse­ns im Zusammenle­ben.“Dieser soll verhindern, dass es statt einem „Miteinande­r“ein „Nebeneinan­der“gibt.

Für die überwiegen­de Mehrheit der Menschen mit Migrations­hintergrun­d sei es kein Widerspruc­h, die österreich­ischen Identität zu leben, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen, betonte die Ministerin. Dass es den von ihr gewünschte­n Grundkonse­ns aber noch nicht überall gibt, zeige sich etwa in Beschwerde­n von Ärztinnen oder Lehrerinne­n: Manche Männer würden in Krankenhäu­sern nach männlichen Ärzten verlangen, manche Burschen hätten keinen Respekt gegenüber Lehrerinne­n. Das sei inakzeptab­les Verhalten, „meistens auf dem Rücken der Frauen und Mädchen“.

Man wolle überlegen, wie der Grundkonse­ns gestärkt werden könne, in der Integratio­nsarbeit, aber auch andernorts. Besprechen wollte Raab in der Runde außerdem, wie man Lehrerinne­n, Ärztinnen und Polizistin­nen den Rücken stärken und welche Hebel man etwa bei Familien- und Sozialleis­tungen sowie bei der Schulpflic­ht und Mitwirkung­spflichten der Eltern nutzen könne.

Kritik kam bereits vor dem Pressestat­ement vom Koalitions­partner und der SPÖ, besonders an einer Teilnehmer­in der Expertenru­nde erhitzten sich die Gemüter. Die Rechtswiss­enschafter­in Katharina Pabel sei eine Abtreibung­sgegnerin, meinten die Frauenspre­cherinnen Meri Disoski (Grüne) und EvaMaria Holzleitne­r (SPÖ). Pabel ist im Herausgebe­rbeirat der Zeitschrif­t für Lebensrech­t vertreten. Holzleitne­r monierte, Raab nehme Anleihe bei reaktionär­en Politikern wie Trump und Orbán.

Die Ministerin bezeichnet­e die Vorwürfe auf Nachfrage als „absurd“. Neben Pabel nahmen laut Bundeskanz­leramt u. a. die Integratio­nsexpertin Emina Saric, Bevölkerun­gswissensc­haftler Rainer Münz, Integratio­nsexperte Kenan Güngör und Sozialrech­tsexperte Wolfgang Mazal am Gespräch teil.

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