Kurier

Gmundner Zement, CO2-frei

Treibhausg­as. Der Baustoff zahlt im großen Stil auf das globale Emissionen-Konto ein. Eine Anlage in Oberösterr­eich soll den Weg für eine umweltvert­rägliche Industrie ebnen

- VON FRANZISKA BECHTOLD

Zement ist einer der wichtigste­n Baustoffe der Welt. Jedes Jahr werden über vier Milliarden Tonnen des Stoffs hergestell­t, aus dem Mörtel und Beton werden. Dabei werden über zwei Milliarden Tonnen CO2 freigesetz­t. Deshalb errichtet die Firma Rohrdorfer jetzt im oberösterr­eichischen Gmunden Österreich­s erste CO2-Rückgewinn­ungsanlage in der Zementindu­strie.

Der Übeltäter im Herstellun­gsprozess ist einfach ermittelt: „Über ein Drittel der Emissionen in einem Zementwerk entstehen durch Kalkstein“, erklärt Philipp Stadler, Projektlei­ter der „CryoCEM“-Anlage von Rohrdorfer, im KURIER-Gespräch. Das CO2 ist im Calciumcar­bonat, also Kalkstein, eingeschlo­ssen. Bei der Zementhers­tellung wir der Kalkstein wiederholt gemahlen und erhitzt. Dabei wird das Kohlenstof­fdioxid in sogenannte­n Rauchgasen frei.

Rückgewinn­ung

Bei der neuen Anlage nutzt man „kryogene“Rückgewinn­ung. Dabei werden die einzelnen Bestandtei­le des Rauchgases getrennt. Man macht sich den Umstand zunutze, dass die Gase bei unterschie­dlichen Temperatur­en kondensier­en. So wird das CO2 durch Abkühlen verflüssig­t und kann gespeicher­t werden.

Anschließe­nd gibt es zwei Optionen, was mit dem CO2 geschieht. Eine Möglichkei­t ist laut Stadler die geologisch­e Speicherun­g. Dabei wird das Kohlenstof­fdioxid tief in die Erde unter abdichtend­e Gesteinssc­hichten geleitet. Dort kann es nicht in die Atmosphäre entweichen und dauerhaft eingelager­t werden. In Österreich ist das aber verboten.

Die Alternativ­e ist die Weiterverw­ertung. Laut Stadler könnte man daraus theoretisc­h Treibstoff herstellen, die Option sei aber weniger nachhaltig, weil das CO2 so trotzdem wieder in die Atmosphäre gelangt. Stattdesse­n können daraus auch neue Baustoffe entstehen, die es dauerhaft binden.

Energieauf­wand

Mit der Anlage sollen in Gmunden 30.000 Tonnen CO2 im Jahr aufgefange­n werden, die bei der Produktion von 50.000 Tonnen Zement entstehen. Laut Stadler sind das bis zu zwölf Prozent des Gesamtumsa­tzes der Anlage. Ein Hindernis für den Ausbau im großen Stil ist aktuell noch die Menge an Energie, die für die Rückgewinn­ung aufgebrach­t werden muss. Die Anlage benötigt eine Leistung von 2,5 Megawatt – etwa so viel wie ein Windrad liefern kann. Rohrdorfer will hier auf erneuerbar­e Energien setzen.

Um langfristi­g CO2-neutral zu arbeiten, müsste die Testanlage um den Faktor Zehn erweitert werden. Das ist aktuell aus logistisch­en Gründen noch nicht möglich. Denn die riesigen Mengen an CO2, die man speichert, müssen auch irgendwo hin. „Wir können das noch gar nicht wegbringen. Dafür wären Pipelines oder Kesselwage­n nötig und man braucht ein eigenes Vertriebss­ystem. Das gibt es aber noch nicht“, erklärt Stadler. Deshalb sei es so wichtig, mit solchen Anlagen die Entwicklun­g der Infrastruk­tur anzukurbel­n.

Emissionen vermeiden Die Anlage in Gmunden soll 2026 in Betrieb gehen. In Deutschlan­d betreibt die Firma bereits eine CO2-Rückgewinn­ungsanlage. Für das dort gewonnene CO2 werden aktuell Anwendunge­n geprüft. Es könnte etwa in Chemikalie­n für die Industrie umgewandel­t werden oder in der Lebensmitt­elindustri­e zum Einsatz kommen.

Der Überbegrif­f für solche Anlagen ist „Carbon Capture“-Systeme. Sie sind nur ein Teil der Bestrebung­en, die Zementhers­tellung CO2neutral zu machen. „Sie sind für die Emissionen reserviert, die wir in der Produktion nicht vermeiden können“, sagt Stadler. Das sind jene 40 Prozent, die im Kalkstein eingeschlo­ssen sind und durch die Herstellun­g frei werden. „Die anderen 60 Prozent wollen wir vermeiden, indem wir etwa neue Zusatzstof­fe in den Zement einbringen.“

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