Gmundner Zement, CO2-frei
Treibhausgas. Der Baustoff zahlt im großen Stil auf das globale Emissionen-Konto ein. Eine Anlage in Oberösterreich soll den Weg für eine umweltverträgliche Industrie ebnen
Zement ist einer der wichtigsten Baustoffe der Welt. Jedes Jahr werden über vier Milliarden Tonnen des Stoffs hergestellt, aus dem Mörtel und Beton werden. Dabei werden über zwei Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt. Deshalb errichtet die Firma Rohrdorfer jetzt im oberösterreichischen Gmunden Österreichs erste CO2-Rückgewinnungsanlage in der Zementindustrie.
Der Übeltäter im Herstellungsprozess ist einfach ermittelt: „Über ein Drittel der Emissionen in einem Zementwerk entstehen durch Kalkstein“, erklärt Philipp Stadler, Projektleiter der „CryoCEM“-Anlage von Rohrdorfer, im KURIER-Gespräch. Das CO2 ist im Calciumcarbonat, also Kalkstein, eingeschlossen. Bei der Zementherstellung wir der Kalkstein wiederholt gemahlen und erhitzt. Dabei wird das Kohlenstoffdioxid in sogenannten Rauchgasen frei.
Rückgewinnung
Bei der neuen Anlage nutzt man „kryogene“Rückgewinnung. Dabei werden die einzelnen Bestandteile des Rauchgases getrennt. Man macht sich den Umstand zunutze, dass die Gase bei unterschiedlichen Temperaturen kondensieren. So wird das CO2 durch Abkühlen verflüssigt und kann gespeichert werden.
Anschließend gibt es zwei Optionen, was mit dem CO2 geschieht. Eine Möglichkeit ist laut Stadler die geologische Speicherung. Dabei wird das Kohlenstoffdioxid tief in die Erde unter abdichtende Gesteinsschichten geleitet. Dort kann es nicht in die Atmosphäre entweichen und dauerhaft eingelagert werden. In Österreich ist das aber verboten.
Die Alternative ist die Weiterverwertung. Laut Stadler könnte man daraus theoretisch Treibstoff herstellen, die Option sei aber weniger nachhaltig, weil das CO2 so trotzdem wieder in die Atmosphäre gelangt. Stattdessen können daraus auch neue Baustoffe entstehen, die es dauerhaft binden.
Energieaufwand
Mit der Anlage sollen in Gmunden 30.000 Tonnen CO2 im Jahr aufgefangen werden, die bei der Produktion von 50.000 Tonnen Zement entstehen. Laut Stadler sind das bis zu zwölf Prozent des Gesamtumsatzes der Anlage. Ein Hindernis für den Ausbau im großen Stil ist aktuell noch die Menge an Energie, die für die Rückgewinnung aufgebracht werden muss. Die Anlage benötigt eine Leistung von 2,5 Megawatt – etwa so viel wie ein Windrad liefern kann. Rohrdorfer will hier auf erneuerbare Energien setzen.
Um langfristig CO2-neutral zu arbeiten, müsste die Testanlage um den Faktor Zehn erweitert werden. Das ist aktuell aus logistischen Gründen noch nicht möglich. Denn die riesigen Mengen an CO2, die man speichert, müssen auch irgendwo hin. „Wir können das noch gar nicht wegbringen. Dafür wären Pipelines oder Kesselwagen nötig und man braucht ein eigenes Vertriebssystem. Das gibt es aber noch nicht“, erklärt Stadler. Deshalb sei es so wichtig, mit solchen Anlagen die Entwicklung der Infrastruktur anzukurbeln.
Emissionen vermeiden Die Anlage in Gmunden soll 2026 in Betrieb gehen. In Deutschland betreibt die Firma bereits eine CO2-Rückgewinnungsanlage. Für das dort gewonnene CO2 werden aktuell Anwendungen geprüft. Es könnte etwa in Chemikalien für die Industrie umgewandelt werden oder in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen.
Der Überbegriff für solche Anlagen ist „Carbon Capture“-Systeme. Sie sind nur ein Teil der Bestrebungen, die Zementherstellung CO2neutral zu machen. „Sie sind für die Emissionen reserviert, die wir in der Produktion nicht vermeiden können“, sagt Stadler. Das sind jene 40 Prozent, die im Kalkstein eingeschlossen sind und durch die Herstellung frei werden. „Die anderen 60 Prozent wollen wir vermeiden, indem wir etwa neue Zusatzstoffe in den Zement einbringen.“