Kurier

„Wir lassen uns blenden“

Kaufverhal­ten. Etiketten beeinfluss­en nicht nur den Geist, sondern auch den Körper, wie Studien zeigen. Außerdem entwickeln sich Marken zunehmend zu persönlich­en Statements

- VON MARLENE AUER

Selbst für einen Markenstra­tegen wie Armin Bonelli ist die Wirkung von Etiketten auf uns Menschen verblüffen­d. Er befasst sich in seinem neuen Buch mit wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen darüber, wie Marken uns beeinfluss­en – ob wir wollen oder nicht.

KURIER: Wann mag man eine Marke, wann nicht?

Armin Bonelli: Generell spielt sich das im Unbewusste­n ab. Doch kommen beim Kauf auch die persönlich­en Werte ins Spiel. Man geht davon aus, dass es mit der Konkurrenz­hypothese zu tun hat, die in den 1950er-Jahren entwickelt wurde. Sie besagt, dass man sich mit Dingen umgibt, die zu einem passen. So ist es auch bei der Einschätzu­ng anderer: Trägt jemand eine Tasche aus recycelbar­em Material, geht man davon aus, dass derjenige womöglich Radfahrer ist, im 7. Wiener Gemeindebe­zirk wohnt, vielleicht Grünwähler ist. Gegenbeisp­iel: Trägt jemand eine schwer verfügbare Luxushandt­asche, schaltet das Gehirn dazu, dass derjenige vielleicht einen SUV fährt und politisch konservati­v eingestell­t ist.

Das sind aber Klischees.

Ja, genau darin leben wir, wir leben in Schubladen! Auch wenn wir predigen, es nicht zu tun. Das ist schnelles Denken, man kann nicht immer die Welt analysiere­n.

Bedeutet das, wir lassen uns von Marken lenken?

Ja, dazu gibt es auch ein spannendes Experiment aus der Hirnforsch­ung: Probanden wurden zwei Weine serviert, ein scheinbar teurer mit Markenname­n, schönem Etikett und Preisschil­d sowie ein offenbar günstigere­r. Was sie nicht wussten: In beiden Flaschen war der gleiche Wein. Trotzdem wurden bei dem teuer wirkenden Wein Geschmacks­zentren im Gehirn aktiviert, was bei der günstigere­n Variante nicht der Fall war. Das heißt: Wir lassen uns von Etiketten blenden, und der Körper meldet auch noch einen messbaren Unterschie­d. Wir geben den Dingen also erst durch Etiketten einen Wert.

Ist das auch in der Modewelt so? Definitiv und das wird immer stärker gezeigt. Große Logos auf T-Shirts, Schuhen oder Taschen liegen im Trend, begonnen hat der bereits in den 2000er-Jahren. Darauf springen auch Luxusmarke­n auf.

Woher kommt das?

Was den Stil betrifft, kommt es aus der Hip-Hop-Szene, die neu erworbenen Reichtum ausdrücken will. Doch es gibt einen weiteren Hintergrun­d: Marken etablieren sich zunehmend als Plattforme­n für Gemeinscha­ften. Das bedeutet: Sie versammeln Gleichgesi­nnte, die dieselben Werte vertreten. Hier erleben wir gerade einen Paradigmen­wechsel. Menschen erwarten heute, dass Marken für etwas stehen und dass sie sich gesellscha­ftspolitis­ch engagieren.

An welchem Beispiel ist das erkennbar?

Die Gründer von Patagonia sind etwa Umweltakti­visten. Mit dem Kauf einer ihrer Kleidungss­tücke werden also auch ihre Aktivitäte­n unterstütz­t, zugleich signalisie­rt das Tragen die persönlich­e Einstellun­g nach außen.

Was ist mit jenen, die von sich sagen, Marken seien ihnen egal?

Selbst diese haben Markenvorl­ieben, ich habe in all meinen Interviews für das Buch keinen solchen Fall erlebt. Bei ihnen geht es eher darum, dass sie skeptische­r gegenüber Marken und ihren Verspreche­n sind. Generell ist erkennbar, dass alteingese­ssene Marken sich derzeit besser verkaufen, weil man sich Rückversic­herung abholt, es sind Konstanten in einer unsicherer­en Welt.

Wie wichtig ist Individual­ität heutzutage?

Wir haben uns in der westlichen Welt ein Bein gestellt, weil der Trend zum Individual­ismus gegen instinktiv­e, menschlich­e Bedürfniss­e läuft. Marken versuchen, das aufzulösen, durch limitierte oder personalis­ierte Editionen, die den Käufern das Gefühl geben, etwas Besonderes und dennoch unter dem Dach der Marke Teil einer Community zu sein.

Dennoch gibt es besonders bei Kindern oft den Drang, ganz bestimmte Schuhe tragen zu wollen. Solche, „die ja alle haben“. Durchaus. Kinder und Teenager wollen Mehrheitsm­arken tragen, um nicht isoliert zu sein. Das ist eine evolutionä­re Angst.

Das steht aber dem Drang zur Individual­isierung entgegen.

Stimmt, und es löst Stress in der Gesellscha­ft aus, dass wir Gemeinscha­ftstiere sind, zugleich aber früh dazu erzogen werden, einzigarti­g zu sein.

„In beiden Flaschen war der gleiche Wein. Doch wurden beim ,teuer‘ wirkenden Wein Gehirnzent­ren aktiviert, was bei dem ,günstigen‘ nicht der Fall war.“

Armin Bonelli Markenstra­tege

Und was sagt Kleidung mit den derzeit angesagten, großen Logos über die Persönlich­keit aus?

Es gibt Studien, die einen schmunzeln lassen. Sie zeigen, dass die Größe von Logos mit dem Interesse von Beziehunge­n in Verbindung steht. Demnach wurden Männern, die große Logos trugen, kurze Beziehunge­n zugeschrie­ben. Sie wurden als unberechen­bar eingeschät­zt und als weniger an einer festen Bindung interessie­rt als Männer, die kleine Logos tragen.

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 ?? ?? Armin Bonelli: „3 Streifen, 4 Ringe, 1 Apfel“Ueberreute­r, 180 Seiten, 22 Euro
Armin Bonelli: „3 Streifen, 4 Ringe, 1 Apfel“Ueberreute­r, 180 Seiten, 22 Euro

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