Kurier

Wen holt Holbein hinter dem Ofen hervor?

KHM. Eine dichte Schau führt in die Zeit um 1500 und zum Kunstschaf­fen, das sich um die superreich­en Fugger in Augsburg entwickelt­e. Für das Publikum gibt es Highlights, aber auch so manche Hürden

- VON MICHAEL HUBER

Als gelernter Wiener hat man schon viele Facetten kennengele­rnt, die unter dem Markenbünd­el „Wien 1900“zusammenge­fasst werden: Durchaus plausibel wird uns regelmäßig vermittelt, dass Bilder von Klimt und Schiele, Schriften von Freud und Schnitzler, Möbel von Hoffmann und Loos ein wichtiger Ausgangspu­nkt der Moderne waren und in unsere Gegenwart hineinreic­hen.

Die Marke „Augsburg 1500“hat es da schon schwerer. Denn erst mal: Wo liegt Augsburg? Und was genau kann und soll das, was sich vor rund 500 Jahren dort abspielte, mit unserem Leben zu tun haben?

„Boomtown“

Die Ausstellun­g „Holbein. Burgkmair. Dürer. Renaissanc­e im Norden“bietet jede Menge guter Argumente, sich der Stadt, die sich im frühen 16. Jahrhunder­t zu einer Art „Boomtown“entwickelt­e, zu widmen. Hier residierte die Familie der Fugger, die – von Kaufleuten zu Bankiers und Adeligen aufgestieg­en – ungeheure Macht entwickelt­en. Kapitalism­us traf hier auf Katholizis­mus – Patriarch Jakob Fugger „vereinte in seiner Firma rund 10 Prozent der wirtschaft­lichen Leistung des Heiligen Römischen Reiches“, erklärt Kurator Guido Messling. Die Habsburger Kaiser waren von den Darlehen der Bankiers abhängig. Und alle wollten sie im Himmel Heil erlangen und auf Erden durch Größe und Wohltätigk­eit im Gedächtnis bleiben.

Dass heute trotzdem mehr Touristen nach Florenz als nach Augsburg reisen, hat auch mit der Kunst zu tun, die diese – in beiden Städten durchaus vergleichb­are – Gemengelag­e hervorbrac­hte. Denn wenngleich sich die deutsche Stadt als saugfähige­r Schwamm für alles erwies, was aus Italien kam, schlug eine andere Art der Frömmigkei­t und des Repräsenta­tionsbedür­fnisses auf die Erzeugniss­e der vor Ort ansässigen Künstler durch.

Dieses Ineinander und Übereinand­er von Formen und Medien ist das Fasziniere­nde, aber auch das Herausford­ernde an den gut 170 Exponaten, die Kurator Messling mit seinem Team zusammentr­ug (eine Version der Schau war zuvor im Frankfurte­r Städel Museum zu sehen gewesen).

Bei der sogenannte­n „Madonna Böhler“von Hans Holbein d. Ä. (1524) vermischt sich etwa die Darstellun­gsweise einer gotischen Muttergott­es mit dem Blick in einen italienisc­hen Palazzo und auf (huch!) nackte Engel. Das Wimmelbild „Esther vor Ahasver“von Hans Burgkmair (1528) ist nicht nur wegen seines alttestame­ntarischen Inhalts ein Puzzle, sondern auch wegen der Vielzahl der Figuren, Gewänder und Bauten, die teils direkt italienisc­he Vorbilder zitieren.

Medienunte­rnehmer Burgkmair und Holbein sind die Hauptdarst­eller der Show, die dem Zwang zu „großen Namen“spürbar widerwilli­g folgt: Denn eigentlich waren die Künstler eher Medienunte­rnehmer, anders als in Florenz widmete man ihnen keine großen Biografien und Theorien. Häufig kooperiert­en sie, um Bildideen – mal gemalt, geschnitzt oder geschmiede­t, oft als Druckgrafi­k – unter die Leute zu bringen. Was daran nicht kleinforma­tig blieb, verblieb meist am angestammt­en Ort – aus der „Fuggerkape­lle“, für die auch Dürer arbeitete, schafften es aber bemalte Flügel der Orgel in die Ausstellun­g.

Es ist eine fasziniere­nde Welt, doch es erfordert Arbeit, in sie einzutauch­en. Die Kunsthisto­riker haben sehr viel davon geleistet, wie der detaillier­te Katalog zeigt. Dass auch die Ausstellun­g eher aus Perspektiv­e der Wissenscha­ft denn aus jener des Publikums gedacht ist, macht sie zu keinem leicht zu konsumiere­nden Ereignis. Doch immerhin gibt es eine „Lounge“, wo man zu historisch­er Musik ausspannen und nachlesen kann.

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Was brüten die denn aus? Putten aus der Fuggerkape­lle in Augsburg

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