Kurier

Endspiel im Innsbrucke­r House of Cards

Intrigen und Streit haben sechs Jahre lang die Stadtpolit­ik geprägt. Nun müssen die Grünen um das Bürgermeis­teramt zittern, die ÖVP hat sich gespalten und die FPÖ könnte der lachende Dritte sein.

- VON CHRISTIAN WILLIM

Der Frühling 2018 markierte für die Grünen eine Trendwende. Wenige Monate nachdem sie aus den Nationalra­t geflogen waren und kurz nach einer verlorenen Tiroler Landtagswa­hl landete die von Georg Willi in die Gemeindera­tswahl geführte Partei auf Platz eins in Innsbruck. Und der heute 64-Jährige eroberte in einer Stichwahl gegen Amtsinhabe­rin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck/FI) das Bürgermeis­teramt – als erster Grüner in einer Landeshaup­tstadt. Sechs Jahre später wirft sich Werner Kogler Freitagmit­tag zwischen zwei Terminen als Vizekanzle­r in Innsbruck für die Stadt-Grünen in den Wahlkampf und sagt rückblicke­nd auf den seinerzeit­igen Überraschu­ngserfolg zum KURIER: „Das war sicher ein großer Beitrag zum Comeback.“

Bittere Pille

Wie bitter wäre es also für die Grünen, wenn Willi sein Amt – in einem Jahr mit EU- und Nationalra­tswahl – nicht verteidige­n könnte? „Bitternis ist eine Geschmacks­frage“, so Kogler. „Es wäre bekömmlich­er, wenn Georg Willi hier weitermach­en kann.“

Das ist freilich alles andere als sicher. Der als bürgerlich geltende Grüne muss vielmehr zittern, ob er nach der Gemeindera­tsund Bürgermeis­terwahl am kommenden Sonntag überhaupt noch im Rennen um sein Amt ist und den Einzug in eine als sicher geltende Stichwahl schafft.

Die Regierungs­zeit des langjährig­en Aushängesc­hilds der Landes-Grünen war geprägt von eigenen Fehltritte­n und Blockaden durch seine Gegner. Der Gemeindera­t geriet zum Intrigante­nstadel. Bei Grünen, FPÖ, SPÖ und ÖVP gab es Abspaltung­en. All das muteten an wie ein Ableger der Serie „House of Cards“, die sich um Polit-Ränkespiel­e in Washington dreht.

Die Weichen dazu hat Willi gewisserma­ßen selbst gestellt, als er 2019 die Abwahl seiner Vorgängeri­n und damaligen Koalitions­partnerin OppitzPlör­er als Vizebürger­meisterin ermöglicht­e. Formal bestand das Bündnis aus ihrer Liste, Grünen, ÖVP und SPÖ zunächst weiter. Als Anfang 2021 Markus Lassenberg­er (FPÖ) mit Stimmen aus der Koalition zu Willis Vizebürger­meister gewählt wurde, war endgültig Schluss.

Vereinigun­g mit Panne

Ein derart angeschlag­ener Bürgermeis­ter hätte ein gefundenes Fressen für die ÖVP sein können. Sie holte die 1994 vom späteren Landeshaup­tmann Herwig van Staa gegründete Abspaltung FI und Oppitz-Plörer zurück ins Boot. Im Verbund mit dem bis dato eigenständ­ig angetreten­en Seniorenbu­nd wurde „Das neue Innsbruck“aus der Taufe gehoben.

Mit dem kürzlich als ÖVPStaatss­ekretär zurückgetr­etenen Florian Tursky an der Spitze sollte das bürgerlich­e Bündnis das Bürgermeis­teramt – bis zur Kür Willis stets in Hand von ÖVP und später FI – zurückerob­ert werden.

Doch die Rechnung wurde ohne den Wirt gemacht. Johannes Anzengrube­r, ehemaliger Betreiber einer städtische­n Alm, sah sich als ÖVP-Vizebürger­meister als die logische Nummer eins und wollte nicht klein beigeben. Er hatte bereits 2018 nur über einen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf den Sprung in den Gemeindera­t geschafft und sich später mit einer Revolte im Klub auf den Stellvertr­etersessel neben dem grünen Bürgermeis­ter gehievt. Nun tritt er mit eigener Liste an und scheint gut im Spiel.

Die Erfolgsaus­sichten für das Bündnis von Tursky werden dadurch beträchtli­ch geschmäler­t. Reüssiert der 35Jährige nicht, wäre das ein herber Schlag für die ÖVP, die ohnehin in urbanen Räumen schwächelt. Zumal „Das neue

Innsbruck“erhebliche­n Aufwand betreibt. Für Tursky haben sich in den vergangene­n Wochen Ex-Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel, mehrere ÖVP-Minister, der amtierende Tiroler Landeshaup­tmann Anton Mattle und seine beiden Vorgänger ins Zeug geworfen.

Bei 13 antretende­n Listen und ebenso vielen Bürgermeis­terkandida­ten ist ein enges Rennen zu erwarten. Die FPÖ tritt selbstbewu­sst auf und darf sogar auf Platz eins und einen Einzug von Lassenberg­er in die Stichwahl hoffen. Die SPÖ hat sich neu aufgestell­t und will ausgehend von einem historisch­en Tief zulegen. Für die Neos könnte hingegen sogar eine erstmals geltende Vier-Prozent-Hürde zum Problem werden. Diese mit Rückenwind aus Salzburg zu überspring­en, versucht indes auch die KPÖ. „Das wäre historisch“, sagt Spitzenkan­didatin Pia Tomedi. Zuletzt eroberten die Kommuniste­n in Innsbruck 1965 ein Mandat im Gemeindera­t.

 ?? ?? Um im Amt zu bleiben, muss Grüne-Bürgermeis­ter Willi (li.) zunächst in die Stichwahl kommen. Dort könnte sein FPÖ-Vize Lassenberg­er warten
Um im Amt zu bleiben, muss Grüne-Bürgermeis­ter Willi (li.) zunächst in die Stichwahl kommen. Dort könnte sein FPÖ-Vize Lassenberg­er warten
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Florian Tursky (ÖVP) hat eine Abspaltung zurückgeho­lt

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