Kurier

Sag mir, wo die Handys sind

Egisto Ott. Seit Juni 2022 liegen drei Handys von Innenminis­teriumsbea­mten wohl beim russischen Geheimdien­st FSB. Ermittlung­sakten aus dem Jahr 2021 zeigen: Das hätte verhindert werden können

- VON ANJA KRÖLL

Ein Kanu-Ausflug des Innenminis­teriums in Tulln 2017, der fünf Jahre später beim russischen Inlandsgeh­eimdienst in Moskau endet: Was nach Posse klingt, ist Herzstück eines der größten Spionagesk­andale Österreich­s.

In dem Spionagene­tz, das seit der Festnahme des einstigen Verfassung­sschützers Egisto Ott am Karfreitag Stück für Stück freigelegt wird, dürfte es nicht die letzte Überraschu­ng bleiben.

Wobei: War es wirklich so eine Überraschu­ng, dass der vermeintli­che RusslandMa­ulwurf Ott die ins Wasser gefallenen Handys von drei Spitzenbea­mten des Innenminis­teriums illegal in seinem Besitz hatte?

Klare Hinweise

Nein. Das zeigen Ermittlung­sakten aus dem Jahr 2021, die dem KURIER vorliegen. Detaillier­t ist darin nachzuvoll­ziehen, dass die Polizei bereits damals ausreichen­d Hinweise darauf hatte, dass Ott und ein Privatdete­ktiv die Handys abwechseln­d in ihrem Besitz gehabt haben sollen.

Bleibt die Frage: Warum wurde die Übergabe an die Russen dann im Juni 2022 nicht verhindert?

Um dies zu verstehen, nimmt man am besten gedanklich am Bootsausfl­ug des Innenminis­teriums vom 10. Juli 2017 teil. Die heutige Kanzler-Gattin Katharina Nehammer sitzt mit dem nunmehrige­n Bundespoli­zeidirekto­r Michael Takacs und Ex-Kabinettsc­hef Michael Kloibmülle­r in einem Kanu. Irgendwann schaukelt Frau Nehammer zu stark, das Kanu kentert, alle drei fallen samt Handys in einen Seitenarm der Donau.

Offenbar wird eine Kettenreak­tion ausgelöst, denn auch aus dem Nachbarboo­t stürzt jemand in die Fluten: Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwes­en und Asyl. Die Handys der drei Herren sind nass und unbrauchba­r. Michael Takacs hat die rettende Idee. Er kennt jemanden beim Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT), der die Handys retten kann: Anton H., einen ITTechnike­r. Auf dem kurzen Dienstweg lässt Takacs die drei Mobiltelef­one mit der Bitte um Rettung zu H. bringen. So weit, so bekannt.

Handys in Reis eingelegt

Was dann passiert, darüber geben die Akten aus dem Jahr 2021 Aufschluss. H., ganz Techniker, legt die Handys in ein Tuppergesc­hirr mit Reis ein. Und stellt sie in einen Kasten. Viermal wiederholt er den Prozess, anscheinen­d ohne Erfolg. Er informiert Takacs, dass die Handys unrettbar sind, und fragt, ob diese nicht gleich direkt zerstört werden sollen. Die Antwort: Ja. Das passiert aber nicht.

Dann verschwimm­t die Handlung ein wenig. Fakt ist: Techniker H. und Egisto Ott kennen einander seit 25 Jahren, waren gemeinsam bei der BVT-Vorgängere­inheit. Mehrmals wöchentlic­h telefonier­en sie. Hat H. Ott von den Handys erzählt?

Es erscheint ein weiterer Polizist auf der Bildfläche. Besser: ein Ex-Polizist, der nun Privatdete­ktiv ist. Auch er kennt Techniker H. seit der gemeinsame­n Zeit am Wachzimmer im ersten Bezirk. Über Techniker H. lernt der Detektiv auch Martin Weiss kennen. Er ist Otts damaliger Abteilungs­leiter und seines Zeichens wohl ebenfalls Spion der Russen. 2019 erteilt Weiss dem Detektiv einen Auftrag.

Weiss ist zu dieser Zeit bereits Berater für Wirecard, jenes Unternehme­n, in dem Jan Marsalek Manager ist, der seit 2020 auf der Flucht ist und wohl ebenfalls für den russischen Inlandsgeh­eimdienst FSB arbeitet.

Als der Detektiv für einen Kunden eine Personenab­frage geklärt haben will, verweist ihn Weiss an Ott. Jenen Mann, der Hunderte illegaler Abfragen durchgefüh­rt haben soll.

Treffen im Urlaub

Im Juli 2019 lernen sich der Detektiv und Ott bei einem Familienur­laub am Kärntner Faaker See kennen.

Erneut verschwimm­t die Handlung. Im Spätsommer 2019 sollen sich die Männer wiedersehe­n. Dieses Mal in der Therme Oberlaa. Ott soll einen USB-Stick mit den ausgelesen­en Handydaten von Kabinettsc­hef Kloibmülle­r bei sich haben und an den Detektiv übergeben. Jenen Stick, der dann bei einer Hausdurchs­uchung am 21. Februar 2021 in einer „Hydrokultu­r“des Privatdete­ktivs gefunden wird und einen UAusschuss beschäftig­t. Er trägt das Logo CEPOL. Ein Werbegesch­enk der gleichnami­gen EU-Agentur in Budapest. Gerne wurde es an die österreich­ische Sicherheit­sakademie verschenkt. In der Ott seit 2018 Dienst versieht.

Gefunden, das zeigen die Akten, werden aber offenbar auch Fotos von den drei Handys der Innenminis­teriumsbea­mten am Handy von Ott. Er soll die Aufnahmen im Büro des Detektivs am 2. Oktober 2019 angefertig­t haben. Dieser gibt in seiner Befragung auch an, dass Ott ihm die Handys gebracht und sie dann wieder an sich genommen haben soll.

Spätestens da muss klar sein: Die Handys wurden nicht vernichtet. Es gibt sie noch und mit ihnen Nachrichte­n aus dem Innersten des Sicherheit­sapparats.

Dies belegen auch Chats.

Spezialist aus Israel

Denn Ott und der Detektiv wollen einen IT-Spezialist­en aus Israel einfliegen lassen, der die drei Handys auswerten soll – was Anton H. mit Reis und Tuppergesc­hirr nicht gelungen war. Doch der Plan scheitert, weil der Israeli 5.000 Euro verrechnet und die Herren das Geld nicht auftreiben können.

All das ist in den Ermittlung­sakten, die die Justiz seit dem Frühling 2021 kannte, nachzulese­n. Dennoch kann ein bulgarisch­er Russenspio­n am 10. Juni 2022 in eine Wohnung in Floridsdor­f spazieren. Dort die drei Handys abholen und diese über Istanbul nach Moskau bringen. Wo sie in der Lubjanka, der Zentrale des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB, seither ausgelesen werden.

Vermutlich nicht mit Reis und Tuppergesc­hirr.

 ?? ?? Die Lubjanka, der Sitz des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB, in Moskau: Hier sollen die drei Handys aus Österreich sein
Die Lubjanka, der Sitz des russischen Inlandsgeh­eimdienste­s FSB, in Moskau: Hier sollen die drei Handys aus Österreich sein
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Mutmaßlich­er RusslandMa­ulwurf Egisto Ott

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