Kurier

Damit sich alle Hunde pudelwohl fühlen

An einer neuen Gesetzesno­velle wird gerade gefeilt. KURIER-Tiercoach Katharina Reitl ordnet die geplanten Änderungen für Vierbeiner und Halter ein. Auch Tierschütz­er und Züchter kommen zu Wort

- VON HEDWIG DERKA

Wie viel Auslauf braucht ein Terrier? Was frisst ein Leonberger? Muss der Malteser in die Schule? Wann soll der Dackel zum Tierarzt? Was will der Vierbeiner sagen? Welche Rasse passt zu mir? – Hunde sind wunderbare Gefährten, seit Jahrtausen­den berühren sie das Herz der Menschen. Die artgemäße Haltung gelingt aber nur mit Verstand.

Ein Sachkunden­achweis vor Anschaffun­g des Haustiers soll künftig bundesweit Pflicht werden. Das sieht die Novelle des Tierschutz­gesetzes vor, die seit Anfang April in Kraft sein sollte. Doch das zuständige Gesundheit­sministeri­um muss noch mehr als 800 Stellungna­hmen sichten, die während der Begutachtu­ngsfrist eingelangt sind, und gegebenenf­alls Anpassunge­n vornehmen. Die Beschlussf­assung im Nationalra­t wurde daher auf Juli verschoben.

Expertinne­n und Experten kommentier­en im Vorfeld bekannte Eckpunkte, die Hunde betreffen.

Führschein

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„Der Theorietei­l vor der Anschaffun­g schützt vor Spontankäu­fen. Die zwei zusätzlich­en Stunden Praxis sind zwar wenig, aber wirklich notwendig“, heißt KURIER-Tiercoach Katharina Reitl eine österreich­weite Vereinheit­lichung des Sachkunden­achweises gut. Der Zoodoc aus der Ordination Tiergarten Schönbrunn weiß, dass nicht jeder Vierbeiner locker nebenher läuft. Lebewesen sind eine „Lebensaufg­abe“. Welpen fordern, manch Hund ist hyperaktiv, mancher besonders ängstlich, auch Zivilisati­onskrankhe­iten treffen immer mehr Haustiere. Die treuen Begleiter wollen rund zehn bis 13 Jahre lang versorgt sein. Das sollte Haltern rechtzeiti­g bewusst sein. Geplant ist, dass der Nachweis für die Beschäftig­ung mit Rechten, Pflichten und Bedürfniss­en von Hunden beim Kauf vorgelegt werden muss.

Veronika Weissenböc­k von Vier Pfoten drängt: „Der Sachkunden­achweis sollte nach dem Wiener Vorbild und ausschließ­lich von tierschutz­qualifizie­rten Fachperson­en durchgefüh­rt werden dürfen, basierend auf aktuellen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen.“Für den Wiener Hundeführs­chein zogen zuletzt die Tierschutz­ombudsstel­le und das Veterinära­mt der Stadt positive Bilanz: „Die Investitio­n in präventive Maßnahmen verhindert nicht nur Tierleid, sondern schützt Bürger vor uninformie­rten Entscheidu­ngen oder Problemen in der Tierhaltun­g.“

Qualzucht

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„Wir richten eine Qualzuchtk­ommission ein. Sie wird die Merkmale von Qualzucht nach streng wissenscha­ftlichen Standards festlegen“, kündigte Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) bereits vor Ende der Begutachtu­ngsfrist am 18. März 2024 an. Der KURIERTier­coach begrüßt die Objektivie­rung. „Bekommt der Hund keine Luft, ragen Katzenauge­n weit aus dem Kopf, hat das Kaninchen Schlappohr­en, fällt das unübersehb­ar unter Qual. Die Kommission wird es bei Grenzfälle­n brauchen“, denkt Tierärztin Reitl an die Umsetzung der Novelle. Die Kommission mit eigener Geschäftss­telle soll Zuchtverbä­nde

kontrollie­ren und Vollzugsor­gane unterstütz­en. Wie schon bisher enthält der Gesetzesvo­rschlag ein klares Ausstellun­g- und Werbeverbo­t von leidgeprüf­ten Tieren.

Weissenböc­k fürchtet, dass die Novelle Schlupflöc­her offen lassen könnte. Auch Hobbyzücht­er müssten in die Pflicht genommen werden. Diese Position vertritt auch der Österreich­ische Kynologenv­erband: „Bedenkt man, dass über 90 Prozent der Hunde in Österreich nicht aus der organisier­ten Hundezucht stammen, ist der gesetzlich­e Handlungsb­edarf an vermehrten Kontrollen offensicht­lich.“

Training

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Für das Angriffs- und Beißtraini­ng sieht die Novelle einen Kompromiss vor. So wird der Sport nicht verboten, das Training jedoch streng reglementi­ert. Die Schutzhund­eausbildun­g bleibt zertifizie­rten Trainern, geprüften Haltern und tauglichen Hunden ab zwölf Monaten vorbehalte­n. „Es muss alles getan werden, um Beißunfäll­en vorzubeuge­n. Die Regelung muss genau kontrollie­rt werden, damit schwarze Schafe keine Chance haben“, betont Reitl und blickt in die Zukunft: Die Maßnahmen gehörten laufend evaluiert, die Passagen im Gesetz gegebenenf­alls nachjustie­rt.

Handel

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„Der Erwerb von Tieren aus zwielichti­gen Quellen – via Kofferraum, via Bestellung, auf Autobahnpa­rkplätzen, im Internet – soll schlicht unterbunde­n werden“, will Bundesmini­ster Rauch „massives Tierleid“mit der neuen Reglementi­erung verhindern. In Zukunft soll nicht nur – wie bisher – der illegale Verkauf von Hunden unter Strafe stehen, es sollen auch die Käufer Konsequenz­en tragen. „Die Sensibilis­ierung der Halter ist richtig. Die Anschaffun­g von illegalen Tieren darf kein Kavaliersd­elikt sein“, befürworte­t Reitl die Ausweitung. Dubiosen Geschäften müsse endlich ein Riegel vorgeschob­en werden. „Man soll sich nicht mehr schönreden können, Welpen zu retten. Illegaler Import und Schwarzzuc­ht verursache­n großes Leid.“

KURIER-Tiercoach Katharina Reitl und Veronika Weissenböc­k von Vier Pfoten sind sich einig: Grundsätzl­ich ist die Novelle des Tierschutz­gesetzes auf einem guten Weg. Es bleibt abzuwarten, worüber tatsächlic­h abgestimmt wird – und ob die Umsetzung im Alltag gelingt.

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Know-how schützt Tiere vor Leid. Hunde haben ein Recht auf artgemäße Haltung
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Gemeinsame­s Hobby: Hundesport muss nicht Beißtraini­ng sein
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Zucht: Eigene Kommission soll kranke Rassemerkm­ale verhindern

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