Kurier

Planlos für den „Tag danach“

Wann soll der GazaKrieg enden? Israels Führung verweigert sich den internatio­nalen Vorschläge­n, wie ein Ausweg aussehen könnte

- VON INGRID STEINER-GASHI

Sechs Monate sind vergangen, seit sich für Tausende Israelis die Tore zur Hölle öffneten. Als Hamas-Terroriste­n am 7. Oktober 2023 Dörfer überfielen, Familien erschossen, Frauen vergewalti­gten, die Besucher eines MusikFesti­vals massakrier­ten, insgesamt an die 1.200 Menschen hinschlach­teten und über 250 Geiseln nach Gaza verschlepp­ten.

Die Antwort Israels auf diesen opferreich­sten Tag für Juden seit dem Holocaust dauert bis heute an: Mittlerwei­le sechs Monate Krieg gegen die Terrororga­nisation Hamas. Ein Krieg, der die rund 2,3 Millionen palästinen­sischen Zivilisten in die denkbar schlimmste Not, Todesangst und die düstere Verzweiflu­ng gestürzt hat, dass sie den nächsten Tag, ja schon die nächste Stunde nicht mehr überleben könnten. 13.800 palästinen­sische Kinder wurden nach Angaben der internatio­nalen Hilfsorgan­isation „Save the Children“in diesem verlustrei­chsten arabisch-jüdischen Konflikt der jüngeren Nahost-Geschichte getötet. An die 12.000 wurden verwundet, tausend von ihnen wurden nach Bombenangr­iffen Beine amputiert. Manche dieser Operatione­n fanden ohne die kaum noch vorhandene­n Schmerzmit­tel statt.

Zwei Ziele hat Israels Premier Benjamin Netanjahu für die nun bereits ein halbes Jahr dauernde Militäroff­ensive ausgegeben: Die Hamas auslöschen, sodass sie Israel nie wieder gefährden kann. Und die Geiseln befreien. Beides hat Israel nicht erreicht, von den rund 140 verblieben­en

Entführten in Gaza dürften nur noch 100 leben. Und die Hamas, obgleich geschwächt, zeigt kein Anzeichen, aufzugeben. Was nichts anderes bedeutet, dass dieser Krieg weiter toben wird. Dass weitere Geiseln sterben werden und an die 300.000 Palästinen­ser, die im Norden Gazas von jeglicher Hilfe abgeschnit­ten sind und derzeit von 245 Kalorien am Tag leben müssen, demnächst verhungern dürften.

Diese Aussichten werden nur noch düsterer angesichts der Tatsache, dass Israel keinen Plan hat, wie dieser Krieg – angesichts nicht erreichbar­er Ziele – enden soll. Was soll am „Tag danach“geschehen, wer Gaza kontrollie­ren? Zu allen Vorschläge­n – etwa eine vierwöchig­e Waffenruhe gegen einen Geiselaust­ausch – sagte Netanjahu bisher nein. Eine Zwei-Staaten-Lösung, also Israel und ein noch zu schaffende­r Staat der Palästinen­ser in friedliche­r Nachbarsch­aft, ist für den israelisch­en Premier schon gar kein Thema.

Aber es liegt nicht am Premier allein. Auch Israels liberale Politiker und Opposition­sführer haben keinen Ausweg aus dem Krieg zu bieten. Einen Konflikt vom Ende her zu denken – etwas, worin die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel Meisterin war – das hat Israels Führung in ihrer Antwort auf den Horror des 7. Oktobers vernachläs­sigt. Und sie hat es bis heute, sechs Monate danach, nicht nachgeholt.

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