Kurier

Die Wahl ohne Beteiligun­g

Kein Land lebt die Interessen­svertretun­g so intensiv wie wir

- HANNO LORENZ

Die Vertretung­en von Unternehme­n und Arbeitnehm­ern bilden einen Staat im Staat, der sich trotz politische­r Veränderun­gen weitgehend gegen Wandel immunisier­t hat. 2013 belegte die SPÖ zuletzt bei Nationalra­tswahlen den Spitzenpla­tz. 2017 und 2019 folgte die ÖVP, aktuelle Umfragen legen einen abermalige­n Wechsel an der Spitze nahe. Kaum wankelmüti­g zeigen sich Österreich­s Kammern. Wer als Sieger der nun beginnende­n AK-Wahlen hervorgehe­n wird, wird weniger überrasche­n; hat es auch in der Vergangenh­eit nie.

Das Geheimnis hinter diesem Mysterium liegt an der überschaub­aren Wahlbeteil­igung. Lag die Wahlbeteil­igung bis in die 1980er-Jahre noch bei über 60 Prozent, freute man sich zuletzt, wenn zumindest 40 Prozent der Arbeitnehm­er zur Urne gingen. Geht es bei den Nationalra­tswahlen oft darum, Wechselwäh­ler und Unschlüssi­ge zu überzeugen, muss die Kammer die Menschen dazu bringen, überhaupt wählen zu gehen. Interessie­rt Sie denn gar nicht, wer Sie zwangsvert­ritt?

Die Arbeiterka­mmer führt den mangelnden Andrang an der Wahlurne auf ihre hervorrage­nde Arbeit zurück. Und ganz unrecht hat sie nicht: Von der Rechtsbera­tung bis hin zu Tipps zur legalen Steuerverm­eidung – die AK ist dein Freund und Helfer. Dennoch dürfte die fehlende Beteiligun­g vielfältig­ere Gründe haben: Wer zufrieden mit seinem Arbeitsleb­en ist oder sich von einer Pflichtmit­gliedschaf­t nicht vertreten fühlt, der wählt eben nicht. Dabei unterschät­zen viele, welche Macht wir den Sozialpart­nern übertragen haben. Und damit sind nicht die Vertreter im Beirat für Meteorolog­ie oder historisch­e Fahrzeuge gemeint. Es geht um die Hunderten Millionen Euro, die wir jährlich an unsere Kammern überweisen; nicht ganz freiwillig und oft unbewusst. Denn diese Spende versteckt sich hinter den Lohnnebenk­osten, deren Senkung hierzuland­e katastroph­ale Folgen hätte, wie die Kammer seit Wochen trommelt.

Nicht falsch verstehen: Mit den Beiträgen wird auch viel Gutes geleistet, aber eben auch vieles, was es nicht bräuchte. Wenn Geld übrig bleibt, wird es nicht etwa den Arbeitnehm­ern zurückgege­ben – auch nicht in Jahren der Teuerungsk­rise. Das Geld wird fleißig am Kapitalmar­kt veranlagt – jenes Teufelswer­k, von dem Sie laut AK tunlichst die Finger lassen sollten –, um für den späteren Ruhestand der eigenen Mitarbeite­r neben dem besten Pensionssy­stem der Welt noch ein paar extra Groschen zu haben – was Sie natürlich nicht brauchen. Die wahre Macht kommt jedoch aus der Nähe zur Politik: Vertreter der Kammern sitzen im Parlament und dessen Ausschüsse­n und stellen Minister der Regierung. Sie machen Vorschläge für Gesetze, formuliere­n diese aus, begutachte­n sie und stimmen am Ende darüber ab. Selbst über das Milliarden­budget der Sozialvers­icherung wachen sie. Also, gehen Sie wählen.

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Hanno Lorenz ist stv. Direktor des wirtschaft­sliberalen Thinktanks Agenda Austria.

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In Wien, NÖ und Burgenland beginnen heute die Arbeiterka­mmer-Wahlen (bis 23. 4.)
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