Der Spionage-Sumpf
Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass wir unsere bisherigen Beziehungen zu Russland schonungslos aufarbeiten müssen
Es macht fassungslos, was da tagtäglich stückchenweise rund um die Verhaftung des ehemaligen Verfassungsschützers Egisto Ott an die Öffentlichkeit gelangt. Der Kärntner und seine Geheimdienstfreunde dürften es genossen haben, Politiker, ehemalige Kollegen oder auch Justizbeamte für ihre Zwecke einzusetzen. Ob in einem U-Ausschuss, beim Verfassen von parlamentarischen Anfragen oder für das kriminalistische Aufspüren von bestimmten Personen.
Das allein zeigt schon, dass es hier einen Spionagesumpf gegeben hat – oder vielleicht auch noch gibt –, den man genau unter die Lupe nehmen muss. Verschärft wird die Situation dadurch, dass es bei diesem Netzwerk eine starke russische Achse gibt. Dafür steht der Name des ehemaligen Wirecard-Managers Jan Marsalek, der noch immer in Moskau untergetaucht sein dürfte. Und der bis zuletzt Kontakt zu Egisto Ott und seinen Kollegen gehabt hat.
Die Neos fordern bereits einen „Russland-U-Ausschuss“. Die FPÖ gibt sich zurückhaltend, die anderen Parlamentsparteien sind davon überzeugt, dass hier noch viele Fragen geklärt werden müssen. Die Freiheitlichen tun sich da natürlich schwer, weil sie vor Jahren unter dem damaligen Obmann Heinz-Christian Strache einen Freundschaftsvertrag mit der Partei „Einiges Russland“von Wladimir Putin unterzeichneten. Auch wenn dieser Akt von der neuen FPÖ-Führung in der Vorwoche relativiert worden ist.
Dass die Affäre momentan die FPÖ in den Mittelpunkt rückt, liegt vorerst in der Person von Hans-Jörg Jenewein begründet. Der ehemalige blaue Abgeordnete dürfte zu Egisto Ott engste Beziehungen gepflegt haben, wie aus entsprechenden Akten hervorgeht. Dass ihn die anderen Parteien deshalb im aktuellen U-Ausschuss bereits sehen wollen, ist klar. Immerhin war er auch einer der Mitarbeiter von Herbert Kickl, auch wenn dieser bei seiner U-Ausschuss-Befragung in Abrede gestellt hat, dass Jenewein einst seine rechte Hand gewesen sei. Und das könnte letztlich den kommenden Wahlkampf beeinflussen. Ob Jenewein aber die Einladung in den U-Ausschuss annimmt, ist mehr als fraglich.
Notwendig ist, dass die Forderung nach einem „Russland-U-Ausschuss“nicht bloß dem Wahlkampf geschuldet bleibt. Es braucht nach der Wahl eine Aufarbeitung der bisherigen Beziehungen zu Russland und zu Wladimir Putin. Da geht es nicht nur um die FPÖ, da geht es auch um den roten Teppich, der in der Vergangenheit dem Moskauer Regenten bei jeder Gelegenheit ausgerollt worden ist. Wovon manche der Beteiligten seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine plötzlich nichts mehr wissen wollen. Nur so eine Aufarbeitung wird dazu führen, dass es in (weiter) Zukunft vielleicht einmal eine Beziehung zu Russland auf Augenhöhe geben kann.