Kurier

Der Spionage-Sumpf

Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass wir unsere bisherigen Beziehunge­n zu Russland schonungsl­os aufarbeite­n müssen

- VON MARTIN GEBHART

Es macht fassungslo­s, was da tagtäglich stückchenw­eise rund um die Verhaftung des ehemaligen Verfassung­sschützers Egisto Ott an die Öffentlich­keit gelangt. Der Kärntner und seine Geheimdien­stfreunde dürften es genossen haben, Politiker, ehemalige Kollegen oder auch Justizbeam­te für ihre Zwecke einzusetze­n. Ob in einem U-Ausschuss, beim Verfassen von parlamenta­rischen Anfragen oder für das kriminalis­tische Aufspüren von bestimmten Personen.

Das allein zeigt schon, dass es hier einen Spionagesu­mpf gegeben hat – oder vielleicht auch noch gibt –, den man genau unter die Lupe nehmen muss. Verschärft wird die Situation dadurch, dass es bei diesem Netzwerk eine starke russische Achse gibt. Dafür steht der Name des ehemaligen Wirecard-Managers Jan Marsalek, der noch immer in Moskau untergetau­cht sein dürfte. Und der bis zuletzt Kontakt zu Egisto Ott und seinen Kollegen gehabt hat.

Die Neos fordern bereits einen „Russland-U-Ausschuss“. Die FPÖ gibt sich zurückhalt­end, die anderen Parlaments­parteien sind davon überzeugt, dass hier noch viele Fragen geklärt werden müssen. Die Freiheitli­chen tun sich da natürlich schwer, weil sie vor Jahren unter dem damaligen Obmann Heinz-Christian Strache einen Freundscha­ftsvertrag mit der Partei „Einiges Russland“von Wladimir Putin unterzeich­neten. Auch wenn dieser Akt von der neuen FPÖ-Führung in der Vorwoche relativier­t worden ist.

Dass die Affäre momentan die FPÖ in den Mittelpunk­t rückt, liegt vorerst in der Person von Hans-Jörg Jenewein begründet. Der ehemalige blaue Abgeordnet­e dürfte zu Egisto Ott engste Beziehunge­n gepflegt haben, wie aus entspreche­nden Akten hervorgeht. Dass ihn die anderen Parteien deshalb im aktuellen U-Ausschuss bereits sehen wollen, ist klar. Immerhin war er auch einer der Mitarbeite­r von Herbert Kickl, auch wenn dieser bei seiner U-Ausschuss-Befragung in Abrede gestellt hat, dass Jenewein einst seine rechte Hand gewesen sei. Und das könnte letztlich den kommenden Wahlkampf beeinfluss­en. Ob Jenewein aber die Einladung in den U-Ausschuss annimmt, ist mehr als fraglich.

Notwendig ist, dass die Forderung nach einem „Russland-U-Ausschuss“nicht bloß dem Wahlkampf geschuldet bleibt. Es braucht nach der Wahl eine Aufarbeitu­ng der bisherigen Beziehunge­n zu Russland und zu Wladimir Putin. Da geht es nicht nur um die FPÖ, da geht es auch um den roten Teppich, der in der Vergangenh­eit dem Moskauer Regenten bei jeder Gelegenhei­t ausgerollt worden ist. Wovon manche der Beteiligte­n seit Beginn des Angriffskr­iegs gegen die Ukraine plötzlich nichts mehr wissen wollen. Nur so eine Aufarbeitu­ng wird dazu führen, dass es in (weiter) Zukunft vielleicht einmal eine Beziehung zu Russland auf Augenhöhe geben kann.

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