Kurier

Die eiserne Kuppel wurde ihrem Namen gerecht

Angriff auf Israel. 99 Prozent der iranischen Geschoße wurden unschädlic­h gemacht. Dank Israels Luftabwehr und seiner Verbündete­n

- VON INGRID STEINER-GASHI

Alle Augen richten sich auf Israel. Wird die Regierung in Jerusalem auf den beispiello­sen Angriff des Iran reagieren – und wenn ja, wie? Israels Kriegskabi­nett trat am Montag erneut zusammen. Laut dem israelisch­en Generalsta­bschef Herzi Halevi wird es eine Antwort auf den Angriff mit 350 Drohnen und Geschossen geben.

Schon Stunden vor Israels Beratungen waren aus der westlichen Welt eindringli­che Appelle eingelangt: Bitte kein Vergeltung­sschlag auf den iranischen Angriff! Ein solcher könnte die höchst gefährlich­e Spirale der Eskalation weiter in Richtung großen Nahostkrie­g drehen.

Israels treuester Verbündete­r, die USA, stellten gleich vorneweg klar: An einem möglichen Gegenschla­g Israels werde sich Washington keinesfall­s beteiligen. Und der deutsche Bundeskanz­ler Olaf Scholz riet Israel, die erfolgreic­he Abwehr der Drohnen und Raketen als einen Erfolg zu sehen, „der vielleicht auch nicht verschenkt werden sollte“: „Deswegen auch unser Ratschlag, selbst zur Deeskalati­on beizutrage­n.“In der EU werden dagegen neue Sanktionen erwogen.

Orchestrie­rte Hilfe

Den Erfolg, 99 Prozent aller Geschoße abgewehrt zu haben, hat sich Israel nicht allein zuzuschrei­ben. Möglich wurde dies durch eine genau orchestrie­rte Hilfe verbündete­r Staaten – allen voran der USA, Großbritan­niens, Frankreich­s und Jordaniens.

„Sehen Sie sich die Art und das Ausmaß dieses Angriffs an. Das war definitiv kein Frühstücks­gruß. Er sollte echten, schweren Schaden anrichten“, schildert Waffenexpe­rte Sidhart Kaushal vom Thinktank Royal United Services dem Guardian.

Am Angriff haben sich auch Houthi-Milizen im Jemen beteiligt. Fast die Hälfte der iranischen Raketen, berichten heute Analysten dem Wall Street Journal, habe wegen Fehlzündun­gen nie abgehoben oder sei unterwegs abgestürzt. Von den Drohnen wiederum hat keine einzige überhaupt den israelisch­en Luftraum erreicht.

Der Grund: Sie haben eine über 1.500 Kilometer lange Distanz zwischen dem Iran und Israel zu bewältigen, brauchen dafür mindestens sechs Stunden, fliegen nur mit einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 180 Kilometer pro Stunde

– und können relativ leicht abgeschoss­en werden. Diese Aufgabe haben offenbar die jordanisch­e Luftwaffe und die USA gemeinsam übernommen.

Geheimdien­ste

Bemerkensw­ert ist dabei: Erstmals hat ein arabischer Staat aktiv militärisc­h bei der Verteidigu­ng Israels geholfen. Darüber hinaus sollen sogar SaudiArabi­en und die Vereinigte­n Arabischen Emirate ihre Geheimdien­sterkenntn­isse über militärisc­he Vorbereitu­ngen des Iran mit den USA und Israel geteilt haben. Gezimmert haben diese außergewöh­nliche Zusammenar­beit die USA, die offenbar schon seit zehn Tagen wussten, dass und wie der Iran zuschlagen würde.

Zwar hatte das Mullah-Regime in Teheran nach dem israelisch­en Angriff auf das iranische Botschafts­gelände in Damaskus selbst angekündig­t, dass man Vergeltung üben würde. Doch wann und wo, blieb zunächst unklar. Da hatten sich USA, die jordanisch­e Luftwaffe, die britische Royal Navy von Zypern aus und ein französisc­hes Kriegsschi­ff im Roten Meer längst koordinier­t. Bis Ende der Vorwoche hatten die Verbündete­n ihre Vorbereitu­ngen abgeschlos­sen.

80 Shahed-Drohnen und sechs ballistisc­he Raketen hätten die USA zerstört, gab das US-Centcom am Montag bekannt. Von mindestens 30 Marschflug­körpern, die Richtung Israel flogen, wurden laut Israels Armeesprec­her Daniel Hagari „25 noch außerhalb unserer Landesgren­zen abgefangen“. Dabei dürfte es sich um die neu vom Iran entwickelt­en Paveh-351-Raketen handeln, die zwei Stunden vom Iran bis zu Zielen in Israel brauchen. Die größte Gefahr kam von den vom Iran neu entwickelt­en Hyperschal­lraketen. Mit einer Geschwindi­gkeit von 13 bis 15 Mach (16.000 bis 18.500 Kilometer pro Stunde) können Ziele in bis zu 1.400 Kilometern Entfernung in maximal 15 Minuten erreicht werden. Bei der Präsentati­on der Rakete wies das staatliche iranische Fernsehen darauf hin, dass die „Fattah“

selbst von den modernsten Abwehrsyst­emen der USA und Israels nicht abgefangen werden könne. Das stellte sich Sonntagnac­ht als falsch heraus. Nur einige der abgeschoss­enen Hyperschal­lraketen schafften es bis in den israelisch­en Luftraum.

Systeme und Kosten

Zerstört wurden die meisten dieser iranischen Fattah-Raketen von Israels Luftabwehr­system Iron Dome. Es gibt noch weitere Systeme: das System Arrow (deutsch: Pfeil), das auf die Abwehr ballistisc­her Raketen ausgericht­et ist – und das System David’s Sling (Davids Steinschle­uder), mit dem Mittelstre­ckenrakete­n und Mittelstre­cken-Lenkflugkö­rper abgefangen werden sollen.

So erfolgreic­h dieses System bei der Abwehr der iranischen Raketen war, so teuer ist es auch: Eine einzige Abwehrrake­te aus dem Arrow-System kostet 3,5 Millionen Dollar, eine Rakete aus David’s Sling etwa 800.000 Dollar. Die gesamten Kosten, den iranischen Angriff abgewehrt zu haben, dürften sich nach Schätzunge­n auf mindestens eine Milliarde Euro belaufen. Teuer aber war, so die Meinung israelisch­er Militärexp­erten, der Angriff auch für den Iran selbst.

 ?? ??
 ?? ?? Die Kosten für die Abwehr des iranischen Angriffs sollen sich auf eine Milliarde Euro belaufen haben
Die Kosten für die Abwehr des iranischen Angriffs sollen sich auf eine Milliarde Euro belaufen haben

Newspapers in German

Newspapers from Austria