Kurier

Bruckner dekonstrui­ert, Mahler inszeniert: Harding im Musikverei­n

Der Brite kam für zwei Konzerte mit den Münchner Philharmon­ikern nach Wien

- SUSANNE ZOBL

Kritik. Bis Lahav Shani 2026 das Amt des Chefdirige­nten der Münchner Philharmon­iker antritt, muss sich das Orchester mit Gastdirige­nten behelfen. Mit dem gebürtigen Briten Daniel Harding, der im Herbst die renommiert­e Accademia Nazionale di Santa Cecilia von Antonio Pappano übernimmt, gehen sie nun auf Tournee, die sie an zwei Abenden in den Wiener Musikverei­n führte.

Eintauchen

Den Auftakt gab ein Auftragswe­rk an den Franzosen Thierry Escaich.

Das in drei nahtlos in einander übergehend­e Teile gegliedert­e Violinkonz­ert „Au-delà du rêve“(„Jenseits des Traumes“) schrieb der

Organist der Pariser Kirche Saint-Étienne-du-Mont für seinen Landsmann Renaud Capuçon.

Es ist vor allem dem Widmungstr­äger zu verdanken, dass dieses leicht bekömmlich­e, halbstündi­ge Opus das hielt, was dessen Schöpfer vorhatte: „das Eintauchen in eine Klangwelt“.

Capuçon spielte dabei seine Virtuositä­t aus, fesselte mit gekonnten Läufen und betörte mit einer wohligen Weise. Das Orchester bereitete ihm einen vielschich­tigen, nie aufdringli­chen Klangteppi­ch. Bei Bruckners „Vierter“in Es-Dur, die „Romantisch­e“genannt, überrascht­e Harding mit seiner nahezu analytisch­en Lesart. Was waren das noch für Zeiten, als Sergiu Celibidach­e am Pult dieses Orchesters mit seinen Bruckner-Zelebratio­nen überwältig­te! Harding dekonstrui­erte das Werk, gestaltete die Motive wie einzelne Kapitel und verzichtet­e auf übertriebe­ne Bombastik. KURIER-Wertung: ★★★⯪★ ***

Am zweiten Abend war dieser Dirigent ganz in seinem Element. Da ging er ans Zelebriere­n und Inszeniere­n. Die Tondichtun­g „Tapiola“von Jean Sibelius nahm er wie ein klangmaler­isches Vorspiel zu Gustav Mahlers „Fünfter“.

Das Trompeten-Solo eröffnete hier staatstrag­end.

Harding setzte auf dichte, dick aufgetrage­ne Klangfarbe­n, schwere Akzente und ließ mit ruhiger Hand erkennen, wie er diese Symphonie musikalisc­h in Szene setzte.

In tosende Stürme

Verhalten, sehr getragen führte er durch den „Kondukt“, entfachte tosende Stürme und machte deutlich, dass er zu Mahler noch viel zu sagen hat.

Das bekannte „Adagietto“gestaltete er mit einem hohen Maß an Sinnlichke­it. Hervorzuhe­ben ist das famose Horn-Solo von Bertrand Chatenet, der wie alle bejubelt wurde. KURIER-Wertung: ★★★★★

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Harding ist mit den Münchnern auf Tournee und leitet ab Herbst die Accademia Nazionale di Santa Cecilia

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