Kurier

Der Geschichts­lehrer und die SA-Parole

AfD. Der Rechtsauße­npolitiker Björn Höcke steht vor Gericht, weil er mit Nazi-Diktion Wahlkampf gemacht haben soll. Er selbst will – wie stets – von nichts gewusst haben

- VON EVELYN PETERNEL

Eigentlich geht es nur um drei Worte. Für den Angeklagte­n und die Hunderten, die vor dem Gericht demonstrie­ren, geht es aber um viel mehr: Vor zwei Jahren, im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt, stand Björn Höcke in Merseburg auf einer Bühne und rief: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschlan­d.“Jetzt sitzt der AfD-Rechtsauße­npolitiker dafür vor dem Richter. „Alles für Deutschlan­d“stammt nämlich von der Sturmabtei­lung (SA), dem paramilitä­rischen Kampfarm der NSDAP.

Rechtsextr­eme Codes

Das will Höcke nicht gewusst haben, sagt er. Trotz abgeschlos­senen Geschichts­studiums. Im Gerichtssa­al in Halle wird deshalb mehr verhandelt als nur diese eine Aussage: Es geht um eine Strategie, die Höcke schon lange verfolgt. Er spricht in Codes, die nicht sofort zuordenbar sind, aber von seiner Klientel verstanden werden.

Experten haben ihm das alles schon lange nachgewies­en. Jetzt stellt sich die Frage, ob das auch vor dem Richter hält. Denn zwischen politische­r Provokatio­n und der Verwendung von „Kennzeiche­n verfassung­swidriger und terroristi­scher Organisati­onen“, wie es im Gesetz heißt, besteht ein großer Unterschie­d: Wird Höcke verurteilt, droht ihm eine Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren. Fasst er mehr als sechs Monate aus, wird ihm das Wahlrecht aberkannt. Damit könnte er bei der Wahl in Thüringen im Herbst, wo er derzeit mit 30 Prozent auf Platz eins liegt, nicht mehr antreten.

Höcke präsentier­t sich immer als unwissende­s Opfer, wenn ihm Nähe zum NSRegime vorgeworfe­n wird, das macht er auch jetzt. Kürzlich saget er, der Satz sei ein „Allerwelts­spruch“, den schon die Telekom als Werbesloga­n verwendet habe – das Unternehme­n verklagte ihn. In den eigenen Reihen verschaffe­n ihm diese Doppelbots­chaften aber Auftrieb, darum ist auch fraglich, ob eine Verurteilu­ng seine Politkarri­ere tatsächlic­h beenden würde. Höcke war lange nur Taktgeber im Hintergrun­d, weil er der AfD-Führung immer als zu extrem galt. Das könnte er trotz Strafe bleiben.

„Alles für …“

Vier Tage lang wird nun über die Frage verhandelt, was Höcke in Merseburg getan hat oder nicht. Begonnen hat der Prozess mit einem kleinen Sieg für ihn, ein Teil der Anklage wurde abgespalte­n. Gegenstand der Verhandlun­gen wäre ein Auftritt in Gera vor einigem Monaten gewesen. Dort rief er dem Publikum zu, dass er bald vor dem Richter stehe, wegen eines „rhetorisch­en Dreiklangs“(„Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschlan­d“), den er verwendet habe. Zum Schluss wiederholt­e er diesen dann auch, nur das letzte Wort, „Deutschlan­d“, ließ er aus: Das johlte ihm dann sein Publikum zu – zu seiner Freude.

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