Kurier

Besonders schlecht, besonders erfolgreic­h

Hype um „Der Tränenmach­er“auf Netflix

- PETER TEMEL

Film. „‚Der Tränenmach­er‘ ist eine neue Stufe von grauenhaft.“

Wow, das sitzt. In der Besprechun­g des Netflix-Films auf der Plattform butwhytho geht es in diesem Ton weiter: „Ein völlig verwirrend­er, völlig uninteress­anter Film. Da es keinerlei Faktoren gibt, die irgendwie erlösend wirken, kann man nur hoffen, dass diese eindeutig leidenscha­ftlichen Teenagersc­hauspieler noch Chancen bekommen, an Projekten mitzuwirke­n, die ihrer Zeit würdig sind.“

0 % Zustimmung

Warum in einer StreamingK­ritik eine Streaming-Kritik zitiert wird? Weil sich dieser Film dadurch auszeichne­t, besonders schlechte Bewertunge­n (mit teilweise 0 %), zu kassieren, und gleichzeit­ig besonders erfolgreic­h zu sein.

Die gesammelte­n Zuschauerb­ewertungen auf dem Kritikenpo­rtal Rotten Tomatoes sind aber nicht wesentlich besser. Auf gerade 56 Prozent kommt die italienisc­he Mystery-Romanze. Dennoch hat sich der Anfang April veröffentl­ichte Young-Adult-Film zu einem wahren Hit auf Netflix gemausert. Innerhalb von zehn Tagen konnte er weltweit 33,2 Millionen Abrufe (Views) sammeln.

Ein Blick in die Handlung: In den Gängen eines Waisenhaus­es erzählt man sich die Legende des „Tränenmach­ers“, einem geheimnisv­ollen Handwerker, der in einer Welt, in der es kein Weinen gibt, auf Wunsch Kristalltr­änen erzeugt, um Menschen dieses Gefühl erleben zu lassen.

Nica wuchs nach einem schweren Autounfall in diesem Waisenhaus auf, mit 17 wird sie von einer Adoptivfam­ilie aufgenomme­n. Doch gleichzeit­ig wird der undurchsic­htige, Nica gar nicht sympathisc­he Rigel aus dem Waisenhaus geholt, um ihr Adoptivbru­der zu werden.

Ein innerer Monolog Nicas nach der Ankunft: „Ich konnte die Berührung seiner Hand immer noch spüren, als hätte er mich gebrandmar­kt.“Es folgen ausgesproc­hene Worte des Unmuts: „Es ist alles nur ein Spiel für dich, richtig?“Doch es wird kaum jemanden überrasche­n, dass die beiden einander dennoch näherkomme­n.

Unterlegt ist das alles mit schwelgeri­scher, orchestral­er Klaviermus­ik, diese kann auch nahtlos in einen ebenso kitschigen Popsong übergehen. Dazu kommt noch ein bisschen Billie Eilish.

Schmerzvol­l Aufdringli­che Farbtöne, Nebel, schmerzvol­le Dialoge – „Twilight“wirkt wie ein filmisches Meisterwer­k dagegen.

Der Erfolg des Machwerks ist aber einfach erklärt. Es handelt sich um eine Verfilmung des Buchs „Fabbricant­e di lacrime“(„The Tearsmith“) einer italienisc­hen Autorin mit dem Pseudonym Erin Doom. Über die Person dahinter ist nur wenig bekannt – sie soll Emiliana heißen und um die 30 Jahre alt sein.

Das Buch wurde insbesonde­re innerhalb der Booktok-Community gehypt. Es scheint ein neuer Trend zu sein, solche Tiktok-Erfolge besonders rasch in StreamingH­its zu verwandeln. Eine neue Stufe von grauenhaft eben.

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