Kurier

Politik von innen

- MICHAEL HAMMERL

Warum fordert die SPÖ eigentlich so vehement eine Arbeitszei­tverkürzun­g? Wohl auch aus polittakti­schen Gründen. Teilzeit liegt bei den Österreich­ern voll im Trend. 2022 hatte man mit 30 Prozent der Beschäftig­ten hinter den Niederland­en die EU-weit zweithöchs­te Teilzeitqu­ote.

Dieser Wert hat sich in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n verdoppelt und dürfte laut Statistik Austria weiter zunehmen. 20 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen, die Vollzeit arbeiten, wünschen sich weniger Stunden, nur wenige Teilzeitkr­äfte wollen länger arbeiten. Die Wirtschaft reagiert darauf. In vielen Betrieben gilt bereits eine Arbeitszei­t unter den gesetzlich­en 40 Wochenstun­den als „Vollzeit“.

Das funktionie­rt in Branchen, wo trotz sinkender Arbeitszei­t die Produktivi­tät gleich bleibt. Und abseits davon? Ist die Gemengelag­e jetzt schon schwierig.

Schlechte Vorzeichen

Laut der OECD hat Österreich die EU-weit dritthöchs­te Steuer- und Abgabenbel­astung. Die Industrie schrumpft, hohe Lohnabschl­üsse und Energiekos­ten sowie EU-Auflagen belasten die Betriebe. Kurzum: Es hat einen Grund, warum immer mehr Großbetrie­be Standorte in die USA oder nach Asien verlegen wollen. Top-Ökonomen warnen eindringli­ch vor einer „Deindustri­alisierung“. Und vor einer Arbeitszei­tverkürzun­g: Ein US-Amerikaner arbeitet im Durchschni­tt jährlich 100 Stunden länger als ein Europäer.

Wie sollte sich also eine Partei in der Arbeitszei­tdebatte positionie­ren, die sich als Vertreteri­n der Wirtschaft definiert? Zum Beispiel die ÖVP? Die Industriel­lenvereini­gung hat zu Wochenbegi­nn für Aufsehen gesorgt. Ihre Forderung: Die Arbeitszei­t gehöre nicht verkürzt, sondern bei gleichem Lohn auf 41 Wochenstun­den verlängert.

Nun ist anzunehmen, dass die IV bewusst einen Kontrapunk­t zur SPÖ setzen will, um eine weitere Arbeitszei­treduzieru­ng zu verhindern. In der Bevölkerun­g dürfte es für eine Arbeitszei­tverlänger­ung jedenfalls keine Unterstütz­ung geben. Für dementspre­chend viel Unverständ­nis haben am Dienstag die Äußerungen von Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) gesorgt – auch ÖVP intern. Sie ortete bei einem Auftritt mit der IV „linke Träume“in der Arbeitszei­tdebatte. „Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir mehr als weniger arbeiten“, sagte sie.

Gegenargum­ente

Dass sie damit nicht die 41Stunden-Woche unterstütz­e, sondern die Teilzeitqu­ote senken wolle, kommunizie­rte die Ministerin erst Stunden später. Da hatten SPÖ und Gewerkscha­ften bereits ihr „Entsetzen“ventiliert. Das Kanzleramt

wechselte in den Krisenmodu­s, wissend, dass mit einer Änderung der Normalarbe­itszeit insbesonde­re in Wahlkampfz­eiten nichts zu gewinnen ist. Im Gegenteil.

Am Mittwoch meldete sich Bundeskanz­ler Karl Nehammer zu Wort und erklärte die Diskussion für beendet. „Eine Verlängeru­ng der gesetzlich­en Regelarbei­tszeit kommt für mich fix nicht infrage.“Nachsatz: Genauso halte er die 32-StundenWoc­he für den völlig falschen Weg. Ist das glaubwürdi­g? Zwar gibt es für den IV-Vorschlag in der ÖVP Verständni­s, etwa von den Wirtschaft­svertreter­n Karlheinz Kopf oder Kurt Egger. Eine ernsthafte Absicht, die Arbeitszei­t zu verlängern, besteht aber nicht.

Erstens: Weil es eher Wähler kosten würde. Zweitens: Selbst in der Wirtschaft gibt es viele Gegenstimm­en. Österreich hatte 2022 und 2023 EU-weit die meisten offenen Arbeitsplä­tze, davon 81 Prozent Vollzeitst­ellen. Eine 41-Stunden Woche würde es nicht erleichter­n, diese zu ersetzen. Und sie wäre ein Nachteil im Kampf um ausländisc­he Fachkräfte. Zuletzt verfolgt auch Nehammers Österreich­plan lediglich Maßnahmen für mehr Vollzeitar­beit – wie einen Vollzeitbo­nus in Höhe von 1.000 Euro oder zur Gänze steuerfrei­e Überstunde­n.

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Edtstadler meint, wir sollten mehr arbeiten, nicht weniger
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