Politik von innen
Warum fordert die SPÖ eigentlich so vehement eine Arbeitszeitverkürzung? Wohl auch aus polittaktischen Gründen. Teilzeit liegt bei den Österreichern voll im Trend. 2022 hatte man mit 30 Prozent der Beschäftigten hinter den Niederlanden die EU-weit zweithöchste Teilzeitquote.
Dieser Wert hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten verdoppelt und dürfte laut Statistik Austria weiter zunehmen. 20 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen, die Vollzeit arbeiten, wünschen sich weniger Stunden, nur wenige Teilzeitkräfte wollen länger arbeiten. Die Wirtschaft reagiert darauf. In vielen Betrieben gilt bereits eine Arbeitszeit unter den gesetzlichen 40 Wochenstunden als „Vollzeit“.
Das funktioniert in Branchen, wo trotz sinkender Arbeitszeit die Produktivität gleich bleibt. Und abseits davon? Ist die Gemengelage jetzt schon schwierig.
Schlechte Vorzeichen
Laut der OECD hat Österreich die EU-weit dritthöchste Steuer- und Abgabenbelastung. Die Industrie schrumpft, hohe Lohnabschlüsse und Energiekosten sowie EU-Auflagen belasten die Betriebe. Kurzum: Es hat einen Grund, warum immer mehr Großbetriebe Standorte in die USA oder nach Asien verlegen wollen. Top-Ökonomen warnen eindringlich vor einer „Deindustrialisierung“. Und vor einer Arbeitszeitverkürzung: Ein US-Amerikaner arbeitet im Durchschnitt jährlich 100 Stunden länger als ein Europäer.
Wie sollte sich also eine Partei in der Arbeitszeitdebatte positionieren, die sich als Vertreterin der Wirtschaft definiert? Zum Beispiel die ÖVP? Die Industriellenvereinigung hat zu Wochenbeginn für Aufsehen gesorgt. Ihre Forderung: Die Arbeitszeit gehöre nicht verkürzt, sondern bei gleichem Lohn auf 41 Wochenstunden verlängert.
Nun ist anzunehmen, dass die IV bewusst einen Kontrapunkt zur SPÖ setzen will, um eine weitere Arbeitszeitreduzierung zu verhindern. In der Bevölkerung dürfte es für eine Arbeitszeitverlängerung jedenfalls keine Unterstützung geben. Für dementsprechend viel Unverständnis haben am Dienstag die Äußerungen von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gesorgt – auch ÖVP intern. Sie ortete bei einem Auftritt mit der IV „linke Träume“in der Arbeitszeitdebatte. „Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir mehr als weniger arbeiten“, sagte sie.
Gegenargumente
Dass sie damit nicht die 41Stunden-Woche unterstütze, sondern die Teilzeitquote senken wolle, kommunizierte die Ministerin erst Stunden später. Da hatten SPÖ und Gewerkschaften bereits ihr „Entsetzen“ventiliert. Das Kanzleramt
wechselte in den Krisenmodus, wissend, dass mit einer Änderung der Normalarbeitszeit insbesondere in Wahlkampfzeiten nichts zu gewinnen ist. Im Gegenteil.
Am Mittwoch meldete sich Bundeskanzler Karl Nehammer zu Wort und erklärte die Diskussion für beendet. „Eine Verlängerung der gesetzlichen Regelarbeitszeit kommt für mich fix nicht infrage.“Nachsatz: Genauso halte er die 32-StundenWoche für den völlig falschen Weg. Ist das glaubwürdig? Zwar gibt es für den IV-Vorschlag in der ÖVP Verständnis, etwa von den Wirtschaftsvertretern Karlheinz Kopf oder Kurt Egger. Eine ernsthafte Absicht, die Arbeitszeit zu verlängern, besteht aber nicht.
Erstens: Weil es eher Wähler kosten würde. Zweitens: Selbst in der Wirtschaft gibt es viele Gegenstimmen. Österreich hatte 2022 und 2023 EU-weit die meisten offenen Arbeitsplätze, davon 81 Prozent Vollzeitstellen. Eine 41-Stunden Woche würde es nicht erleichtern, diese zu ersetzen. Und sie wäre ein Nachteil im Kampf um ausländische Fachkräfte. Zuletzt verfolgt auch Nehammers Österreichplan lediglich Maßnahmen für mehr Vollzeitarbeit – wie einen Vollzeitbonus in Höhe von 1.000 Euro oder zur Gänze steuerfreie Überstunden.