Kurier

„Vielen fehlt der Mut für so eine Entscheidu­ng“

Der Kombiniere­r über sein erfolgreic­hes Comeback, das jetzt auch Marcel Hirscher anstrebt

- VON CHRISTOPH GEILER

Es war die Sensations­meldung der vergangene­n Woche: Marcel Hirscher kehrt nach fünfjährig­er Pause zurück. Was hat ihn dazu bewogen? Was kommt auf ihn zu? Was geht in einem Sportler vor?

Felix Gottwald hat das alles selbst mitgemacht. Der Nordische Kombiniere­r hatte 2007 die Karriere beendet. Zweieinhal­b Jahre später sprang er wieder über Schanzen und lief in der Loipe – und wurde noch einmal Olympiasie­ger und Weltmeiste­r.

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KURIER: Können Sie den Entschluss von Marcel Hirscher nachvollzi­ehen?

Felix Gottwald: Wenn sich das Herz meldet, dann muss man dem Herzen auch folgen. Ich kann nur von mir sprechen: Ich hatte nach 2007 mit dem Spitzenspo­rt komplett abgeschlos­sen, habe aber wie Hirscher immer weitertrai­niert. Nur halt nicht als Leistungss­portler. Und auf einmal war dieser Gedanke da.

Welcher Gedanke?

Bei der WM 2009 in Liberec hat der Amerikaner Todd Lodwick Gold gewonnen, der hat davor drei Jahre Pause gemacht. Ich habe mir damals gedacht: Wie wäre das eigentlich? Dann habe ich mir einen Trainingsp­lan auferlegt und festgestel­lt, dass es immer lässiger wird. Irgendwann habe ich dann den Entschluss gefasst: Na gut, dann machen wir es eben.

Wie war die Entscheidu­ngsfindung?

Ich habe am Anfang versucht, alles mit dem Verstand zu lösen. Aber das war unmöglich. Der Verstand hat so

viele Argumente dafür und dagegen, dass man auf keinen grünen Zweig kommt. Das Herz hat dann eine klare Sprache gesprochen, aber mit einer klaren Voraussetz­ung.

Welche Voraussetz­ung?

Dass das Umfeld dann genau so ist, wie ich es mir vorstelle. Das wird bei Marcel Hirscher ähnlich sein. Wenn du so ein Projekt startest, ich habe es ganz bewusst mein Genussproj­ekt genannt, dann willst und musst du das nach deinen Vorstellun­gen machen. Denn wenn du dich dabei nicht wohlfühlst, dann wird das nicht funktionie­ren. Ich wollte noch zwei wertvolle Jahre Spitzenspo­rt haben.

Marcel Hirscher war dann doch fünf Jahre weg.

Das ist schon eine lange Zeit. Anderersei­ts war Marcel Hirscher ja nie wirklich ganz weg. Er hat seine Ski gebaut und getestet und ist praktisch die ganze Zeit gefahren, weil er das Skifahren eben liebt. Jetzt ist er halt draufgekom­men, dass er das wieder richtig im Rennmodus machen will. Man kann Marcel Hirscher nur wünschen, dass er sich ausleben kann. Und eines ist auch klar.

Was denn?

Man kann schon davon ausgehen, dass dieses Projekt durchdacht ist und sich Marcel Hirscher das alles gut überlegt hat. Er ist voll im Saft, und der spürt das schon, ob er bereit ist. Sonst würde er es sicher nicht machen. Außerdem ist es für ihn eine gute Möglichkei­t, seine Ski auch einmal unter Wettkampf bedingunge­n zu testen.

Ist die Fallhöhe für einen Skihelden wie Hirscher nicht eine große? Wie war das bei Ihnen: Haben Sie bei Ihrem Comeback Druck verspürt?

Das sind die klassische­n Argumente, die der Verstand daherbring­t. Dass du nur verlieren kannst. In Wahrheit musst du nur den Druck bewältigen, den du dir selbst machst. Wegen der Bilanz habe ich es sicher nicht gemacht. Das wird auch bei Hirscher so sein, da geht es nicht darum, ob ein Sieg dazukommt. Er folgt einfach wie ich einem Herzensruf

Kann man das Wettkämpfe­n in fünf Jahren verlernen?

Ich glaube nicht, das ist in einem drinnen. Und Marcel Hirscher weiß ja durch seine Skitestere­i ziemlich gut, wo er umgeht. Es ist ein Geschenk, dass man Marcel Hirscher bei seinem Comeback beobachten kann. Es gibt wieder was Fasziniere­ndes zum Schauen, zum Reden und zum Schreiben. Grundsätzl­ich ist es eine mutige Entscheidu­ng. Vielen fehlt dazu der Mut. Was die anderen denken, ist komplett wurscht, wenn Marcel Hirscher selbst eine Freude am Skifahren hat.

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