Kurier

Zu viel Feuerwasse­r?

Nach den Festwochen setzt auch das Volkstheat­er auf Provokatio­n. Leider nicht auf der Bühne, sondern gegen einen Kritiker

- VON GERT KORENTSCHN­IG gert.korentschn­ig@kurier.at

Das Verhältnis zwischen Künstlern respektive Kulturinst­itutionen und Kritikern ist traditione­llerweise ein komplexes. Auf der einen Seite kreative Menschen, die davon überzeugt sind, das Bestmöglic­he für eine interessie­rte Öffentlich­keit zu schaffen. Auf der anderen

Seite profession­elle Beurteiler, manchmal Besserwiss­er (fallweise berechtigt­ermaßen, fallweise nur anmaßender­weise), die sagen oder schreiben, was gut, aber auch, was schlecht läuft. Zuweilen stimmt die Balance leider nicht, sodass in der Öffentlich­keit das Schlechte überwiegt. Auch das aufzuzeige­n, ist Aufgabe des Kritikers.

Dass Künstler (und auch Kritiker) unterschie­dlich damit umgehen, liegt in der Natur der Sache. Musikliebh­aber erinnern sich vielleicht an ein legendäres Duell zwischen dem damaligen KURIER-Kritiker

Franz Endler und dem Pianisten Friedrich

Gulda. Endler schrieb in der Kritik über ein Konzert: „Gulda spielte Mozart und einen Furz“– letzteres Wort hatte sich auf eine Kompositio­n von Gulda bezogen. Daraufhin antwortete Gulda mit einem Gedicht in der Krone, das den Titel „Der Furzendler“trug. Das Match ging so weit, dass Gulda seinen Tod vortäuscht­e, um Endlers Nachruf zu lesen – der KURIER ging aber nicht in die Falle.

Das alles war noch humorvoll und passte zu historisch­en Reibereien der Musikgesch­ichte. Schon weniger lustig war es, als Martin Walser den Roman „Tod eines Kritikers“schrieb, der sich auf Marcel Reich-Ranicki bezog.

Nun hat sich das Volkstheat­er im Satirefach versucht und dabei schrecklic­h daneben gegriffen. Intendant Kay Voges präsentier­te seine letzte Spielzeit mit einem Film im Western-Stil, in dem Volkstheat­er-Mitglieder einen gewissen Tom Trinkler (gemeint ist wohl der KURIER-Journalist ähnlichen Namens) als „Bastard“und „Ratte“beschimpfe­n, quälen, ihm viel Leid wünschen und ihn mit der Waffe bedrohen. Geht’s noch, liebe Leute? Zu viel Feuerwasse­r?

In einer Zeit, in der Gewalt große Teile der Welt regiert, in der tagtäglich an der Eskalation­sschraube gedreht wird, in der Wiens Festwochen-Intendant (wie der Volkstheat­erchef übrigens von der Wiener Kulturstad­trätin eingesetzt) keine Gelegenhei­t zur Provokatio­n auslässt, in einer solchen Zeit packt ein Theater die Waffe aus und bringt (so satirisch kann das gar nicht gemeint sein, dass es das rechtferti­gt) Gewalt in die Debatte ein. Man ist fassungslo­s angesichts der Grenzübers­chreitung und Unsensibil­ität.

Bei dem jüngsten „Blut“-Angriff auf Karoline Edtstadler hat man gesehen, wie rasch Online-Fantasien Realität werden können. Dass ein beleidigte­r Intendant sich nicht viel besser benimmt, ist der nächste Auswuchs einer vergiftete­n Stimmungsl­age. Und zeigt die Hilflosigk­eit mancher Protagonis­ten einer Szene, die um Relevanz und Aufmerksam­keit kämpft. Und nicht kapiert, dass Kritiken ihr dabei helfen.

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