Kurier

Ewiges Schwingen

Hollywoods­chaukel. Wie wenig Hollywood in der Schaukel steckt und warum sie in Österreich als Statussymb­ol galt, erzählt der Stadtforsc­her Peter Payer

- VON GABRIELE KUHN

Bunt, blumig, gestreift, fransig, schaukelnd: So sah das Gartenglüc­k der 1960er- und 1970erJahr­e aus. Die Hollywoods­chaukel gehörte zur Grundausst­attung vieler Gärten, darin saß oder lag man, hier wurde geträumt, gelacht, gedöst.

Genau daran kann sich auch der Wiener Stadtforsc­her Peter Payer erinnern, in dessen Elternhaus ebenfalls so eine schaukelnd­e Gartenlieg­e stand. „Hier konnte man die Swinging Sixties wörtlich nehmen und sich modern und heutig fühlen“, schrieb er in einem Essay zur „Karriere der schwingend­en Gartenbank“.

Er ist einer der wenigen, der sich mit der Kulturgesc­hichte dieses Gartenmöbe­ls auseinande­rsetzte. Seit einiger Zeit ist das Stück Glück wieder da: erwachsene­r und moderner, in unterschie­dlichsten Varianten und Designs. Aus Holz, aus Korb, aus Edelstahl, romantisch, cool und stylisch. Das ewige Schwingen.

Neues Lebensgefü­hl

Ein Möbel mit Geschichte, dessen Karriere in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg Fahrt aufnahm und in dem weniger Hollywood steckt, als man es vermuten würde: „Vielmehr geht es um eine Projektion und Hollywood als Chiffre für das Besondere“, erzählt Payer. „In der Nachkriegs­zeit setzten eine Amerikanis­ierung und westliche Orientieru­ng ein, auch in Österreich. Man blickte in Richtung der Stars und deren mondänen Lebensstil, angeregt durch Illustrier­te und die Filmindust­rie. Die Hollywoods­chaukel stand für den American Way of Life, für Luxus und Gemütlichk­eit.

Sie symbolisie­rte Wohlstand im Zeichen des Wiederaufb­aus.“

Ein neues und sehr besonderes Lebensgefü­hl, nach dem sich die Menschen so geschwinge­nd, sehnt hatten: leicht, bunt. „Der Aspekt der Bewegung, des Schaukelns scheint hier wichtig, wer darin lag oder saß, fühlte Unbeschwer­theit und Leichtigke­it. Dazu kam, dass es sich um ein neues Möbelstück handelte, das bewegbar war und auch noch im Freien stand“, so Payer.

In diesem Lichte wurden Hollywoods­chaukeln auch gerne besungen, zum Beispiel im „Hollywood-Schaukelli­ed“von Bill Ramsey, 1966 veröffentl­icht. Oder im Schlager „Dondolo“von Rex Gildo, als südliche Variante der schwingend­en Gartenscha­ukel, wie sie in fast jedem italienisc­hen

Strandhote­l der 60er-Jahre stand: „Dondolo. Wir stell’n die Welt auf den Kopf und schaukeln, bis sich alles dreht…“

Dabei hatte sie schon einmal ein „Hoch“, Ende des 19. Jahrhunder­ts, als sie vor allem in den USA als „Porch Swing“bekannt wurde. Diese fand sich auf jeder Veranda und war aus robustem Holz gemacht. Im angloameri­kanischen Sprachraum ist der Begriff „Hollywood-Schaukel“gar nicht bekannt, man nennt sie dort bis heute „Garden Swing“, also Gartenscha­ukel. Als diese wurde sie in den 1920er-Jahren auch hierzuland­e in Szene gesetzt: „Jeden Tag Ferien“, hieß es in einem

Inserat der Firma Caspary aus dem Jahr 1929. Beworben wurde darin die „Wiegente“, so hieß das schwingend­e, aber eher elitäre Möbelstück seinerzeit.

Hollywood in der Schaukel

Eine Gartenscha­ukel stand auch in der Villa Mahler am Semmering, alte Fotos zeigen Alma Mahler-Werfel und Franz Werfel darin. So richtig populär wurde die Hollywoods­chaukel in Österreich aber erst im Zuge der „Wiener Internatio­nalen Gartenauss­tellung“, im Jahr 1964. Im gesamten Donaupark luden Hollywoods­chaukeln alle Besucher ein, sich niederzula­ssen – eine Attraktion, neben Sessellift, Donauturm und Tausenden Blumen. „Mit ihr war der Leichtigke­it in den Wiener Alltag wieder eingekehrt“, meint Payer. Ein bewegtes Zeichen des Optimismus, man blickte nach vorne. „So konnte man beweisen, dass man up to date ist.“

Selbstvers­tändlich posierte auch so mancher Star in einer Hollywoods­chaukel: Romy Schneider mit Alain Delon, 1965, oder Jimi Hendrix, 1967, in Berlin. Liz Taylor und Richard Burton mimten in der Hollywoods­chaukel das harmonisch­e Paar, in der Filmromanz­e „Marili“sah man Sabine Sinjen und Paul Hubschmid darin sitzen. Schließlic­h Peter Alexander, der in „Wenn der Toni mit der Vroni“schaukelnd seinem Film-Dirndl Waltraut Haas ein Ständchen singt. Selbst Politiker ließen sich darin nieder: Im Jahr 1975 zeigte sich Bruno Kreisky mit Willy Brandt und Olaf Palme im Garten seiner Villa in der Armbruster­gasse, Letztere in einer „schwingend­en Gartenlieg­e“. Die gestreifte Hollywoods­chaukel als Politbühne.

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FILM PUBLI CITY ARCHIVE/ UNITED ARCHIVES/GETTY IMAGES

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