Neue Studie zeigt: Rache ist doch süß
Stehen Moral oder Genugtuung im Vordergrund? Wissenschafter untersuchten, was hinter den Rachegefühlen steckt. Angst vor einer späteren, möglichen Verurteilung hat keinen Einfluss
Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn: Das System der Rache kommt bereits im Alten Testament der Bibel vor – allerdings ist das nur ein Beispiel, wie tief Rache im menschlichen Wesen verankert ist. In den meisten Kulturen, sogar im Tierreich, ist diese Form der Vergeltung weit verbreitet. Und vermutlich kann praktisch jeder und jede von dem einen oder anderen kleinen Racheakt berichten, ob als Opfer oder „Täter“. An sich geht es bei Rache ja darum: Für eine tatsächliche oder vermeintliche Ungerechtigkeit soll Vergeltung am Missetäter geübt werden. Oft will man damit Grenzen aufzeigen oder Botschaften vermitteln.
Was das moderne menschliche Zusammenleben betrifft, gilt Rache als verpönt oder sogar moralisch verwerflich. Darüber sind sich die meisten Menschen einig. Dennoch haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass Rache von Natur aus gut geheißen wird. Geschichten in Büchern oder Filmen, in denen sich ein Opfer rächt, sind höchst beliebt beim Publikum.
Deutsche und polnische Forscher wollten nun wissen, was dahinter steckt und was genau am Racheakt als moralisch falsch angesehen wird: Der Racheakt an sich oder eher das Vergnügen, das der Rächer empfinden könnte. Die Studie wurde im Fachmagazin Social Psychological Bulletin veröffentlicht und von nicht an der Studie beteiligten Experten begutachtet.
In eine Rolle schlüpfen
Das Team der Universitäten Würzburg und München entwickelte einen Fragenkatalog und Rache-Szenarien, den 2.039 sorgfältig ausgewählte, polnische Studenten und amerikanische Erwachsene beantworten mussten. Interessanterweise zeigten sich je nach eingenommener Rolle bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Szenarien. Schlüpften die Probanden in die Rolle der Rächer, empfanden sie sich selbst als weniger moralisch, als wenn andere dasselbe taten und sie nur beobachteten.
Die Wissenschafter schlussfolgern aus ihrer Untersuchung, dass es keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Racheaktion hat, ob man sich dabei gut oder schlecht fühlt. Ebenso keine Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit eines Racheakts hatte die Angst vor einer späteren Verurteilung.
Die Forschenden weisen in ihrer Studie allerdings auch auf einige Einschränkungen der Ergebnisse hin. Erwähnt wird etwa der kulturspezifische Einfluss. In Gemeinschaften oder Nationen, wo Ehre besonders hoch geschätzt werde, würden Rächer nicht so streng beurteilt.
Außerdem lagen der Untersuchung hypothetische Situationen zugrunde. Die Teilnehmer mussten sich also lediglich vorstellen, Rache zu nehmen, und ihre – möglichen – Gefühle darüber beschreiben.