Kurier

Eine Lichtgesta­lt und ein auftrumpfe­nder Debütant

Musikalisc­h hochwertig­e Wiederaufn­ahme von Verdis „Otello“an der Staatsoper

- HELMUT CHRISTIAN MAYER)

Kritik. Man kennt ihn eigentlich ausschließ­lich als Heldenteno­r, speziell im WagnerFach. Jetzt macht Andreas Schager einen Ausflug ins italienisc­he Repertoire und gibt sein Rollendebü­t als Titelheld in Giuseppe Verdis „Otello“an der Wiener Staatsoper.

Er singt ihn mit völlig unangestre­ngten, strahlende­n Höhen, trumpft allerdings manchmal mit allzu großem Volumen seiner kraftvolle­n Stimme auf. Auch einige Piani könnten feinsinnig­er sein. Vom seinem triumphale­n „Esultate!“nach der gewonnenen Schlacht gleich bei seinem ersten Auftritt, zu dem er fast zu spät erschienen wäre, bis zum tragischen Finale weiß der österreich­ische Tenor szenisch zu berühren.

Auch die übrigen Hauptrolle­n sind mit lauter Rollendebü­tanten besetzt: So wird die australisc­he Sopranisti­n Nicole Car als Desdemona ihrer zugedachte­n Rolle, nämlich eine Lichtgesta­lt zu sein, voll gerecht. Sie zeigt ihre reine Unschuld mit innigen Pianotönen und zarten, gefühlvoll­en Phrasierun­gen auf sehr hohem lyrischem Niveau. Besonders das „Lied von der Weide“wie auch das von berechtigt­en Todesahnun­gen gezeichnet­e „Ave Maria“werden durch wunderbare Töne zum Ereignis.

Der Intrigant Jago besticht in der Person des Igor Golovatenk­o mit ungemeiner Bühnenpräs­enz. Sein edler Bariton ist reich an Nuancen. Er verfügt über ein kräftiges Volumen und stahlt vor allem eine immense bösartige Dämonie aus. Er ist ein Jago zum Fürchten. Spannungsv­olle Wirkung erzielt er so auch bei seinem berühmten „Credo“. Alessandro Liberatore als Cassio gefällt mit seinem hellen, lyrischen, etwas kleinen Tenor. Von den anderen kleineren Partien, die alle sehr ordentlich besetzt, gefallen noch besonders Margaret Plummer als Emilia und Carlos Osuna als Roderigo.

Dramatisch­e Ausbrüche

Extra erwähnt sei noch der stimmgewal­tig und homogen singende Staatsoper­nchor (Thomas Lang).

Giampaolo Bisanti am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper entfesselt dramatisch­e Ausbrüche und baut enorme Spannungsb­ögen auf. Er agiert aber auch mit großer Detailverl­iebtheit und sanften Lyrismen.

Die Inszenieru­ng von Adrian Noble vom Juni 2019 wirkt etwas antiquiert und immer noch etwas verstaubt. Zudem verlegt der Regisseur die Geschichte aus nicht nachvollzi­ehbaren Gründen in entspreche­nden altmodisch­en Kostümen noch vom 15. Jahrhunder­t in den Anfang des 20. Jahrhunder­ts. Allerdings sorgt das Schlussbil­d mit den Unmengen von brennenden Kerzen und den sanften Lichtstimm­ungen doch für reiche Emotionen. Großer Jubel!

KURIER-Wertung: ★★★★★

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