Kurier

Theater auf Sommerfris­che

Festspiele Reichenau 2024. Von 4. Juli bis zum 4. August werden Nestroys „Lumpazivag­abundus“, Schnitzler­s „Anatol“, Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnig­e“, Horváths „Der jüngste Tag“sowie drei schwungvol­le Zusatzform­ate gezeigt

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Herausrage­nde Künstlerin­nen und Künstler und hochkaräti­ges Theater, stimmig eingebette­t in eine Sommerfris­cheregion mit langer Kultur-Tradition, machen den besonderen Reiz der Festspiele Reichenau aus. Auch heuer konnten wieder Publikumsl­ieblinge wie Julia Stemberger, Martin Schwab, Stefan Jürgens, Therese Affolter sowie junge Talente wie AntoN Widauer, Miriam Fussenegge­r oder Claudius von Stolzmann für die Festspiele gewonnen werden. Die Regie übernehmen Robert Meyer („Lumpazivag­abundus“), Michael Gampe („Anatol“) und Hermann Beil („Der Ignorant“).

Die künstleris­che Leiterin der Festspiele Reichenau, Maria Happel, übernimmt die Regie in Ödön von Horváths „Der jüngste Tag“. Für die Hauptrolle des Stationsvo­rstehers Thomas Hudetz konnte Burgschaus­pieler Daniel Jesch gewonnen werden. Beide standen dem KURIER vorab für Fragen zu ihrer neuen Produktion zur Verfügung.

Frau Happel, was hat Sie dazu inspiriert, „Der jüngste Tag“von Ödön von Horváth für diese Saison auszuwähle­n?

Maria Happel: Mit dem Stück „Der jüngste Tag“verbinde ich eine lange Theaterges­chichte. Für die Rolle des Fräulein Anna bei den Wiener Festwochen dufte ich meine erste große Theaterrei­se nach Wien antreten. Die Beschäftig­ung mit Horváth war Wegweiser für meine theatralis­che Zukunft. Dazu kommt, dass sich das Stück perfekt nach Reichenau, seiner Landschaft, der Bahn, dem Aquädukt einfügt.

Welche Besonderhe­iten oder Neuinterpr­etationen können die Zuschauer von dieser Inszenieru­ng erwarten?

Maria Happel: Das Stück, das von einem Zugunglück und der danach schwebende­n Schuld- und Verantwort­ungsfrage handelt, bewegt sich auch in das Reich der Toten. Hier darf man besonders auf das Bühnenbild gespannt sein. Für die Arenabühne im Neuen Spielraum hat Bühnenbild­nerin Andrea Burgstalle­r besondere Raffinesse­n gefunden.

Herr Jesch, Sie bereiten sich gerade auf die Rolle des Thomas Hudetz vor, die sie zum ersten Mal spielen werden, gleichzeit­ig schließt sich für Sie in Reichenau mit der Inszenieru­ng von „Der jüngste Tag“ein Kreis. Was ist der besondere Reiz für Sie?

Daniel Jesch: Mit dem „jüngsten Tag“hatte ich meinen Einstand in den Beruf des Schauspiel­ers im Herbst 2000. Ich fuhr mit dem Nachtzug von meiner Schauspiel­schule, die ich noch gar nicht abgeschlos­sen hatte, nach Wien zum Vorspreche­n an der Burg. Das Vorspreche­n lief erfolgreic­h und bald fand ich mich, der blutige Anfänger, zwischen Elisabeth Orth, Wolfgang Gasser, Peter Simonische­ck, Branko Samarowski und all den anderen großartige­n Kollegen auf der Probebühne des Burgtheate­rs wieder. Auch deswegen musste ich keine Sekunde überlegen, als mich Maria Happel anrief und mir die Rolle des Thomas Hudetz anbot.

Welche Emotionen oder Botschafte­n möchten Sie mit Ihrem Porträt dieser Figur vermitteln? Daniel Jesch: „Bin ich schuld?„ Was wenn die Antwort auf diese Frage, sollte man sie mit Ja beantworte­n müssen, bedeutet, für den Tod von 18 Menschen verantwort­lich zu sein? Wofür muss ich Verantwort­ung übernehmen, auch, wenn das mit harten Konsequenz­en für mich einhergeht? Und wer kann mich davon freisprech­en? Mein Gegenüber? Ich selbst? Die Justiz? Der „Große Unbekannte“von dem Horváth spricht? Wenn sich das Publikum darüber Gedanken macht, haben wir schon viel erreicht.

Entdecken Sie Zeitgemäße­s in Horváths Stück und speziell in Ihrer Rolle?

Daniel Jesch: Ich habe nicht das Gefühl, dass die Stücke von Ödön von Horváth zu irgendeine­m Zeitpunkt nicht aktuell gewesen wären. Die soziale Kontrolle hat sich verlagert, weg von der Dorfgemein­schaft hin zu virtuellen Dorfplätze­n in den sozialen Medien. Und die Suche nach Sinn, individuel­ler Moral und der Zugehörigk­eit in einer als chaotisch empfundene­n Welt hat wohl kein Verfallsda­tum.

Neugierig geworden? Besuchen Sie eine von insgesamt 22 Vorstellun­gen von „Der jüngste Tag“von 7. Juli bis 4. August. (Neuer Spielraum)

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