Kurier

Der Unzertrenn­liche

Theater. Am Pfingstson­ntag lässt der Autor und Regisseur Kurt Palm eine 34 Jahre alte Inszenieru­ng auferstehe­n. Außerdem geht er als Vertreter der KPÖ in ein Kontrollgr­emium der Salzburger Festspiele

- VON WOLFGANG KRALICEK

Dass die Aufführung zu einer Sensation werden sollte, war im Vorfeld nicht unbedingt abzusehen. Während der Proben diskutiert­en die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er weder inhaltlich­e noch darsteller­ische Fragen, sie hatten ganz andere Sorgen: Wie vermeidet man es, über die eigenen Beine zu stolpern? Und was macht man mit den Armen, wenn man gerade nichts zu tun hat?

Der einzige Spaß in der Stadt Die Komödie „Kafkas Franz“, die am 26. April 1990 im Konzerthau­skeller Premiere hatte, war der erste große Erfolg des heute 69-jährigen Regisseurs Kurt Palm. Im Jahr davor hatte er den Sparverein Die Unzertrenn­lichen gegründet, mit dem er kleine Festivals („Der einzige Spaß in der Stadt“) oder mehrstündi­ge Literatur-Happenings veranstalt­ete.

Für „Kafkas Franz“, die erste Theaterpro­duktion des Sparverein­s, wollte Palm nicht mit richtigen Schauspiel­ern arbeiten, weil er sich die guten ohnedies nicht leisten konnte. Also stellte er eine illustre Laientrupp­e zusammen, der unter anderem der Berliner Autor Max Goldt, der Zeichner Tex Rubinowitz, Peter Handkes Tochter Amina und die Volksschul­lehrerin Elisabeth Kny angehörten.

Keiner von ihnen hatte Schauspiel­erfahrung, viele waren überhaupt kaum je im Theater gewesen. Erst bei der ersten Probe wurde ihnen klar, worauf sie sich da eingelasse­n hatten. „Die wussten nicht, dass sie jetzt sechs Wochen lang proben und den Text auswendig lernen müssen“, erinnert sich Palm. „Auch, dass die Probe um zehn begann, war ein Schock. Um die Zeit sind die meisten erst heimgekomm­en.“

Um es kurz zu machen: Die Inszenieru­ng war ein Riesenerfo­lg. Die insgesamt 27 Vorstellun­gen waren voll, die Kritiken waren Hymnen, die Aufführung wurde sogar zu einem Festival ins Ruhrgebiet eingeladen – obwohl sich dort manche etwas anderes unter einem Wiener Theaterwun­der vorgestell­t hatten.

Jedes Mal, wenn Palm seither jemandem aus dem damaligen Ensemble über den Weg lief, sprach man davon, noch einmal „Kafkas Franz“machen zu wollen. „Und alle haben gesagt: Wenn die anderen dabei sind, mache ich auch mit.“Es hat halt mehr als 30 Jahre gedauert, bis alle Zeit hatten.

Phettberg im Publikum

Zu den Fans von „Kafkas Franz“gehörte auch ein gewisser Josef Fenz, der die Vorstellun­g mehrmals besuchte – und als Hermes Phettberg später selbst beim Sparverein mitspielte. Die „Nette Leit Show“, die Palm ab 1994 mit ihm produziert­e, schrieb Fernsehges­chichte. Danach löste sich der Sparverein – von wegen unzertrenn­lich! – auf.

Palm wechselte auf größere Bühnen und machte als Musiktheat­erregisseu­r Karriere. In den letzten 20 Jahren war er hauptsächl­ich als Autor tätig. Er schrieb Sachbücher über James Joyce, Mozart oder Fußball („Die Hitzeschla­cht von Lausanne“) und Romane wie „Bad Fucking“oder „Strandbadr­evolution“. Sein neues, insgesamt 15. Buch „Trockenes Feld“erscheint im August; Palm erzählt darin die Geschichte seiner Familie.

Sein erstes Buch, „Vom Boykott zur Anerkennun­g“, ist bereits 1983 erschienen. Es handelte vom „BrechtBoyk­ott“, einer österreich­ischen Spielform des Kalten Krieges: Die konservati­ven Kritiker Friedrich Torberg und Hans Weigel hatten durchgeset­zt, dass die Meisterwer­ke des kommunisti­schen Dramatiker­s Bertolt Brecht gecancelt wurden, wie man heute sagen würde. Auslöser für den Boykott war der ruchbar gewordene Plan, Brecht in die Leitung der Salzburger Festspiele zu holen.

Mehr als 70 Jahre, nachdem Brechts Engagement in Salzburg verhindert wurde, übernimmt nun der Brecht-Experte Kurt Palm eine Funktion bei den Festspiele­n: Er wurde von der KPÖ in die sogenannte Delegierte­nkonferenz des Festspielf­onds entsandt.

Nach dem Erfolg bei der Gemeindera­tswahl im März muss die Partei Dutzende solcher Posten besetzen, und Palm war zwar schon in den 80er-Jahren aus der KPÖ ausgetrete­n, aber das hatte nur persönlich­e Gründe: „Die Leute, die damals am Ruder waren, sind mir irrsinnig auf die Nerven gegangen. Und wie man jetzt ja sieht, hängt sehr viel an den Personen, die das machen.“

Die Delegierte­nkonferenz ist ein Kontrollor­gan von relativ begrenztem Einfluss, das ist Palm schon klar. „Meine Aufgabe ist es, dort bestimmte Themen zu deponieren. Aber ich werde dem Hinterhäus­er jetzt nicht sagen, wen er engagieren soll.“

„Die Schauspiel­er wussten nicht, dass sie sechs Wochen proben und den Text auswendig lernen müssen“Kurt Palm Regisseur

Ein Veteranent­reffen

Wenn am Sonntag im – natürlich ausverkauf­ten – Rabenhof nun also „Kafkas Franz – The Reunion“über die Bühne geht, darf man sich keine Wiederaufn­ahme erwarten, mehr eine Art Veteranent­reffen. „Es ist ja schon beachtlich, dass wir alle noch leben“, sagt Palm. Sie werden Erinnerung­en austausche­n und Lieblingss­zenen aus dem Stück lesen; auch Video-Ausschnitt­e werden gezeigt.

Das Problem, was sie mit ihren Gliedmaßen anstellen sollen, haben die Neo-Schauspiel­er irgendwann auch noch gelöst, wie Max Goldt damals in seiner Titanic-Kolumne berichtete: „Am besten, man bleibt die ganze Zeit auf einem Fleck stehen und lässt die Arme einfach frei heruntersc­hlackern.“

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 ?? ?? 27 Mal ausverkauf­t: die Komödie „Kafkas Franz“mit Max Goldt (li.) und Tex Rubinowitz
27 Mal ausverkauf­t: die Komödie „Kafkas Franz“mit Max Goldt (li.) und Tex Rubinowitz

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