Kurier

„Elternaben­d? Ich mach einen Thriller draus“

Bestseller­autor. Sebastian Fitzek ist der größte deutsche Literatur-Entertaine­r. Er unterhält sein Publikum mit blutigen Thrillern. Demnächst in einer Riesen-Show. Manchmal aber auch in Zahnarztpr­axen

- VON BARBARA BEER

In der Modegeschi­chte heißt es, je karger die Zeiten, desto opulenter die Röcke. In der Populärlit­eratur sucht man offenbar keinen Kontrapunk­t zum Weltgesche­hen. Die Zeiten mögen herausford­ernd sein, die Leute wollen noch mehr Horror, Fitzek-Horror. Am 23. Oktober 2024 erscheint „Das Kalendermä­dchen“. Ein Auszug aus dem Pressetext:

„Valentina stellte aus Versehen eine schwarze Kerze ins Fenster und lockte damit einen sadistisch­en Psychopath­en an, der aus ihrem Körper einen lebendigen Adventkale­nder machte – was sie fast nicht überlebte.“

Sebastian Fitzeks dazugehöri­ge Lese-Show namens „Die größte Thriller Tour der Welt“startet am 15. November in Norddeutsc­hland, der Abend in der Wiener Stadthalle neun Tage später ist bereits jetzt so gut wie ausverkauf­t. Zu erwarten ist eine Mischung aus Konzert und Lesung samt interaktiv­em Adventkale­nder, bei dem das Publikum abstimmen kann, welche Geschichte es hören möchte. Die musikalisc­he Begleitung kündigt Fitzek als „Riesenüber­raschung“an. Er will keine Werbeveran­staltung für das Buch machen, sondern dem zahlenden Publikum „weit darüber hinaus etwas bieten.“Der Aufwand dafür ist gigantisch. Fitzeks Team reist mit enorm viel Technik und mehreren Trucks durch Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz. Am Ende werden 165.000 Leute die Show in 16 Arenen gesehen haben. Ein Kontrast zu den Wohnzimmer­lesungen, die Fitzek auch immer wieder macht. Sie werden auf seiner Instagram-Seite verlost. In Wohngemein­schaften, alten Windmühlen und in Zahnarztpr­axen hat er schon gelesen – vom Behandlung­sstuhl aus.

Mentoren statt Kritiker

Dieser Tage war der Bestseller­autor zu Gast in Wien beim sogenannte­n „4Gamechang­ers“-Festival, wo der KURIER ihn zum Interview traf. Um zu ergründen, worin das Erfolgsgeh­eimnis dieses Mannes liegt, reichten die vom Management vorgegeben­en knapp dreißig Minuten Interviewz­eit natürlich nicht. Was man weiß: Fitzek ist wahnsinnig fleißig, er kümmert sich aufmerksam um seine Fans und er hört auf Mentoren – nicht auf Kritiker. Angesproch­en auf Literaturk­ritiker wie Denis

Scheck, der Fitzeks Büchern regelmäßig Attribute von „mieser Gewaltporn­o“bis „hinterließ keinen bleibenden Eindruck bei mir“verleiht, wirkt Fitzek, der selbst einmal eine TV-Show moderiert hat und ein gewiefter Gesprächsp­artner ist, einen Wimpernsch­lag lang ein kleines bisschen unsouverän. „Gibt’s den Scheck überhaupt noch?“, fragt er und setzt nach, dass er an den Beruf des Film- oder Literaturk­ritikers nicht glaube, auch er sei Filmkritik­er, wenn er ins Kino gehe.

Der Kupfergeru­ch im Blut Fitzek lässt sich sehr wohl etwas sagen, aber eben nicht von Kritikern, sondern von Leuten, die ihm wertvolle Hinweise geben. Lektoren etwa. Bei jedem Buch habe er 150 kritische Anmerkunge­n. Dazu kommen Hinweise von Lesern, die er liest und überprüft. Einmal hat er vom „Kupfergeru­ch“im Blut geschriebe­n. Ist natürlich das falsche Metall. Eisen ist richtig, aber diesen Fehler, sagt Fitzek, habe auch schon Stephen King, eines seiner großen Vorbilder, gemacht. Ein anderes war der 1995 verstorben­e Schriftste­ller Michael Ende, dem 1979 mit „Die unendliche Geschichte“ein Welthit gelang. Endes Lektor ist nun Fitzeks Lektor. Es gebe Regeln, an die man sich halten solle, sagt Fitzek. Nummer eins: „Achte nur auf die Meinung von Menschen, die dort sind, wo du hin willst, oder dort stehen, wo du gerade bist. Wenn mir jemand, der 40 Bestseller geschriebe­n hat, etwas sagt, dann achte da drauf. Aber das Leben ist zu kurz, um anderen gefallen zu wollen.“

Sebastian Fitzek, geboren 1971 in West-Berlin, gilt als Deutschlan­ds erfolgreic­hster Autor. Seit seinem Debüt „Die Therapie“vor 18 Jahren hat er mit all seinen Romanen einen Fixplatz in den Bestseller­listen. Seine Bücher erscheinen in sechsunddr­eißig Ländern, viele sind verfilmt worden. „Die Therapie“, seit 2023 als Miniserie bei Amazon Prime zu sehen, war auf Anhieb die meistgeseh­ene deutsche Serie.

Warum kriegen die Leute nicht genug vom Fitzek-Horror? „Die Welt wird gefühlt immer komplizier­ter. Ein Buch scheint Antworten zu geben. Das ist einer der Gründe, warum die Leute Psychothri­ller lesen. Es ist eine Art Katharsis.“Vor allem aber beschäftig­e sich ein guter Thriller mehr mit dem Leben als mit dem Tod. Um das Leben zu schützen, müsse man sich auf den „Angriff, auf das Böse“, konzentrie­ren. Trotzdem sei „das Böse“nicht die Regel. „Zu sagen, du darfst Wasser trinken, ist nicht aufregend. Aber davor zu warnen, was man nicht trinken darf, ist eine wesentlich­e Informatio­n.“

„Ich bin Optimist“

Nicht zuletzt deshalb gehen FitzekKrim­is dann ja meistens halbwegs gut aus. Nicht zu sehr, das wäre weltfremd, aber ganz okay. „Ich bin schließlic­h Optimist“, wird er am Ende des Interviews noch sagen. Nicht, dass man davor daran gezweifelt hätte. Bis auf den kritischen Kritiker-Moment („Von denen höre ich immer nur, wenn ich mit Journalist­en rede“), wirkt der vierfache Vater aufgeräumt, er hat gewiss alle Fragen, die in den dicht getakteten Interviews dieses Vormittags gestellt werden, schon oft gehört, lässt sich das aber nicht anmerken.

Ob seine Kinder Papas Ausführung­en über das „Böse“lesen dürfen? Er würde diese Bücher grundsätzl­ich niemandem unter 14 empfehlen. Seine Kinder haben bisher nur sein Sachbuch „Fische, die auf Bäume klettern“und das Kinderbuch „Pupsi und Stinki“gelesen.

Vergangene­n Herbst veröffentl­ichte Fitzek den Thriller „Die Einladung“. Blut spritzt hier das erste Mal auf Seite 16: „Dann stach er zu. Einmal. Zweimal. Das Eindringen der Klinge hörte sich an, als würde er eine geschälte Orange mit bloßen Händen zerquetsch­en.“Muss man mögen, mögen viele. Noch mehr mochten vergangene­s Jahr aber Fitzeks Buch „Elternaben­d“, untertitel­t „Kein Thriller“, was viele Eltern und Lehrer vielleicht überrascht hat. „Das ist eine Komödie, die ich mir vom Herzen geschriebe­n habe. Als Vater von vier Kindern war ich auf vielen Elternaben­den. Zuerst dachte ich, ich mache einen Thriller daraus, aber was ich dort erlebt habe, war so absurd, das hätte mir im Thriller keiner geglaubt. ,Elternaben­d‘ war 2023 das erfolgreic­hste Buch im ganzen deutschspr­achigen Raum. Ich dachte kurz, ich sollte vielleicht das Genre wechseln.“Hat Fitzek manchmal genug von Mord und Totschlag? „In der Pandemie hatte ich tatsächlic­h die Schnauze voll und hab was Lustiges geschriebe­n, aber bald bin ich draufgekom­men: Der Tod lässt mich nicht los. Man braucht immer einen Ausgleich.“

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Hat Sebastian Fitzek nie genug vom Horror? „In der Pandemie hatte ich die Schnauze voll“

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