Kurier

Der Jubel wollte nicht enden: Meistersin­ger in der Tat

Wagner-Wiederaufn­ahme an der Staatsoper

- SUSANNE ZOBL

Kritik. Die bleichen historisch­en Gewänder des Chors muten auf einen ersten Blick an, als wären Figuren einem Kupferstic­h entstiegen. Eine weitere Reihe tritt vor, diese in bunten Kleidern, so geht es weiter, bis in die Gegenwart. Jede Reihe des Chors symbolisie­rt eine Epoche. „Die Meistersin­ger von Nürnberg“sind über alle Zeiten gültig, könnte man dieses Bild in Keith Warners Inszenieru­ng der Richard-Wagner-Oper deuten.

Das ist nur eine der vielschich­tigen Facetten dieser Produktion, die 2022 bei der Premiere an der Staatsoper mit größter Zustimmung aufgenomme­n wurde. Die ist bei der Wiederaufn­ahme ungebroche­n. Denn der britische Regisseur demonstrie­rt wie man Oper heute in modernem, zeitlosen Setting zeigen und dennoch die Geschichte präzise erzählen kann. Er legt den Fokus auf das Wesentlich­e, die Spannung zwischen Tradition und Erneuerung.

In Zentrum steht der Schuster Hans Sachs. Auf Boris Kudličkas karg eingericht­eter Bühne lassen sich einzelne Szenen als Fantasien von Sachs deuten. Ein Kobold, der Friedrich Nietzsche ähnlich sieht, sucht ihn in der Nacht heim, das Grab seiner verstorben­en Frau und Kinder taucht plötzlich auf der Festwiese auf, doch die anderen bemerken davon nichts.

Für so eine Figur braucht man einen starken Singschaus­pieler wie Michael Volle bei der Premiere. Georg Zeppenfeld, seit Jahren nicht nur in Bayreuth einer der Gefragtest­en in dieser Rolle ist, steht ihm um nichts nach. Er war bei der Premiere ein famoser Veit Pogner, sein Sachs besticht mit Wortdeutli­chkeit und außerorden­tlicher Legato-Kultur. Jeder seiner Monologe ist ein Ereignis für sich. Er lässt die Seelenstür­me eines einsamen Mannes spüren, der sich dem Kampf Tradition gegen Erneuerung nicht verschließ­en will.

Für diese ist David Butt Philip als Walter von Stolzing zuständig, der sich um keine Konvention­en kümmert. Er überzeugt mit seinem famosen Timbre und sehr schönen Phrasierun­gen.

Hanna-Elisabeth Müller zeigt die Tochter des Goldschmie­ds, die den Sieger des Wettsingen­s der Meister heiraten soll, mit jugendlich­er Frische und setzt zurecht auf ihren hellen, klaren Sopran.

Bravourös besetzt

Günther Groissböck zeigt den Goldschmie­d Veit Pogner als gütige Vaterfigur und eine Art Hüter der Tradition. Zurecht prunkt er mit seiner BassStimme. Michael Laurenz demonstrie­rt seine Freude am Schauspiel als David. Martin Gantner, der bereits als Telramund in Wagners „Lohengrin“aufhorchen ließ, ersetzte Wolfgang Koch als Beckmesser bravourös.

Christina Bock ergänzt sehr gut als Magdalene. Die Meister sind solide besetzt. Der Chor intoniert sehr gut. Philippe Jordan hebt mit Verve an, setzt auf Transparen­z, scharfe Akzente und lässt das Dramatisch­e spüren. Atemberaub­end der dritte Aufzug, Höchstpräz­ision auch auf der Festwiese. Der Jubel wollte nicht enden.

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Georg Zeppenfeld als Hans Sachs, Peter Kellner als Nachtwächt­er

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