Kurier Magazine - Routen fur Geniesser
BEST WESTERN
Kalifornien – von der multiethnischen Millionenmetropole Los Angeles über das Weinbaugebiet rund um Temecula an die Küste nach San Diego, Americas Finest City.
Hat der Reisende nach dem langen 11-Stunden-Flug erst einmal die ebenso fade wie lästige US-Immigration mit zwar freundlichen, aber spaß befreiten Einreise beamten auf dem Los Angel es Int er nationalAir port hinters ich, eröffnet sich nachdem Verlassendes Flughafen gebäude seine für den gelernten Österreicher vollkommen andere Welt: Nicht unbedingt feindlich oder gar ungut, aber angsteinflößend, fremd und vor allem – riesig. Ist doch der 18 Millionen zählende Großraum LA eine Addition vieler Städte ohne eigentliches Zentrum: Pasadena, Inglewood, Long Beach, Glendale, Fullerton, Burbank, Garden Grove – und das sind nicht einmal noch wirklich alle. Eine durch sechsspurige Highways zerschnittene Stein-Tundra meist nur einstöckiger Häuser, die durch schiere Größe verschreckt, dezentral, polyglott, multiethnisch. Schätzungen ge- hen von gut 120 Sprachen und 150 Nationalitäten aus: Nicht einmal New York City zu Zeiten der großen Einw an derungs wellen im 19. Jahrhundert bot eine an nährend große Durchmischung und Vielfalt. In LA gilt es als uncool über Rasse und Herkunft zu reden, es spielt einfach keine Rolle – unter anderem deshalb, weil sowieso keiner mehr durchblickt und längst alle Stereotypen kollabiert sind. Ungustiöse Gstett’n neben penibel gepflegtem Rasen, unfassbares Elend in direkter Nachbarschaft zu geradezu obszönem Reichtum, der sich in protzigen Anwesen manifestiert – Widersprüche in seltsamer Abfolge. Los Angeles ist die einzige Metropole der ersten Welt, die in weiten Teilen zur Dritten gehört.
Viele Kalifornien-Besucher lassen LA – die moderne Version der Apokalypse, Megacity, Monster, Moloch – so
schnell wie möglich hinter sich. Warum nicht, sind doch die West Coast und das Hinterland mit Wäldern, Gebirgen und Wüsten ein touristisches Himmelreich und im Vergleich zum Schmelztiegel der Rassen und Kulturen von geradezu idyllischer Abgeschiedenheit. Wie das Temecula Valley mit der 100.000 Einwohner zählenden Stadt gleichen Namens im Südwesten des Riverside County.
Dort finden Weinliebhaber nicht nur eine besuchenswerte Destination in Form der Ponte Winery, sondern auch das südlichste Anbaugebiet der fünf größten kalifornischen Lagen. Gilt doch kalifornischer Wein schon lang nicht mehr als exotisches Gesöff, sondern vielmehr als erste Adresse für echte Kenner, wobei Kalifornien den Löwenanteil der amerikanischen Weinbauproduktion auf sich vereint: Schät- zungen gehen von einem Anteil von über 95 Prozent aus. Heute ist Kalifornien der weltweit fünftgrößte Weinproduzent. Mit ein Grund für den Aufstieg: Die Europäisierung des amerikanischen Weins. Bestand früher die Kunst darin, Wein mit möglichst geringen Geschmacksschwankungen zu keltern und spielten Lage, Bodenbeschaffenheit und Mikroklima eine unbedeutende Nebenrolle, so bauen kalifornische Winzer heute auf einer bestockten Anbaufläche von 1943 Quadratkilometern eine Vielzahl an Sorten an und legen großen Wert auf differenzierte Lagen. Die Weine wurden langlebiger und komplexer, bekamen individuellen Charakter mit Nuancen von Pfeffer, schwarzer Johannesbeere und Vanille. Viel zum speziellen Bouqet trägt der – vor allem morgens vom Pazifik her wehende – kühle Nebel bei, der die Trauben veredelt und ihnen so-
wohl Säure als auch Gehalt verleiht. Generell lässt sich – erst recht bezogen auf die Westküste – sagen: Ein breites Weinangebot ist in US-Restaurants, die etwas auf sich halten, heute nicht nur eine Imagefrage, sondern neben Bier und picksüßen Softdrinks auch wichtiges Kriterium für wirtschaftlichen Erfolg. Klar: Mit hochklassigem Wein lässt sich gutes Geld machen.
Weiter Richtung Süden auf dem Highway 79 trifft der Reisende auf den Cleveland National Forest, benannt nach dem zweimaligen Präsidenten der USA, Stephen Grover Cleveland. Das Gebiet hat eine Größe von etwa 1900 Quadratkilometern und wird als der südlichste Nationalwald Kaliforniens bezeichnet. Mitten in diesem abgeschiedenen Naturschutzgebiet liegt der 1923 errichtete und 460 Hektar große Stausee Lake Henshaw, der zur Bewässerung des umliegenden Agrarlandes dient, beliebt bei Fischern ist und als geschätztes Ausflugsziel von Motorradfahrern aus dem nur 110 Kilometer entfernten San Diego gilt. Gern genutzt wird die Gegend – hauptsächlich natürlich nur an Wochenenden – auch für Bergwanderungen, Pferdeausritte, Camping und Autofahrten entlang des Sunrise Scenic Highway.
Ganz in der Nähe des einsam gelegenen Sees lohnt ein Abstecher zum nahen Palomar State Park, der stark an Gebirgsregionen der europäischen Alpen oder an waldreiche Gegenden Kanadas erinnert. Weil es in den Bergen östlich von San Diego keine Licht- und Luftverschmutzung, ergo eine sehr klare Atmosphäre gibt, steht auf dem Palomar Mountain ein Weltraumteleskop. Das allein macht das Kraut nicht wirklich fett, sehr wohl aber die Tatsache, dass dort das größte Fernrohr – ein wirklich beeindruckendes Trumm mit 5-Meter-Spiegelöffnung – der USA im Einsatz ist. Damit beobachten US-Wissenschaftler seit den frühen 1930er-Jahren das All. Auf dem Weg nach San Diego an der pazifischen Küste führt die kurvenreiche, aber wenig befahrene Bundesstraße 52 über die Coyote Mountains, wo der Weg bei Ocotillo auf die Interstate 8 trifft. Die verläuft dicht an der mexikanischen Grenze entlang, womit die zahlreichen Checkpoints erklärbar sind. Kontrollen sind aber, zumindest für Touristen, harmlos und schnell erledigt. San Diego, die älteste, südlichste und mit 1,4 Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt Kaliforniens, hat in den letzten Jahren das Image abgeschüttelt, ein wunderbar gelegenes Altersheim zu sein. Wegen des angenehmen Klimas – der Ort liegt auf der geogra-
fischen Höhe Casablancas – wird San Diego, das in den letzten Jahren auch zu einem der bedeutendsten Zentren der Telekommunikations- und Biotechindustrie geworden ist, von den Bewohnern als Americas Finest City bezeichnet. Kann man so stehen lassen: Grüne Berge im Hinterland, palmengesäumte Promenaden und unzählige Buchten. Wenn’s wirklich stimmt, sind die Einwohner weniger stur aufs Business fokussiert als die Menschen im drei Autostunden entfernten L.A, sie nutzen jedenfalls das Kapital der Stadt nach Kräften – vorzugsweise auf einem der unzähligen Strände des San Diego County wie dem Coronado Beach, dem berühmtesten von allen und angeblich einem der schönsten der gesamten USA.
Tosende Brandung, weiße Häuser, mediterranes Flair: Die Halbinsel vor der Einfahrt zur San Diego Bay ist eine beschauliche Welt für sich und ein bezauberndes Wohn- und Ferienstädtchen. An prominenter Stelle, nämlich direkt am Pazifikstrand, steht das Hotel Del Coronado, seit 1888 bevorzugtes Haus der High Society, eine Art Märchenschloss im viktorianischen Stil mit zahllosen Türmchen und Veranden. The Del, wie es in ganz Amerika bezeichnet wird, gilt als die schönste Unterkunft an der Westküste, als berühmteste sowieso, drehte doch dort der Österreicher Billy Wilder (1906–2002) in dem über 120 Jahre alten Holzbau die Komödie „Manche mögen’s heiß“mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis. Alles andere als ein Low-Budget-Hotel, beherbergte The Del zahllose Filmstars, Großindustrielle, US-Präsidenten und mehr oder minder bekannte Popmusiker. Heute hält sich die Promidichte in Grenzen, für den US-Geldadel ist das Haus freilich immer noch von großer Bedeutung. Legendär jedenfalls ist die hauseigene Sundeck-Bar mit wunderbarer Strandatmosphäre – die perfekte Kulisse für einen Drink bei Sonnenuntergang. Den ausgerechnet dort zu versäumen, wäre ein großer Fehler. Zum Pflichtprogramm gehört auch ein Besuch des Gaslamp Quarters, dessen viktorianische Ziegelstein-Architektur und die gusseisernen Accessoires aus dem späten 19. Jahrhundert unter Denkmalschutz stehen und in dieser Vollkommenheit bestenfalls noch in New Orleans zu sehen sind. Das in Downton San Diego gelegene Vergnügungsviertel verführt mit exquisiten Restaurants, Pubs, Geschäften, Galerien, Theatern und Konzertlocations, erwacht aber erst nach Sonnenuntergang so richtig zum Leben. Da ist es dann auch schon wurscht, dass die Gaslaternen nur billige Nachbauten sind. -