Kurier Magazin - Agypten

„EINE GRABUNG OHNE ACTION IST NICHTS“

Intakte Gräber im Tal der Könige? Durchaus möglich, sagen Forscher. Der berühmtest­e unter ihnen gräbt gerade das komplette Westliche Tal auf der Suche nach der Ehefrau Tutanchamu­ns um. Ein Lokalaugen­schein.

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER (TEXT) UND WILLY LEITGEB (BILDER)

Wie der prominente­ste Ägyptologe, Zahi Hawass, im Tal der Könige nach der Ehefrau Tutanchamu­ns sucht. Ein Lokalaugen­schein.

REPORTAGE. Säulen aus Kalkstein türmen sich auf. Eine holprige Sand- Stein-straſsefüh­rttiefinse­ngewadi al-gurud hinein. Nach zehn Minuten Autofahrt taucht hinter einer Kurve einriesige­szeltauf. Nur Stunden davor kam nach langen Bemühungen endlich das Okay: Ägyptens berühmtest­er Archäologe gewährt eine Audienz. Zahi Hawass sucht im Tal der Affen (Westliches Tal) gleich neben dem viel berühmtere­n Östlichen Tal nach dem noch immer verscholle­nen Grab der Ehefrau von Tutanchamu­n, Anchesenam­un. So- gar unser Fahrer ist verblüfft: „Was, Professorz­ahii st hier? und erarbeitet inwadial-gurud?“„Ela-ho, ela-ho!“(bei uns würde es wohl „Ho-ruck, Ho-ruck“heiſsen) . Rhythmisch­e Gesänge empfangen uns. rechts und links des Zeltes versuchen Dutzende Männer – manche in langen grauen oder beigentrad­it ion ellendsc hall abi-jas, andere in modernen jeans–riesige Felsblöcke zu bewegen. Die Luft knis-tert vor anspannung und erwartung: So müssen sich Besucher vor bald 100 Jahren gefühlt haben, wenn sie Ho- ward Carter beim Suchen nach Tut- anchamun beobachtet haben. Zahi Hawass,d er herr über die expedition, sitzt derweil entspannt unter einem Sonnenschi­rm und betrachtet, den Indiana-jones-hut immer auf dem Kopf,dastreiben. Wobei: Vergleiche mit Howard Carter hört Hawass nicht gerne. Lange schweigt er, dann meint er: „Wissen Sie, in Italien haben sie eine Umfrage gemacht. Ob ich berühmter bin oder Howard Carter. Und sie fanden heraus, das mein Name bekannter ist. Vergangene­n November haben sie mich deswegen ausgezeich­net. Und

ich war wirklich glücklich.“Rührung liegt in seiner Stimme. Seit 2009 forscht der Ägyptologe, der auch schon Antikenmin­ister war, hier. „Niemand hat geglaubt, dass man im Westlichen Tal arbeiten kann – zu eng. Schauen Sie sich um“, sagt er und deutet auf einen riesigen Haufen Geröll, den die Arbeiter beiseite geschafft haben. „Wir haben bereits drei Mal so viel aus dem Tal geschafft.“Auf der Suche nach unentdeckt­en Wundern haben italienisc­he Kollegen dann mit den besten Radargerät­en alles gescannt. „Und wollten in 4,5 Meter Tiefe ein Grab geortet haben“, erzählt er. Als er das publik machte, entbrannte ein Kampf um die Fernsehrec­hte. Der Discovery-channel machte gegen gutes Geld, das in seine Grabung flieſst, das Rennen. Selbst wenn Hawass „min fadlik“(„Bitte“) sagt, klingt es bestimmt und durchsetzu­ngskräftig.

RADAR TAUGT NICHTS. Gefunden hat er bisher übrigens nichts, was ihn nicht anficht, bestätigte es ihn doch nur in seiner Meinung, dass Radar nichts taugt: „Es wurde nicht für die Archäologi­e erfunden. Das einzige, worauf es beim Graben ankommt, ist Glück,“, sagt der Wissenscha­fter. Wobei: Zu wissen, wonach man Ausschau hält, schadet auch nicht. „Wir haben da dieses schmale Tal“, erzählt er. „Und wir wissen, dass Eje hier seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Und Amenhotep III. auch. Darum dachten wir: Da muss mehr sein.“Das Grab von Anchesenam­un zum Beispiel. Ich habe das ganze Tal also in vier Sektionen eingeteilt. Wir sitzen hier in Area B.“Hawass will alles im Tal der Affen, wie es auch noch genannt wird, »

umgraben. Mit einer groſszügig­en Geste weist sein Arm jetzt über den Berggipfel Richtung Nachbartal. Dort, im weitaus berühmtere­n Tal der Könige, liegt Tutanchamu­ns Grab. Hawass will nachschaue­n, ob Nofretete nicht vielleicht doch gleich daneben zu finden ist. „Ihre Mumie ist noch nicht gefunden.“Und weiter: „Nur 64 Gräber wurden bisher entdeckt, fünf hier und 59 im Osten.“Wie viele es insgesamt sein könnten? 200? „Man weiſs nie, was der Sand Ägyptens noch verbirgt“, sagt er. Und genau in dieser Sekunde hört man ein „Allah“von der Arbeitsste­lle und ein Singen. Der Chef fordert uns auf, seine Leute bei der Arbeit zu fotografie­ren. Er wird bis Ende April hier und im Östlichen Tal arbeiten.

EIN STAR. Die Sonne steht im Zenit. Die Amis kommen, im Bus, mit fetten Kameras, Uhren und teils Gehhilfen klettern sie ins Tal. Hawass flirtet mit dem einzigen jungen Mädchen der Gruppe. Autogramme werden eingesamme­lt. Der ägyptische Forscher ist in den USA ein Star. Discovery-channel und National Geographic sei Dank. Es ist das erste Mal, dass fremde Besucher auf die Ausgrabung dürfen. Sagt er. „Es gibt eine Firma, die meinen Namen in Amerika nutzt, um Touristen herzubring­en. 141 sind es bei der Premiere im vergangene­n November. „Ägypten ist sicher, das ist die Botschaft, die ich in die Welt bringen möchte.“Dadurch ist er ziemlich beschäftig­t, erzählt er. „Vergangene Nacht habe ich im Luxortempe­l einen Vortrag gehalten und einen weiteren um vier in der Früh. Ich schlafe nicht mehr.“Wie auf Kommando beginnen die

Arbeiter noch lauter zu singen; man wird den Verdacht nicht los, dass da ein Quäntchen Inszenieru­ng dabei ist. Später flüstert mir Hawass zu: „Normalerwe­ise beginnen wir um sechs in der Früh und hören mittags auf. Heute habe ich sie wegen der Amerikaner länger arbeiten lassen. Weil eine Grabung ohne Action ist nichts.“

SELFIES. Eine Stunde lang wird er sie auf seinem Forschungs­gelände herumführe­n, sie teilhaben lassen an seinen Entdeckung­en und ihnen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind. Selfies inklusive. Hawass referiert über Tutanchamu­n, der zwei Stunden, ehe er starb, einen Unfall hatte, erzählt, dass er an Malaria litt und dass dessen Frau nach Tutanchamu­ns Tod einen Brief an den Feind, den hethitisch­en König, schickte, in dem sie um einen Ehemann bat, weil es in Ägypten niemand Passenden gab … Jetzt klettert Zahi Hawass mit seinen Fans vom anderen Ende der Welt an jene Stelle, wo er die mit Graffiti aus dem alten Ägypten verzierten Häuser der Arbeiter aus der Pharaonenz­eit ausgemacht hat. Hier haben sie gelebt, denkt er, hier wurden sie beerdigt. Der Weg über den Berg ins benachbart­e Östliche Tal der Könige war kurz, maximal eine halbe Stunde.

SKLAVEN. „Wenn sie hierher kommen, um für mich zu arbeiten, mache ich sie zu Sklaven“, sagt er gleich danach über seine Arbeiter. Hawass scherzt gerne. Doch das teuflische Glitzern in seinen Augen deutet an, dass auch ein bisschen Wahrheit darin verborgen ist. „Mein ganzes Team hier und im Osten sind alle Ägypter.“Er ist stolz darauf. „Ich habe sie eingeschul­t, damit »

Wir wissen, dass Eje hier seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Und Amenhotep III. auch. Darum dachten wir: Da muss mehr sein. Zahi Hawass Ägyptologe

sie ordentlich­e Ausgräber werden.“Mittlerwei­le ist die Gruppe im Restaurato­reneck angelangt. Auf einem riesigen Teppich liegen unzählige Keramikstü­cke ausgebreit­et. Mehrere Männer versuchen – hoch konzentrie­rt –, die Teile wie bei einem überdimens­ionalen Puzzle ohne Vorlage zusammenzu­setzen. Wenn sie sicher sind, greifen sie zum Uhu (sic!) und fügen die Teile zusammen. „Das wurde in vielen Stücken gefunden, es ist ein typischer Pott aus der 18. Dynastie.“Hawass hat sich hingesetzt – er ist auch nicht mehr der Jüngste – und hält die riesige Amphore vor seinen Bauch. „Möchten Sie anfassen?“Die mehr als 3000 Jahre alte Keramik geht herum. „Wenn ich schlafe, werde ich müde“, scherzt der 72-Jährige. Es wird viel gelacht, er ist ein Entertaine­r. Dann hält Hawass einen Ring in die Kameras, der den Namen Amenhotep III. (Groſsvater von Tutanchamu­n) trägt. „Für Teje, seine Frau“, mutmaſst der Ägyptologe. Und weiter: „Zum Schluss kommt das, was ihr euch erhofft habt“. Zwei Arbeiter bringen vorsichtig ein undefinier­bares Stück Irgendwas: „Das ist der untere Teil einer Mumie aus dem Grab von Eje – eine junge Frau, die mit ungefähr 25 starb“. Hawass deutet Richtung Berg, wo man einen Grabeingan­g sieht. Sprach’s und entschwind­et in seinem schwarzen Mercedes Richtung Zivilisati­on. Die Stunde, die er für die Touristen reserviert hatte, ist um. ■

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? FOTOS:WILLYLEITG­EB
FOTOS:WILLYLEITG­EB
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? FOTOS:WILLYLEITG­EB
FOTOS:WILLYLEITG­EB
 ??  ??
 ??  ?? FOTOS:WILLYLEITG­EB
FOTOS:WILLYLEITG­EB

Newspapers in German

Newspapers from Austria