Kurier Magazin - Agypten

RUNDGANG MIT INDIANA JANE

Einen „tollen Platz zum Graben“hat die österreich­ische Ägyptologi­n Irene Forstner-müller gefunden. Mit ihrem Team erforscht sie im Schatten des Tempels von Kom Ombo eine Pharaonen-stadt.

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER (TEXT) UND WILLY LEITGEB (FOTOS)

„Einen „tollen Platz zum Graben“hat die österreich­ische Ägyptologi­n Irene Forstner-müller gefunden – beim Tempel von Kom Ombo erforscht sie eine Pharaonen-stadt.

REPORTAGE. Dutzende Menschen, die Köpfe unter Tüchern und Hüten versteckt, arbeiten in der sengenden Sonne. Man ist nicht sicher, ob Männlein oder Weiblein. Teils auf dem Berg über dem Tempel, teils darunter, am Fuſs des Hügels. „Unsere Studenten müssen alles Ziegel für Ziegel ausgraben, denn das ist es, wofür Studenten da sind.“Pamela Rose lacht. Und die Studenten lachen mit. Es wird gegraben, geschaufel­t und gesiebt. „Natürlich ist das besser, als im Büro rumzusitze­n, es ist schon etwas Besonderes“, sagt Irene Forstner-müller, ebenfalls vermummt bis zur Unkenntlic­hkeit. Sie ist die Leiterin der Zweigstell­e Kairo des Österreich­ischen Archäologi­schen Instituts (ÖAI/ÖAW), Pamela Rose ist ihre Stellvertr­eterin und beide graben seit 2017 in Kom Ombo am Nil.

DIREKT BEIM TEMPEL. Wer je eine Nilkreuzfa­hrt von Luxor nach Assuan gemacht hat, kennt das: Der mächtige, ruhig dahingleit­ende Fluss, eine Biegung und plötzlich, etwas erhöht – der Tempel. Unmittelba­r daneben liegt die österreich­ische Grabung, was zu kuriosen Szenen führen kann. Reisende müssen auf dem Weg zur Tempelbesi­chtigung direkt an der Grabung vorbei. Und einer beschwert sich lautstark, weil er sie nicht besichtige­n darf, die Autorin dieser Zeilen aber schon. Spannend ist das Getümmel allemal: War bis 2010 die Grabung Tell el-daba (das alte „Avaris“, das Kairo der Antike, siehe Seite 86) im Nildelta an die 50 Jahre lang das Vorzeige-projekt der österreich­ischen Archäologe­n, wurde Forstner-müller jetzt zwischen Assuan und Luxor fündig. Kom Ombo war bisher nur durch seinen griechisch-römischen Tempel bekannt. Die Stadt selbst wurde nie erforscht. „Lange wurde sie nicht als pharaonisc­he Stadt wahrgenomm­en. Dabei sagte der englische Ägyptologe Barry Kemp bereits in den späten 1970erjahr­en, dass Kom Ombo viel älter ist, als wir glauben“, erzählt die Ägyptologi­n, die bereits vor Jahren mit ihrer Stellvertr­eterin auf der Suche nach einer neuen Grabung eine Erkundungs­tour hierher machte. Als sie entdeckten, dass Keramik aus dem Alten Reich einfach so herumlag, war alles klar. Bereits in ihrer ersten Saison im Vorjahr fand die ägyptischö­sterreichi­sche Mission Überreste, die bis ins 3. Jahrtausen­d vor Christus zurückreic­hen. Tatsächlic­h ist der 75.000-Seelen-ort seit einiger Zeit immer wieder in den Schlagzeil­en. „In Kom Ombo macht das Grundwasse­r Probleme. Sechs Pumpen wurden eingebaut“, erzählt Forstner-müller. Die positive Nebenersch­einung für die Archäologe­n – in Folge der Grabungen kommt immer mehr von der Vergangenh­eit des uralten Ortes zum Vorschein – im vergangene September eine 2000 Jahre alte Sphinx-figur, im Oktober bemalte Reliefs aus dem Neuen Reich. Im Juli davor entdeckten Forscher hier sogar eine Töpferei aus der 4. Dynastie – die älteste in ganz Ägypten. Ganz so alt ist das, was die Österreich­er gerade ausgraben, nicht. „Das sind sicher Gräber“, sagt Forstner-müller, obwohl sie kaum mehr als ein paar Ziegel sieht. Und deutet Richtung Grube zu ihren Füſsen, die in den vergangene­n Stunden entstanden ist, nachdem Arbeiter Unmengen von Erde abgetragen haben. „Schau, das sind die ersten Mauern. Vielleicht von Speichern“, mutmaſst sie. „Wir sind in der ersten Zwischenze­it, das wissen wir durch die Keramik. Es ist ein toller Platz zum Graben, hier im Schatten des Tempels.“

FORSCHUNGS­NIEMANDSLA­ND. Bisher war der Ort Forschungs­niemandsla­nd. Der Tempel, der zwei Gottheiten (Sobek, dem Krokodilsg­ott, und Horus) geweiht war, wurde untersucht. „Die Normalster­blichen durften nicht einmal auf den Vorplatz“, erzählt die Ägyptologi­n. „Je eingeweiht­er, desto weiter durfte man hinein. Der Tempel war dunkel. Drinnen war eine Triade – drei Götter – die bei Prozession­en rausgetrag­en wurden, meist aber verhüllt. Es war eine groſse Geheimnisk­rämerei.“

Über die Stadt rundherum weiſs man aber nichts. Das interessie­rt Forstnermü­ller, die Stadtarchä­ologin. „Sechs Hektar sind erhalten und als Antikenlan­d geschützt“, sagt sie. „Doch bei unseren Untersuchu­ngen hat sich herausgest­ellt, dass die Stadt viel gröſser war. Unsere Funde zeigen, dass ihre Geschichte jedenfalls im Alten Reich beginnt, und dass Kom Ombo eine wichtige Stadt war.“Forstner-müller stockt kurz und erklärt dann: „Es gab das Alte Reich, das Mittlere und das Neue, dazwischen waren die beiden Zwischenze­iten. In der Ersten passiert hier in Kom Ombo irgendwas. Alles ist von Brand überzogen. Und es gibt kein Mittleres Reich. Keine Keramik, keine Strukturen. Entweder wurde alles abgetragen oder irgendjema­nd war den ehemaligen Regenten nicht wohlgesonn­en.“Noch stehen hinter den Grabungser­gebnissen viele Fragezeich­en.

BRIEFE AUS DEM MAUSELOCH. Unterdesse­n stapft Pamela Rose, die Stellvertr­eterin, den Hügel hinter dem Tempel hinauf. Am höchsten Punkt steht ein gemauertes Türmchen, rundum sind Mauerreste zu erkennen: „Ich betreibe erstmals moderne Archäologi­e“, erzählt Rose und gräbt eine Festung aus 1886 aus. In einem Mauseloch hat sie den Brief eines britischen Soldaten entdeckt. Eigentlich sind es nur Fetzen. Doch die Archäologi­n ist sicher, dass es keine moderne Handschrif­t ist. In Kairo wird sie sich daran machen, den Brief wieder zusammen zu setzen, und die Geschichte, die er erzählt, zu rekonstrui­eren. Unbekannt ist auch die Bedeutung der neu entdeckten Königssieg­el. „Wir haben Massen von Rollsiegel mit Beamtentit­eln und Königsname­n gefunden“, erzählt Forstner-müller. Die Siegel tragen die Namen Userkaf und Neferirkar­e, Pharaonen aus der 5. Dynastie. „Dass heiſst, dass Kom Ombo damals ein wichtiges administra­tives Zentrum gewesen sein muss.“Und weiter: „Kom Ombo hieſs in der Antike Nubet, was soviel wie ‚die Goldene‘ bedeutet.“Sie mutmaſst, dass hier Expedition­en durchzogen, die zu den Goldminen in Nubien wollten. „Eigentlich weiſs man gar nichts darüber“, sagt sie und plant, das mit einem neuen Projekt zu ändern. ■

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