DAS HIMMELSEISEN DES PHARAOS
Tutanchamun besaſs einen Dolch aus Eisen. Und das, obwohl die Menschen damals die Kunst der Eisengewinnung noch gar nicht beherrschten. Jetzt wurde das mysteriöse Stück unter österreichischer Beteiligung analysiert. Ergebnis: Es ist „auſserirdischen Urspr
Tut besaſs einen Dolch aus Eisen – ein Material, das es damals noch gar nicht gab. Eine Analyse unter österreichischer Beteiligung ergab: Er ist „auſserirdischen Ursprungs“.
ALTES EISEN. Ganz nahe trägt er ihn bei sich, an den rechten Oberschenkel geschmiegt. 34 Zentimeter ist er lang, hat einen goldenen Griff und ist reich mit Stein- und Glaseinlagen verziert – der Dolch des Tutanchamun. Kaum ein anderes der etwa 5400 Objekte, die den jugendlichen Pharao auf seinem letzten Weg begleiteten, geht derart auf Tuchfühlung. Ein Indiz, dass es ihm besonders wertvoll war. Tatsächlich ist die Klinge aus einem Material gefertigt, das es damals noch gar nicht hätte geben dürfen: Eisen. In den altägyptischen Brennöfen konnte zwar Bronze aus Kupfer und Zinn hergestellt, aber noch kein Eisen gewonnen werden. Die Öfen konnten die nötigen 1600 Grad Celsius nicht liefern, sie schafften nur einige hundert Grad. Zeitenwechsel, Gegenwart: Christian Köberl hat sich auf den Weg nach Mainz gemacht. Mit im Gepäck hat der Meteoritenforscher und Direktor des Naturhistorischen Museums Wien einige der Eisenmeteorite aus der Sammlung seines Hauses; übrigens die gröſste der Welt. Sein Ziel: die Kollegen vom Römisch-germanischen Zentralmuseum (RGZM). Seine Mission: deren Röntgenfluoreszenzgerät auf Meteorit eichen. Denn: Bereits Howard Carter hatte nach der Entdeckung des mysteriösesten Stücks im Grab des Tutanchamun vermutet, es könnte sich um Meteoriteneisen handeln. „Ordentlich untersucht worden war die Klinge bis dato allerdings nie, ebenso wie die weiteren Eisenobjekte aus dem Grab des jugendlichen Pharaos“, sagt Katja Broschat, Restauratorin im RGZM. Jetzt sollte sich das ändern. Über Jahre hatte der Geologe und Geochemiker Köberl versucht, Kontakt zu Ägyptologen zu knüpfen und an Stücke heran zu kommen, die im Verdacht standen, auſserirdischen Ursprungs zu sein. „Mich hat diese Geschichte schon lange interessiert“, gesteht er im Interview. Man weiſs aber, dass Probennehmen beim Schatz des Tutanchamun praktisch unmöglich ist und diese Objekte nie aus Ägypten hinausgebracht werden dürfen. Schlieſslich erhielt Christian Köberl den Hinweis, dass die deutschen Kollegen vom RGZM in Kairo an den Grabbeigaben Tutanchamuns arbeiten. Köberl: „Es stellte sich heraus, dass sie bereits einige Analysen gemacht haben“. Ihre Analysestandards waren allerdings nicht up to date, die Ergebnisse nicht wirklich reproduzierbar. Da konnte Köberl helfen. Mithilfe seiner Meteoriten kalibrierte er das Röntgenfluoreszenz-analysegerät neu und Katja Broschat und ihr Kollege Christian Eckmann rückten Richtung Kairo aus.
PISTOLE. Dort, im Ägyptischen Museum, beschossen sie den mysteriösen Dolch, den es eigentlich gar nicht geben dürfte, mit Röntgenstrahlen aus dem Tracer IVB-SD – „schaut aus wie eine Radarpistole“(©Köberl) – und ermittelten so die Anteile von Elementen wie Eisen, Kobalt und Nickel. Heute sagt Köberl: „Ich bin zu 99 Prozent sicher, das es sich um einen Eisenmeteoriten handelt.“Katja Broschat vom RGZM ergänzt: „Interessanterweise scheint die Verwendung von Meteoreisen häufig eine besondere Faszination auszuüben – für die archäologisch-technologische Forschung wäre jedoch die eigentliche Sensation gewesen, verhüttetes Eisen zu identifizieren, aus einer Zeit, in der man in Ägypten noch weit davon entfernt war, die Technologie der Eisenverhüttung zu kennen, geschweige denn, anwenden zu können.“Die Ergebnisse ihrer Studie hat das Team aus Archäologen, Archäome-
tern, Restauratoren und Geochemikern aus Deutschland, Ägypten und Österreich jetzt in einem populärwissenschaftlichen Buch mit dem Titel „Himmlisch! Die Eisenobjekte aus dem Grab des Tutanchamun“zusammengefasst (Verlag des Römisch-germanischen Zentralmuseums, 22 €) .
BESONDERS ALTES EISEN. Die alten Ägypter wussten Meteoreisen wohl schon immer zu schätzen. Die ältesten bekannten Funde stammen aus zwei Gräbern der vordynastischen Naqadakultur (um ca. 3500 v. Chr.) aus el-gerzeh – Schmuckperlen aus Himmelseisen. „bj3 n pt“, wörtlich übersetzt „Eisen des Himmels“, nannte man das seltene Metall dann im Neuen Reich. Die Eisenperlen sind kalt gehämmert worden. So lieſsen sich jedoch keine filigran gearbeiteten Meisterwerke wie Tutanchamuns Dolch schaffen. Irgendwann erkannten die ägyptischen Handwerker, dass sie das Meteoritenmaterial mit Hitze erweichen mussten, um es schmieden zu können. Aus Texten weiſs man, dass während der Bronzezeit Eisen etwa zehn Mal so teuer wie Gold war. Gegenstände aus diesem Material waren extrem selten und wurden hoch geschätzt. „Aufgrund des seltenen Vorkommens wurde Eisen damals als besonders wertvoll erachtet und vorwiegend zu Kultgegenständen und Schmuck verarbeitet“, schreiben die Autoren. Die auſserordentliche Wertschätzung sei möglicherweise der „Sehnsucht nach neuen Materialien, die der kunstvollen optischen Darstellung der Individualität bzw. Persönlichkeit dienen“geschuldet. Wenig verwunderlich also, dass im Grab von Tutanchamun weitere 19 Eisenmeteorit-objekte lagen. „Die Kollegen haben auch diese Objekte mit dem Röntgenfluoreszenz-analysegerät gemessen – einen Armreif, eine Kopfstütze und einige Meisel – , und es stellte sich heraus, dass sie ebenfalls meteoritische Zusammensetzung haben“, erklärt Köberl. „Interessant dabei: Es war wahrscheinlich nicht derselbe Meteorit.“
NUR ZERSTÖRUNGSFREI. Wobei: Meteoriten zuzuordnen ist gar nicht so einfache. Geochemiker Köberl: „Es funktioniert nicht, weil die Analysemethoden, die uns zur Verfügung stehen, doch sehr limitiert sind. Unser Team durfte nur zerstörungsfreie Analysen – und die nur vor Ort – anwenden. Da stöſst man relativ bald an die Grenzen. Um herauszufinden, um welchen Eisenmeteoriten-typ es sich handelt, braucht es Spurenelement untersuchungen. Und das geht nur, wenn man Material vom Tutanchamun-dolch abkratzen kann. Was die Ägypter nie erlauben würden.“Das Positive an der aktuellen Analyse: Jetzt ist wenigstens die Mär von der Aliens-mitwirkung beim Schmieden des Pharaonen-dolchs widerlegt. ■