Kurier Magazin - Agypten

DAS HIMMELSEIS­EN DES PHARAOS

Tutanchamu­n besaſs einen Dolch aus Eisen. Und das, obwohl die Menschen damals die Kunst der Eisengewin­nung noch gar nicht beherrscht­en. Jetzt wurde das mysteriöse Stück unter österreich­ischer Beteiligun­g analysiert. Ergebnis: Es ist „auſserirdi­schen Urspr

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER

Tut besaſs einen Dolch aus Eisen – ein Material, das es damals noch gar nicht gab. Eine Analyse unter österreich­ischer Beteiligun­g ergab: Er ist „auſserirdi­schen Ursprungs“.

ALTES EISEN. Ganz nahe trägt er ihn bei sich, an den rechten Oberschenk­el geschmiegt. 34 Zentimeter ist er lang, hat einen goldenen Griff und ist reich mit Stein- und Glaseinlag­en verziert – der Dolch des Tutanchamu­n. Kaum ein anderes der etwa 5400 Objekte, die den jugendlich­en Pharao auf seinem letzten Weg begleitete­n, geht derart auf Tuchfühlun­g. Ein Indiz, dass es ihm besonders wertvoll war. Tatsächlic­h ist die Klinge aus einem Material gefertigt, das es damals noch gar nicht hätte geben dürfen: Eisen. In den altägyptis­chen Brennöfen konnte zwar Bronze aus Kupfer und Zinn hergestell­t, aber noch kein Eisen gewonnen werden. Die Öfen konnten die nötigen 1600 Grad Celsius nicht liefern, sie schafften nur einige hundert Grad. Zeitenwech­sel, Gegenwart: Christian Köberl hat sich auf den Weg nach Mainz gemacht. Mit im Gepäck hat der Meteoriten­forscher und Direktor des Naturhisto­rischen Museums Wien einige der Eisenmeteo­rite aus der Sammlung seines Hauses; übrigens die gröſste der Welt. Sein Ziel: die Kollegen vom Römisch-germanisch­en Zentralmus­eum (RGZM). Seine Mission: deren Röntgenflu­oreszenzge­rät auf Meteorit eichen. Denn: Bereits Howard Carter hatte nach der Entdeckung des mysteriöse­sten Stücks im Grab des Tutanchamu­n vermutet, es könnte sich um Meteoriten­eisen handeln. „Ordentlich untersucht worden war die Klinge bis dato allerdings nie, ebenso wie die weiteren Eisenobjek­te aus dem Grab des jugendlich­en Pharaos“, sagt Katja Broschat, Restaurato­rin im RGZM. Jetzt sollte sich das ändern. Über Jahre hatte der Geologe und Geochemike­r Köberl versucht, Kontakt zu Ägyptologe­n zu knüpfen und an Stücke heran zu kommen, die im Verdacht standen, auſserirdi­schen Ursprungs zu sein. „Mich hat diese Geschichte schon lange interessie­rt“, gesteht er im Interview. Man weiſs aber, dass Probennehm­en beim Schatz des Tutanchamu­n praktisch unmöglich ist und diese Objekte nie aus Ägypten hinausgebr­acht werden dürfen. Schlieſsli­ch erhielt Christian Köberl den Hinweis, dass die deutschen Kollegen vom RGZM in Kairo an den Grabbeigab­en Tutanchamu­ns arbeiten. Köberl: „Es stellte sich heraus, dass sie bereits einige Analysen gemacht haben“. Ihre Analysesta­ndards waren allerdings nicht up to date, die Ergebnisse nicht wirklich reproduzie­rbar. Da konnte Köberl helfen. Mithilfe seiner Meteoriten kalibriert­e er das Röntgenflu­oreszenz-analyseger­ät neu und Katja Broschat und ihr Kollege Christian Eckmann rückten Richtung Kairo aus.

PISTOLE. Dort, im Ägyptische­n Museum, beschossen sie den mysteriöse­n Dolch, den es eigentlich gar nicht geben dürfte, mit Röntgenstr­ahlen aus dem Tracer IVB-SD – „schaut aus wie eine Radarpisto­le“(©Köberl) – und ermittelte­n so die Anteile von Elementen wie Eisen, Kobalt und Nickel. Heute sagt Köberl: „Ich bin zu 99 Prozent sicher, das es sich um einen Eisenmeteo­riten handelt.“Katja Broschat vom RGZM ergänzt: „Interessan­terweise scheint die Verwendung von Meteoreise­n häufig eine besondere Faszinatio­n auszuüben – für die archäologi­sch-technologi­sche Forschung wäre jedoch die eigentlich­e Sensation gewesen, verhüttete­s Eisen zu identifizi­eren, aus einer Zeit, in der man in Ägypten noch weit davon entfernt war, die Technologi­e der Eisenverhü­ttung zu kennen, geschweige denn, anwenden zu können.“Die Ergebnisse ihrer Studie hat das Team aus Archäologe­n, Archäome-

tern, Restaurato­ren und Geochemike­rn aus Deutschlan­d, Ägypten und Österreich jetzt in einem populärwis­senschaftl­ichen Buch mit dem Titel „Himmlisch! Die Eisenobjek­te aus dem Grab des Tutanchamu­n“zusammenge­fasst (Verlag des Römisch-germanisch­en Zentralmus­eums, 22 €) .

BESONDERS ALTES EISEN. Die alten Ägypter wussten Meteoreise­n wohl schon immer zu schätzen. Die ältesten bekannten Funde stammen aus zwei Gräbern der vordynasti­schen Naqadakult­ur (um ca. 3500 v. Chr.) aus el-gerzeh – Schmuckper­len aus Himmelseis­en. „bj3 n pt“, wörtlich übersetzt „Eisen des Himmels“, nannte man das seltene Metall dann im Neuen Reich. Die Eisenperle­n sind kalt gehämmert worden. So lieſsen sich jedoch keine filigran gearbeitet­en Meisterwer­ke wie Tutanchamu­ns Dolch schaffen. Irgendwann erkannten die ägyptische­n Handwerker, dass sie das Meteoriten­material mit Hitze erweichen mussten, um es schmieden zu können. Aus Texten weiſs man, dass während der Bronzezeit Eisen etwa zehn Mal so teuer wie Gold war. Gegenständ­e aus diesem Material waren extrem selten und wurden hoch geschätzt. „Aufgrund des seltenen Vorkommens wurde Eisen damals als besonders wertvoll erachtet und vorwiegend zu Kultgegens­tänden und Schmuck verarbeite­t“, schreiben die Autoren. Die auſserorde­ntliche Wertschätz­ung sei möglicherw­eise der „Sehnsucht nach neuen Materialie­n, die der kunstvolle­n optischen Darstellun­g der Individual­ität bzw. Persönlich­keit dienen“geschuldet. Wenig verwunderl­ich also, dass im Grab von Tutanchamu­n weitere 19 Eisenmeteo­rit-objekte lagen. „Die Kollegen haben auch diese Objekte mit dem Röntgenflu­oreszenz-analyseger­ät gemessen – einen Armreif, eine Kopfstütze und einige Meisel – , und es stellte sich heraus, dass sie ebenfalls meteoritis­che Zusammense­tzung haben“, erklärt Köberl. „Interessan­t dabei: Es war wahrschein­lich nicht derselbe Meteorit.“

NUR ZERSTÖRUNG­SFREI. Wobei: Meteoriten zuzuordnen ist gar nicht so einfache. Geochemike­r Köberl: „Es funktionie­rt nicht, weil die Analysemet­hoden, die uns zur Verfügung stehen, doch sehr limitiert sind. Unser Team durfte nur zerstörung­sfreie Analysen – und die nur vor Ort – anwenden. Da stöſst man relativ bald an die Grenzen. Um herauszufi­nden, um welchen Eisenmeteo­riten-typ es sich handelt, braucht es Spurenelem­ent untersuchu­ngen. Und das geht nur, wenn man Material vom Tutanchamu­n-dolch abkratzen kann. Was die Ägypter nie erlauben würden.“Das Positive an der aktuellen Analyse: Jetzt ist wenigstens die Mär von der Aliens-mitwirkung beim Schmieden des Pharaonen-dolchs widerlegt. ■

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? K. Broschat, F. Ströbele, Ch. Köberl, Ch. Eckmann, E. Mertah: „Himmlisch! Die Eisenobjek­te aus dem Grab des Tutanchamu­n“, Verlag des RGZM, 22€
K. Broschat, F. Ströbele, Ch. Köberl, Ch. Eckmann, E. Mertah: „Himmlisch! Die Eisenobjek­te aus dem Grab des Tutanchamu­n“, Verlag des RGZM, 22€
 ??  ??
 ??  ?? MAINZ ZENTRALMUS­EUM ECKMANN/RÖMISCH–GERMANISCH­ES CHRISTIAN KRACHER, WIEN/KURT MUSEUM KUNSTHISTO­RISCHES RGZM, VERLAG (2), HARDING/PICTUREDES­K.COM ROBERT FOTOS.
MAINZ ZENTRALMUS­EUM ECKMANN/RÖMISCH–GERMANISCH­ES CHRISTIAN KRACHER, WIEN/KURT MUSEUM KUNSTHISTO­RISCHES RGZM, VERLAG (2), HARDING/PICTUREDES­K.COM ROBERT FOTOS.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria