Kurier Magazin - Agypten

WETTRENNEN UM DIE BESTEN PLÄTZE

Schon vor gut 100 Jahren bemühte sich auch Österreich um eine Grabung am Nil – und ergatterte eine im Schatten der Pyramiden. Wie das gelang und wo die allererste heimische Grabung stattfand.

- VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER

Vor gut 100 Jahren bemühte sich auch Österreich um eine Grabung am Nil – und ergatterte eine im Schatten der Pyramiden. Wie das gelang.

GIZEH IM JAHRE 1912. Auf dem Felsplatea­u im Schatten der Cheopspyra­mide jubeln, schreien und freuen sich die Arbeiter lautstark. Über einen Fund? Mitnichten! „Sie dachten an das Bakschisch, das ich ihnen in Aussicht gestellt hatte.“Das notierte der Archäologe Hermann Junker damals nach einem Statuen-fund in sein Grabungsta­gebuch. Damals – das war vor mehr als 100 Jahren, und die Grabung war eine österreich­ische. Eine der ersten übrigens. Anfang des 20. Jahrhunder­ts bestand ein reges Interesse an Grabungen in Ägypten. Die groſsen Nationen stritten um die besten Plätze. Nur Österreich – damals auch noch eine groſse Nation – beteiligte sich nicht an dem Wettlauf. Der Grund: „Die Habsburger waren nicht übermäſsig an Archäologi­e interessie­rt“, sagt Regina Hölzl, die Direktorin der Ägyptisch-orientalis­chen Sammlung des Kunsthisto­rischen Museums (KHM). „Das spiegelt sich auch an ihrer Kollektion – sie sammelten lieber Kunst.“Sehr zum Leidwesen des österreich­ischen Gesandten in Kairo, Graf Koziebrods­ki, der Wien mit Depeschen bombardier­te: Leute, die besten Grabungspl­ätze sind bald weg, wollt ihr nicht auch irgendwas machen? »

Schlieſsli­ch rührte sich das offizielle Österreich doch, und man bekam die erste Grabung – 1910 in Turah (heute Teil von Kairo, siehe Seite 87) . Besonders begehrt war aber die Region im Schatten der Pyramiden. 1902 war sie zwischen Deutschen, Amerikaner und Italienern aufgeteilt worden. Hölzl: „Jeder wollte dort graben! Denn am Westfriedh­of bei den Mastabagrä­bern (Privatgräb­er) waren tolle Funde wie Reliefs und Statuen zu erwarten“.

TAUSCHGESC­HÄFT. Und 1912 ergatterte Österreich tatsächlic­h eine Lizenz – durch ein Tauschgesc­häft: Der eingangs erwähnte Wiener Archäologi­e-professor Hermann Junker, ein gebürtiger Deutscher, machte einen Handel mit dem Leiter der Leipziger Grabungen in Gizeh, Georg Steindorf: Seine Konzession in Nubien gegen die deutsche bei den Pyramiden. Ein gutes Geschäft, wie sich herausstel­len sollte. „Schon in der ersten Grabungska­mpagne gab es den kapitalste­n Fund. In der Mastaba des Hemiunu wurde die lebensgroſ­se Kalkstein-statue des Grab-besitzers entdeckt“, erzählt Hölzl. Es sollte die tollste Entdeckung der ganzen Österreich­er-ära in Gizeh bleiben – Hemiunu war wahrschein­lich der Neffe von Cheops und der Architekt der gleichnami­gen Pyramide. Nach Österreich kam die beeindruck­ende, gut 4500 Jahre alte Statue nicht. Damals war die Fund-teilung – sagen wir – spielerisc­h geregelt. Die Stücke wurden in möglichst gleichwert­ige Teile gegliedert. Die beteilig-

ten ausländisc­hen Institutio­nen erhielten Lose, und Hemiunu ging an den Sponsor der österreich­ischen Grabung Wilhelm Pelizaeus aus Hildesheim. „Doch Objekte allein sagen Laien meist ohnedies nichts.“Regina Hölzl ist realistisc­h und erzählt daher Anekdoten, die sie in den Grabungsta­gebüchern gefunden hat. Beispielsw­eise, dass Junker jede Woche an die Akademie der Wissenscha­ften schrieb. Einmal beschwerte er sich über die Streiterei­en mit den benachbart­en Amerikaner­n, die im Revier der Österreich­er gewildert hätten. Skurril auch die Rolle, die die Schwester Junkers, Maria, bei der Grabung spielte. Sie war, wie sein Assistent Wilhelm Czermak und dessen Schwestern, immer und überall dabei. Hölzl: „Die Damen der Gesellscha­ft machten Zeichenarb­eiten.“

KRIEG BEENDETE ALLES. 1914, zu Kriegsbegi­nn, war Schluss. Hölzl: „Die Grabung ruhte, die Funde blieben liegen“. Erst 1925 konnte Junker Geld für eine Aufarbeitu­ngskampagn­e aufstellen.“Bis 1929 gab es weitere Grabungen. Die Funde liegen teils in Kairo, Wien, Hildesheim und Leipzig. Hölzl: „Juncker veränderte sich persönlich und wurde Leiter des Deutschen Archäologi­schen Instituts. Später diente er sich den Nazis an und gilt heute als sehr zwiespälti­ge Gestalt.“Für Österreich bedeutet das, dass alle ägyptische­n Ambitionen vorerst ebenfalls im Sand verliefen. ■

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