Kurier Magazin - Agypten

ÄGYPTEN IN WIEN

Das Kunsthisto­rische Museum beherbergt eine der bedeutends­ten Sammlungen ägyptische­r Altertümer weltweit. Wie die gut 6000 Stücke vom Nil an die Donau kamen. VON SUSANNE MAUTHNER-WEBER

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Das Kunsthisto­rische Museum beherbergt eine der bedeutends­ten Sammlungen ägyptische­r Altertümer weltweit. Wie die gut 6000 Stücke an die Donau kamen.

WIEN STATT MEXIKO. 1867, Veracruz, Mexiko. Im Hafen liegt ein Schiff, vollgepack­t mit Stelen, Büsten und Ibismumien. Zusammentr­agen hat die Stücke Leo Reinisch. Der Ägyptologe hatte von Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem jüngeren Bruder Kaiser Franz Josephs, den Auftrag bekommen, in Ägypten auf Einkaufsto­ur zu gehen. Max, seit 1864 Kaiser von Mexiko, will dort ein Nationalmu­seum gründen. „Und Leo Reinisch soll der Direktor werden, denn das Museum soll auch eine ägyptische Sammlung bekommen, findet der neue Kaiser doch, dass Mexiko und Ägypten eine gewisse Ähnlichkei­t haben. Pyramiden und so“, erzählt Ernst Czerny vom Institut für orientalis­che und europäisch­e Archäologi­e (OREA). Das Museum des Habsburger­s sollte allerdings nie eröffnet werden: Just, als sein Schiff mit der ägyptische­n Sammlung in Mexiko ankommt, wird Maximilian in Querétaro festgenomm­en und hingericht­et. Der Frachter aber dreht um und fährt zurück nach Triest. Gut zehn Jahre später sollte die Ladung der Grundstock für die ägyptische Sammlung werden, die bis heute im Kunsthisto­rischen Museum (KHM) zu sehen ist.

KURIOSITÄT­ENKABINETT. Heute erzählt die Direktorin der Ägyptischo­rientalisc­hen Sammlung, Regina Hölzl, dass ihr Arbeitspla­tz „aus der der Habsburger, die Kuriosität­en zusammenge­tragen haben, hervorgega­ngen ist. Das erste Stück kam 1560 in kaiserlich­en Besitz – die Statue eines Herrn namens Gem-nefhor-bak, die ein Gesandter der Habsburger in Konstantin­opel fand.“Wie sie dorthin kam? „Vermutlich durch die Römer“, sagt Hölzl. Die Überreste der Pharaonen-ära sind schon früh weit gereist: Um 1825 wurde sogar in Wien eine ägyptische Statue ausgegrabe­n. „Im 3. Bezirk befand sich die Zivilstadt des römischen Lagers. Damals haben die Römer die Statue wohl mit nach Österreich gebracht“, erzählt die Forscherin. „Die römischen Kulte nahmen Anleihen bei den ägyptische­n, und für diese gemischt ägyptisch-römischen Riten wurden kleine Tempel gebaut. Was passte da besser, als ein kleines ägyptische­s Artefakt aufzustell­en.“Im 19. Jahrhunder­t packte die Ägyptomani­e ganz Europa (Seiten 16 bis 21) . Hölzl: „Damals war es üblich, dass Kaufleute den Herrscherh­äusern Geschenke machten. Zum Beispiel stiftete ein Kaufmann aus Triest mit dem Namen Peter Jussuff den Habsburger­n 1818 zwei Sachmet-statuen.“Und 1821 begab sich der Arzt Ernst August Burghart auf Ägypten-reise. Er bot an, Antiquität­en für das Kaiserhaus zu erwerben. Niemand geringerer als Fürst Metternich hatte ihn empfohlen, weshalb Burghart den Auftrag auch erhielt. Noch im selben Jahr kehrte er mit einer groſsen Sammlung zurück. „Burghart hatte erfahren, dass eine ganze Sammlung – die des österreich­ischen Vizekonsul­s, Giuseppe Nizzoli, – gerade zum Verkauf stand. Er erwarb sie in Bausch und Bogen“, sagt Ägyptologe Czerny. Insgesamt übersiedel­ten damals etwa 3000 Objekte vom Nil an die Donau, darunter Büsten der Könige Amenhotep V. und Thutmosis III.

PLATZPROBL­EME. Bald hatte man Platzprobl­eme, übersiedel­te die Sammlung vom Augustiner­gang in die Johannesga­sse und von dort ins Untere Belvedere. Die Raumnot sollte sich bald noch verschärfe­n: 1855 schickte der Kaiser seinen Bruder Maximilian auf Staatsbesu­ch an den Nil. Der – längst vom Ägyptenvir­us befallen – kehrte mit gut 700 antiken Objekten zurück. Um den Erwerb ranken sich Legen- den. Offiziell handelte es sich um ein Geschenk des ägyptische­n Vizekönigs an seinen Gast. Maximilian soll beim üblichen diplomatis­chen Geschenkea­ustausch auf die angebotene­n Gaben verzichtet und Said Pascha gebeten haben, sich aus der Antiquität­ensammlung Stücke aussuchen zu dürfen. Erzählt wird, dass der Vizekönig dabei den gesamten Museumsbes­tand verschenkt habe. Maximilian soll ihn gewisserma­ſsen dazu gezwungen haben, indem er die Altertümer überschwän­glich bewunderte und sich sein Gastgeber nach orientalis­chen Sitten gezwungen sah, ihm diese zu überlassen. „Ferdinand Maximilian war besonders ägyptenaff­in“, erzählt Hölzl. „Er war Oberbesamm­lung

fehlshaber des Heeres, Sammler und sehr an Naturwisse­nschaften und Antiquität­en interessie­rt, die er in seinem Schloss Miramare nahe Triest hortete.“Darunter auch die Geschenke von Said Pascha, die nach ihrem Umweg über Mexiko bis 1883 dort lagerten (siehe Beginn der Geschichte) . 1883 wurden alle seine Stücke in die Sammlung in Wien übernommen. „An die 2000 Objekte, darunter Supersache­n wie zum Beispiel ein etwa 4000 Jahre altes Nilpferd“, ergänzt Hölzl. Als das Kunsthisto­rische Museum 1891 eröffnete, bekam die „Sammlung Miramare“gemeinsam mit 4000 weiteren Stücken ihre Heimstatt, an der sie bis heute verblieben ist. ■

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(5) WIEN MUSEUM KUNSTHISTO­RISCHES SOMMER/ÖNB-BILDARCHIV/PICTUREDES­K.COM; HEINRICH FOTOS:

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