REISEN WIE DAMALS
Ursprünglich für königliche Familien gebaut und in den Anfängen des Tourismus das einzige Transportmittel, kommt die Dahabiya langsam wieder so richtig in Mode.
Ursprünglich für königliche Familien gebaut und in den Anfängen des Tourismus das einzige Transportmittel, kommt die Dahabiya wieder in Mode.
LEINEN LOS. 260 Quadratmeter flattern. Barfuſs versucht die halbe Crew, das Segeltuch, das sich im Wind selbstständig gemacht hat, in den Griff zu bekommen. Der Koch, der Ober, Matrosen, der Kapitän, fast jeder in langen wallenden Dschallabijas – alle helfen mit, als das Tuch der Dahabiya eingeholt werden muss. Links und rechts gleiten Dattelpalmen und Mangoplantagen vorüber, Rinder grasen ungerührt. Manchmal sieht man nur Grün, dann wieder reicht die Wüste bis zum Fluss. Hin und wieder kommt ein riesiges Kreuzfahrtschiff ganz nahe, und sehnsüchtige Blicke treffen das majestätische Segelboot, das der Ära von „Tod auf dem Nil“entsprungen scheint, einer Zeit, in der die ersten Reisenden die Wunderwelt am Nil entdeckten. Ehe Thomas Cook die Pauschalreise erfand (Seiten 92 bis 95) und seine ersten beiden Dampfer auf den Nil entsandte, war die Dahabiya die einzige Möglichkeit, Ägypten zu bereisen. Bilder an den Wänden der Pharaonen-gräber belegen, dass es die Boote seit Jahrtausenden in der einen oder anderen Form gegeben hat. Ähnliche, vergoldete Staatsschiffe wurden von den muslimischen Herrschern Ägyptens im Mittelalter verwendet. Daher kommt auch der Name Dahabiya – „die Goldene“. 1847 notierte Sir John Gardner
Wilkinson in seinem „Handbuch für Reisende in Ägypten“: „Zwanzig Tage sind ein guter Durchschnitt für die Reise von Kairo nach Theben; bei guten Winden ist es möglich, von Theben zum zweiten Katarakt und wieder zurück in zwei Wochen zu fahren, obwohl dies selten geschieht; und die geringste Zeit, Ägypten bequem zu sehen, sind drei Monate“. Wilkinson berichtet auch, dass der Dahabiya-mieter am Ende der Reise dafür sorgen musste, dass das Boot entladen und neu lackiert wurde, zudem wollte der Bootsführer beaufsichtigt sein.
ANDERE ZEITEN, ANDERE SITTEN. Heute ist der Reisende ausschlieſslich für sein Vergnügen zuständig. Die „Abundance“etwa ist 13 Jahre alt und liebevollst renoviert – mit geschmackvollen Möbeln, eleganten Stoffen, auf Hochglanz polierten Holzböden. Im Bad hängt sogar ein Wäschesack. Serviert wird an Deck, stilvoll ruft eine Glocke zum Essen. Ägyptische Leckerbissen – Humus, Babaganusch, Okraschoten, orientalischer Reis, Salate, Omeletts, Palatschinken, Feigenmarmelade, frischer Mango- und Guavensaft – werden aufgetischt. Der Ober kommt mehrmals, um „Anything more“zu fragen. Das Windspiel sorgt unterdessen für sphärische Klänge. Der Moment hat etwas Magisches. Um die 100 Dahabiyas befahren heute den Nil. „Mehr oder weniger“, sagt Captain Mohammed. Seine ist eher klein – fünf Kabinen für insgesamt zehn Personen. „Alles was länger als 35 Meter ist, ist keine Dahabiya mehr“, klärt der Kapitän auf, und Johanna Marius, die deutsche Schiffseignerin, erzählt, dass sie neben den neun Männern auch zwei Mädchen beschäftigt, die backen und die Wäsche machen. „Ich möchte Frauen unterstützen. Ihr Lohn bleibt ihnen nämlich, sie müssen nichts zum Familieneinkommen beitragen“. Meist weht der Wind von Luxor nach Assuan. Heute kommt er aus der falschen Richtung. Wir gleiten trotzdem an einem Steinbruch vorbei, dem Beiboot mit dem starken Motor, das das Segelboot jetzt zieht, sei Dank. Im Steinbruch bedienten sich bereits die Alten Ägypter, als sie die Tempel von Karnak, Luxor und Kom Ombo aus dem Wüstenboden stampften. Ein paar Säulen zeugen von der groſsen Vergangenheit. Captain Mohammed hat sich ganz vorne am Bug auf einem Teppich platziert. Um den Überblick zu haben und die Zugmaschine zu dirigieren? „Auch“, sagt er und lacht, „aber vor allem will ich die Sonne genieſsen“. Seit er zwölf ist, arbeitet der junge Ägypter auf Booten. Zuerst auf einer Fellache, dann als Skipper auf den Dahabiyas anderer Leute. Heute ist er der Kapitän der „Abundance“. In Kom Ombo liegen drei weitere Dahabiyas vor Anker, alle sind weiſs gestrichen, haben zwei Segel und schöne überdachte Sonnendecks. Ursprünglich für die Beförderung von Prominenten und königlichen Familien gebaut, kommt die Dahabiya langsam wieder so richtig in Mode .
SONNENAUFGANG. Durch die groſsen Glasscheiben lassen sich vom Bett aus die Einheimischen – Schulkinder und Arbeiter – beobachten, die in kleinen Booten von der anderen Seite des Nils übersetzen. Abends legt Mohammed an, wo es ihm gefällt. Die Dahabiya braucht keinen Hafen, keinen Pier. Im Unterschied zur Donau ist der Nil wirklich blau – kurz vor Sonnenuntergang wird er tiefdunkelblau, im Mondlicht schimmert er dann silbrig-hellblau. Der Reisende hat den ganzen Tag über nichts anderes zu tun, als aufs Wasser zu schauen und zu beobachten, wie sich die Farbe ändert. Auszeit ohne Zeitdruck. Nur der Tempel wartet, danach der Lunch, das Sonnendeck, die vorbeiziehenden Dattelpalmen und Mangoplantagen, Fischer, andere Dahabiyas, das Dinner ... Und morgen wartet der nächste Tempel, der Lunch, das Sonnendeck, ... (Ruefa biete eine Neun-tage-tour mit Flug und Dahabiya-fahrt von Luxor nach Assuan an: www.ruefa.at/angebote/details/pcaikl9/aegypten-kurz-und-luxurioes/. Johanna Marius organisiert gerne individuelle Reisen mit der Dahabiya „Abundance“und segelt im November von Luxor nach El Minja und retour: www.sail-the-nile.com)
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