WO ZAHI HAWASS NACH WEM SUCHT
„Wenn sie sich mit Geschichte beschäftigen, ist das langweilig. Man braucht Drama. Ich mache Drama“. Darum hat der Vorzeige-forscher eine Oper geschrieben.
Kairo, nahe der Innenstadt. Hier, im 9. Stock eines typischen ägyptischen Hochhauses, hat der berühmte ägyptische Archäologe Zahi Hawass sein Büro. Kleine Räume, vollgestopft mit Büchern, Aus- und Aufzeichnungen sowie Fotos. Fast alle zeigen Hawass – mit dem obligaten Indiana-joneshut. Der liegt jetzt gut sichtbar mitten im Raum auf einem Tischchen, die dazugehörige Peitsche hängt – gerahmt (sic!) – an der Wand. Hierher hat Hawass das History-magazin zum Interview gebeten.
Herr Professor, woran arbeiten Sie gerade? Zahi Hawass: An drei wichtigen Projekten: Ich grabe im Tal der Könige. Sie müssen wissen, dass das Tal der Könige in zwei Bereiche geteilt ist. Zum einen ins Westliche Tal und zum anderen ins Östliche. Im Westlichen, das auch Tal der Affen genannt wird, befinden sich die Gräber von Eje und Amenhotep III. Im Östlichen finden Sie Tutanchamun und viele andere Gräber. Im Westlichen Tal suchte ich nach dem Grab von Anchesenamun, denn ich glaube, dass sie neben Eje beerdigt wurde, mit dem sie nach dem Tod von Tutanchamun verheiratet war. Infolge einer Flut wurden viele Steine und Sand ins Tal geschwemmt. Darum arbeiten wir seit einem Jahr dort. Seit Ende Oktober 2018 arbeite ich aber auch im Östlichen Tal, gleich neben dem Grab von Ramses VII., und suche nach dem Grab von Ramses VIII. Nahe dem Grab von Hatschepsut halte ich nach dem von Thutmosis II. Ausschau. Auch die Region zwischen KV29 (Grabbezeichnung, kurz für Kings’ Valley) und Ramses IV. untersuche ich, weil dort bisher niemand nachgeschaut hat. Es ist vielversprechend, aber ich kann noch nichts verraten, weil es noch nicht bekannt gegeben wurde.
NACHGEFRAGT
Welche Gräber könnte man noch entdecken? „Hmmm, Tutmoses II. und Ramses VII. fehlen; alle Königinnen der 18. Dynastie und alle Prinzen wurden hier beerdigt. KV 25 war als Grab für Echnaton geplant, doch der ging nach Amarna und nutzte das Grab nie. Ich glaube aber, dass Nofretete irgendwo hier begraben liegt. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass sie regiert hat. Nach Echnaton änderte sie ihren Namen in Semenchkare.
Apropos Amarna-familie. Da gehörte ja auch Tutanchamun dazu . . . Ich habe zusammen mit einem italienischen Komponisten eine Oper geschrieben. „Tutanchamun“wird bei der Eröffnung des Grand Egyptian Museum 2020 aufgeführt werden. Und dann noch einmal bei der Hundertjahrfeier seiner Entdeckung 2022.
Worum geht es in der Oper? Wenn sie sich mit Geschichte beschäftigen, ist das langweilig. Man braucht Drama. Ich mache Drama: Als Tutanchamun in Amarna geboren wurde, war Nofretete (seine Stiefmutter) so was von verärgert. Sie hatte sechs Töchter, keine würde Ägypten regieren. Und da war jetzt dieser neugeborene Bub. Sie wollte ihn loswerden. Sie schrieb an den König von Kusch, der ihr helfen sollte, Tutanchamun loszuwerden. Doch Haremhap rettete den Buben.
Wissenschaftlich korrekt? Nein, wir reden hier über Drama, nicht über Wissenschaft. Wenn sie die Geschichte vortragen, wie sie war, ist es langweilig, man muss Gewürze hinzufügen!
Vor einigen Jahren wollte der britische Ägyptologe Nicholas Reeves mit Radarscans beweisen, dass das Grab der Nofretete hinter dem von Tutanchamun liegt. Was denken Sie darüber? Tutanchamun war nicht der Sohn, sondern der Stiefsohn von Nofretete, warum sollten sie sich ein Grab teilen? Es gibt keine Chance, hinter einer Felswand organisches Material auszumachen. Italienische Spezialisten haben es sich später angeschaut – nichts! Es ist nur eine Theorie. Mit Radar muss man immer vorsichtig sein. Keine Entdeckung ist durch Radar gelungen.
Wo vermuten Sie Nofretete? Wir wissen es nicht. Sie ist irgendwo im Östlichen Tal beerdigt, denn das ist der perfekte Platz für die Gräber der Königinnen der 18. Dynastie. Alle wurden dort oder im West-tal begraben. Das untersuche ich gerade.
Könnte nicht eine der bereits entdeckten Mumien Nofretete sein? Vielleicht. Wir habe eine Mumie, die neben einer kopflosen mumie inkv 21 liegt. Wir haben sie als Anchesenamun identifiziert. Wir denken, dass die alten Ägypter die Tochter neben die Mutter legten. Und Anchesenamun war die Tochter der Nofretete.