Kurier Magazine - Architektur

Otto Koloman Wagner

1841–1918

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steht für:

Wagner war der große Wegbereite­r der Moderne. Mit seinen Visionen, Entwürfen und Bauvorhabe­n prägte er das Wiener Stadtbild um 1900 – und ist damit bis heute allgegenwä­rtig geblieben.

wichtigste Bauwerke:

Postsparka­sse, Kirche am Steinhof, Wiener Stadtbahn, Bauten für die Donaukanal­Schifffahr­t, Mietshäuse­r an der Wienzeile, u.v.m.

An sonnigen tagen fängt die vergoldete Kuppel das Licht ein. Mit ihrem Dach aus Kupferplat­ten und der unter dem Gesims angebracht­en Zierleiste aus Kreuzen und Lorbeerkrä­nzen gilt die Kirche am Steinhof als eines der bedeutends­ten bauwerke des jugendstil­s. Nur rund zwei Kilometer westlich, im grünen Villenvier­tel Wiens, inszeniert sich ein Haus mit Säulen, Reliefs und Inschrifte­n nach antikem Vorbild. Beide Bauwerke sind grundversc­hieden und stammen doch aus einer hand. Die villa–heute als ernstFuchs- villa bekannt–wurde knapp vor, die Kirche knapp nach der Jahrhunder­twende errichtet, jeweils nach Plänen des großen Otto Wagner. Die Häuser zeigen die beiden Seiten eines rigorosen Baukünstle­rs, der um 1900 das allgegenwä­rtige imperiale Erbe samt nostalgisc­her Hinwendung zu Antike, Renaissanc­e, Gotik und Barock hinter sich ließ, um den Schritt in die Moderne zu vollziehen.

GUT UNTERWEGS.

„Unser Realismus, unser Verkehr, die moderne Technik, sie begehren heute gebieteris­ch die gerade Linie, und nur durch deren Anwendung können jene Verkehrszü­ge entstehen, welche keine Großstadt entbehren kann, und auch nur so werden Häuser, Straßen und Menschen zusammenpa­ssen.“Mit dieser Forderung stellte sich Otto Wagner schon 1883 einer völlig neuen Aufgabe: eine Großstadt architektu­r zu entwerfen, die die Bedürfniss­e einer wachsenden Bevölkerun­g sowie die technische­n Entwicklun­gen der Zeit beachtete. Er zielte dabei auf einen funktionel­len, aber dennoch ansprechen­den Stil ab – und kehrte damit dem Historismu­s den Rücken: Von der Ringstraße aus hatte dieses Nachahmen alter Architektu­rstile Wien längst erobert. Neben Kollegen wie Adolfloos, Joseph mariaolbri­cho der Josef Hoffmann sollte Otto Wagner zu einer neuen Baukunst finden. Sein Fokus auf Zweck, Konstrukti­on und Material trafen dabei aber auch auf Diskussion und Widerstand. Viele seiner Ideen sollten daher genau das bleiben: unrealisie­rte Visionen. Trotzdem hat der 1841 geborene Architekt das Wiener Stadtbild maßgeblich geprägt: Als einzelstüc­ke sind die Kirche am Steinhof und die Postsparka­sse ( mehr auf Seite 16) die großen Schätze seines schaffens. Bekannt sind auch diese chsgeschoß­i gen Mietshäuse­r entlang desNaschm ar kts aus seiner kurze nsec essionis tischen Phase. „Seine moderne fußte auf der europäisch­en bau tradition, war also auch dem Ornament keineswegs abgeneigt“, so AndreasNi er haus,Ku rat order Ausstellun­g„ otto wagner“imwienmuse­um, im Kurier- interview .„ Aber das Ornament war niemals kopiert, sondern wohl begründet aus der spezifisch­en funktion abgeleitet bzw. durch sie legitimier­t .“Damit unterschie­ds ich Wagner stark von anderen Jugendstil­Künstlern seinerzeit. Als städte planer wusste wagner auch um die wachsen- de Rolle des öffentlich­en Verkehrs. Von ihm stammen die stadtbahn- pläne zu den S tat ions gebäuden und den bequemen Stiegenauf­gängen zu den Brücken und Viadukten. Mit dem Auftrag zur General regulierun­g der Stadt zog er damit 1894 eines der größten Bauprojekt­en im damaligen Europa an land. Im gleichen jahr wurde er Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Bereits in seiner ersten Vorlesung forderte er eine Architektu­r, die dem modernen Leben rechnung trug. Wagners ideen waren radikal, aber man wusste stets, was man von ihm erwarten konnte.

zitiert:

„ Als alter Knabe soll ich nun zu bauen beginnen, an den Fundamente­n meines Glückes, im Spiele um des Lebens Seeligkeit (sic!) alles auf eine Karte setzen …“

Ottowagner. Diese zeilen richtet eder architekt im jahr 1880 an Luise Stiffel, sein „abgöttisch geliebtes Weib“. Vier Jahre später sollten die beiden heiraten. Für Wagner war es die zweite Ehe. Zuvor hatte er auf Drängen seiner dominieren­den Mutter die Juwelierst­ochter Josefine Domhart geheiratet. Erst als Wagners Mutter starb, ließ er sich scheiden, um Luise zu heiraten. (Der hier zitierte Brief stammt aus der Sammlung der Wienbiblio­thek im Rathaus.)

RAUM FÜR ZWISTIGKEI­TEN.

Auch wenn Wagner selbst von seinem Schaffen zutiefst überzeugt war, hatte er es nicht leicht: Als seine SteinhofKi­rche 1907 feierlich eröffnet wurde, war der große Star-gast, Thronfolge­r Erzherzog Franz Ferdinand, entsetzt. Ihm fehlte jegliches Verständni­s dafür, dass sich Wagner beim Bau der Kirche von Fragen wie Beheizung, Belüftung, Beleuchtun­g, Hygiene und nicht zuletzt von der Sichtbarke­it desprie st ers leiten ließ. So mochten die vonkoloman­mos er gestaltete­n glasmosaik­e wunderbar sein, aber die bleiglasfe­nster waren erst einmal so

konzipiert, dass sieden innenraum der Kirche optimal mit Tageslicht durchflute­ten. Wiedererke­nnbare Elemente aus dem gotischen oder barocken Kirchenbau suchte der Erzherzog da vergebens. Für wagner ward er eklat, der folgte, der Grund, weshalb ihm danach die großen, bedeutende­n Aufträge nicht mehr erteilt wurden. „Wenn man in seinem Lebenswerk­e blättert, könnte man vor Wut weinen, dass diese herrlichen Gedanken, nicht zur Ausführung kamen und welche Entwürfe den seinen vorgezogen wurden“, lamentiert­e etwa Kollege Adolf Loos 1911 über Wagners magere Auftragsla­ge. „Überall triumphier­te die Mittelmäßi­gkeit über den Künstler.“ Interessan­terweise vertrugen sich die Nüchtern- und Geradlinig­keit, die Wagner als Architekt so vehement verteidigt­e,we niger mit denir run gen und Wendungen seines Privatlebe­ns. Er hatte mit drei Frauen sieben Kinder, wobei er nur mit seiner zweiten Gattin glücklich werden sollte. Nach einer beziehung zusophiap au pie heiratete er die Juweliers tochter Josefine Domhart – auf Drängen der Mutter. Seitdem frühen tod des vaters war sie sein Ein und Alles. Seine Muse fand er aber in Luise Striffel, mit der er schon während seiner ersten Ehe ein Verhältnis einging. Aber erst als wagners übermächti­ge Mutter tot war, traute er sich, die scheidung von josef inee inzureiche­n undLuise zu heiraten. Ihr galt seine ganze Liebe, sie verehrte er ebenso kultisch wie zuvor die Mutter. Als Luise starb, zog sich Wagner vom Leben weitgehend zurück und schrieb ihr weiterhin, wie zu ihren Lebzeiten, jeden Tag einen Brief. Am 11. April 1918 starb er 76-jährig an Rotlauf.

IN STEIN GEMEISSELT.

Hundert Jahre später ist es nicht einfach, Otto Wagner, der zwischenze­itlich sogar für ein paar Jahrzehnte in Vergessenh­eit geraten war, als architekte­n oder person zu fassen. Der Mythos um den Pionier der Wiener Moderne hat ihn zu einer übermensch­lichen Figur anschwelle­n lassen. Aber vielleicht hat Wagner selbst schon am Anfang seiner Karriere einen Hinweis hinterlegt: in seiner ersten Villa. Links und rechts des säulen geschmückt­en Eingangs sind zwei lateinisch­e Inschrifte­n angebracht. Auf der einen steht „Artis sola domina necessitas“– „Die Kunst kennt nur einenherrn: dasbedürfn­is.“Diezweite verkündet fast drohend: „Sine arte sine amore non est vita“– „Kein Leben ohne Kunst und Liebe“. Die Grundpfeil­er, auf die sich Wagner privat wie beruflich stützte, scheinen damit klar: Für ihn bestand das leben aus bedürfnis, Kunst–und völliger Hingabe.

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