„Der Maverick seiner Zeit“
INTERVIEW
Was zeichnet den Architekten Frank Lloyd Wright aus? Berthold Penkhues:
Er ist der erste genuine amerikanische Architekt. Sein Wirken schon am vorabend der moderne hatte einen enormen einfluss auch auf die spätere europäische Avantgarde. Er war ein Meister darin, den „genius loci“zuerkennen und mit seiner intervention den jeweiligen ort durch architektur zu überhöhen. Auf den wunderbaren Zeichnungen vonF.L.Wrightv erschmilzt sich architektur mit der natur und Topografie des Ortes. Diese Sinnlichkeit und Anmutung kannten wir eigentlich nur aus der romantischen Land schafts mal er ei.F.L.Wrightwa rein „Maverick“seiner Zeit, der nicht an dem europäischen Beaux-art-akademismus klebte, wie viele seiner Zeitgenossen, die im 19. Jahrhundert Architektur in paris studiert hatten.
Was oder wer inspirierte ihn?
Wright sah den reichtum an inspiration im eigenen Land und konnte daraus schöpfen. Zum Beispiel die Naturverehrung der Indianer hat ihn sehr beeindruckt. Er war aber auch an neuen Technologien interessiert, eine sichtweise, die er aus derzeit, als er im büro adler und Sullivan arbeitete, mitgenommen hat. Wright war ein kompletter Architekt, der Teile und Ganzes nie aus den Augen verlor. Seine entwürfe ware nimmer ganzheitlich gedacht. Dazugehörte der Außenraum genauso wie die innere Ausstattung seiner bauten.Wright hatte einenor messen dungs bewusstsein, ja fast schon etwas sekti er eris ch es. Erlebte für die Architektur, sah es als selbstverständlich an, auch mit seinen Mitarbeitern zu chillen,wiem an heute sagt. Er liebte die öffentlichkeit, hielt gerne vorträge, schrieb seine programmatischen Ideen auf, ähnlich wie spät erle corbusi er.
Was zeichnet seine bekanntesten Bauwerke Fallingwater und das Guggenheim Museum in New York aus?
Man muss sich mal vorstellen, dass F.L.Wright bereits 68 Jahre alt war, als er das Jahrhunderthaus Fallingwater entworfen hat. Dieses Haus ist zu Recht in den olymp aufgestiegen. Es ist eingebautes gedicht, zeigt in programmatischer Weise das architektonische Denkendes meisters. Hier kommt alles zusammen. Die ideale Symbiose zwischen Natur und Architektur, auch im Material spiel und die kultivierung und Weiterentwicklung des fließenden Raumes, der schon ganz früh für Wright ein Thema war. Dieses neue räumliche denken war auch den jüngeren architekten der moderne bekannt, alswright 1910 seine berühmte„ wasmuth- mappe“in berlin veröffentlichte und die begeisterung von mies van der Rohe, Le Corbusier und anderen hervorrief, die dann dieses Thema radikal in ihren Entwürfen verfolgten.
Das Guggenheim Museum unterscheidet sich auffällig von seinen vorhergehenden Bauwerken.
Es warwrights letztes projekt. Esistder Abschluss eines neuen Formfindungsprozesses, der schon mit de nS. C. Johnson andSonCompany in 1936 begann und sich völlig von den früheren formalästhetischen Prinzipien unterscheidet. Auch hier war er wieder Ideengeber für viele architekten der 1950 er- jahre. Das Guggenheim Museum unterliegt der poetischen idee, Zeit und raum in form einer spiralförmigen ,„ gedanklich endlosen ausstellungsfläche“zu thematisieren. Diesen Gedanken haben die Architekten des Stuttgarter Mercedes Benz Museums in manieristischer Weise in For meiner doppel helix neu interpretiert.
In welcher Weise habenF.L.Wrights Visionen, die niemals verwirklicht wurden – wie „The Mile Migh“oder „The Livingcity“– diearchitekturbeeinflusst?
In seinem Buch „Usonia“äußert F.L.Wrights eine vorstellung vom zusammenleben in einer ideal stadt, wo jede rein auto und ein wohnhaus mit ca. 4000 m2g arten hat undbe zahlbar sollte es auch noch sein. Für Amerikaner eine akzeptable nenngröße aus der sicht der damaligen zeit. Sicherlich hat sich dieser Wunsch nicht eins zu eins übertragen. Aber „suburbia“und der Traum vom Eigenheim ist immer noch immanent. „Th emil ehigh“istlän gst keine utopie mehr. Schauen Sie nach Asien und Dubai.
Was ist Ihrer Meinung nach das interessanteste Bauwerk oder Projekt von F. L. Wright?
Das Haus Fallingwater ist schon ein Jahrhundert-bauwerk und äußerst komplex. Ich persönlich mag auch die Häuser, die er in den frühen 20 er- jahren in los angel es gebaut hat, sehr.
Berthold Penkhues über Bauwerke, Visionen und Vorbildwirkung und Einfluss eines architektonischen Vorreiters.
Eingangsportal. Zurückansreißbrett – zu„broadacrecity“. Diestadtselbst sollte in einer Landschaft aus sanften Hügeln, weiten Prärien, Seen und Flüssen eingebettet sein. Eine wenig überraschende Platzwahl.
NATURKULISSE.
Die möglichst nahtlose Integration des Bauwerkes in die Landschaft ist eines der zentralen Motive beiWright. Diese Gestaltungsphilo sophie kommt wohl am besten in seinem bekanntesten Werk, der für Edgar J. Kaufmann über dem Wasserfall erbauten Villa Fallingwater, zur Geltung. Das Ergebnis ist eines der faszinierendsten Häuser der USA. Mit mehreren Terrassen beugt sich das Haus bei Pittsburgh über den Wasserfall des Bear Run. Jedes Zimmer hat seine Terrasse, die meist mehr Platz einnimmt als der Raum selbst. Die Natur ist ins Haus integriert – im Wohnzimmer sitzt man auf den Felsen des Bachufers. Jährlich wird es von Zehntausenden Laien, Studenten und Architekten besucht. Nicht nur die hohe Besucherdichte macht dem Haus zu schaffen. Das Wasser nagt seit Beginn an am Beton, sodass man mit dem Ausbessern der dadurch entstandenen Risse kaum nachkommt. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses juwel der baukunst noch lange erhalten bleibt. Ebenso wie die in Sedona von Frank Lloyd Wright entworfene Holy Cross Chur ch, die in beeindruckend erweise über die roten Felsen ragt und sich gleichzeitig nahtlos einfügt. Exemplarisch sieht man das auch an Wrights Round Houses, die in seiner letzten Schaffensdekade entstanden. Ungewöhnlich war dabei eine neue, runde Formgebung, die konträr zu den bisherigen Arbeiten des Architekten stand, der mit seinem geradlinigen Prairie House Style den ersten Wohnbaustil in der postkolonialen amerikanischen Architektur geschichte begründete. Eine Hin führung auch au feine neue Form sprache, die er mit dem Bau des Guggenheim Museum abschloss. Und noch ein weiteres kapitel war abgeschlossen: die Feindschaft zur Metropole New York. Denn mit dem Museum schenkte er der Stadt nicht nur ein einmaliges und unverwechselbares Gebäude, sondern endlich auch ihren „All American Architect“.