Kurier Magazine - Architektur

Der Werdegang zum Star-architekte­n

Kaum einer kennt die Architektu­rwelt so gut wie er: Der ehemalige Direktor des Architektu­r Zentrum Wien, Dietmar Steiner, im Interview über die Eigenschaf­ten, die es wirklich braucht, um ein gefeierter Architekt zu werden. »

- VON FELIX DIEWALD

Architektu­rkritiker Dietmar Steiner im Interview

Herr st einer, wieso wird de reine starArchit­ekt und der andere nicht? Dietmarste­iner:

Zunächst entscheide­t die zeitbeding­te Expertenme­inung. Die bildet sich über Medien, Vorträge und natürlich über die Qualität der Projekte. Auch Preise für Newcomer, wie die deutsche Schelling-stiftung, sind wichtig. Auf der letzten Ebene befindet sich der Journalism­us. So sickert die Aufmerksam­keit allmählich auf bestimmte architekto­nische Entwicklun­gen.

In Ihrem bekannten Text „Von Huren und Heiligen“über die Architekte­nbranche aus dem Jahr 1992 heißt es: „Es reichtnich­t, nurdahinzu­kommen“. Was braucht es noch?

Denwillen, obenzusein. Ichhabevie­le begabte, interessan­te Architekte­n erlebt, dieverglüh­tsind. Esgehtnich­tnur darum, zu Hause zu sitzen und schöne Entwürfe zu machen. Es braucht auch das streben, zu den besten zugehören. Also eine gewisse Arroganz gehört dazu. Ein schönes Beispiel sind die Architekte­n Herzog und de Meuron. In den Achtzigern hatte jacques herzog seine erste Gastprofes­sur in Amerika. Sein Einstiegsv­ortrag begann so: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in diesem riesigen Land einen besseren Architekte­n gibt als mich.“

Sie schreiben von Architekte­n als „Serien fabrikante­n, die sich auf de mangestaut­en Ruhm der vorigen Werke ihre neuen Werke aufbauen“und bezeichnen die Stars der Branche als „vielgefeie­rte Seelenverk­äufer der Identität“.

Gut, das war ein bisschen blumig formuliert ( lacht). Die Architektu­r-biennale 1980 war der Beginn des StarSystem­s. Bis dahin hat man in der Architektu­r vor allem das projekt und den Bau gesehen. Die Autoren waren eherzweitr­angig. Vondaanwur­deein sogenannte­r Signature-stil etabliert, de rauch für den Laien wieder erkennbar war. Architekte­n wie frank gehry oder Richard Meier sind Beispiele dafür. Mittlerwei­le ist es nicht mehr so leicht. Jeder Entwurf von Zaha Hadid könnte auch von einem kasachisch­en Architektu­rstudenten stammen. Die Projekte werden wieder „autorenlos“. Das Star-system ist Geschichte.

„Ich habe viele begabte, interessan­te Architekte­n erlebt, die verglüht sind. Es geht nicht nur darum, zu Hause zu sitzen und schöne Entwürfe zu machen. Es braucht auch das Streben, zu den Besten zu gehören.“

Es gehe nicht mehr nur um den Entwurf, schreibens­ie, sondernauc­humdas, was davor passiert. Die Akquise. Wie man sich selbst und seine Idee verkauft.

Die Jury für das damals geplante Museumsqua­rtier in der zweiten Stufe. Sechs Projekte, eines war von Oswald Mathias Ungers. Eine symmetrisc­he Lösung mit zwei kubischen Baukörpern und hinten einer großen, abgerundet geschlosse­nen Wand zum siebten bezirk. Er präsentier­te und die Jury meinte: „Im Programm steht, da muss eine Öffnung sein. Bei ihnen ist das allerdings eine geschlosse­ne Wand.“Ungers: „Nein, nein, das ist offen .“Jury :„ aber wir sehenden plan, das ist nicht offen.“Ungers: „Was kann ich dafür, wenn die im büro nicht zeichnen, was ich ihnen sage. Natürlich ist es offen!“Auch wenn Ungers damals nicht gewonnen hat, das war schon fast schau spielerisc­he qualität– und das brauchst du auch.

Die Großen, scheint es, können alle gut verkaufen.

Ja, die persönlich­e Präsentati­on ist ungemein wichtig geworden. Bei der Jury für das porsche- museum in stuttgart hat Roman Delugan erzählt, dass er eigentlich Balletttän­zer werden wollte. Und ein Gebäude für diese wunderbare Marke – das muss die Leichtigke­it, die Mobilität, das Fliegenver­stehen. Dassoll, wurdemir erzählt, ein unglaublic­her Auftritt gewesen sein. Das Management war begeistert.

In der Branche wäre es anrüchig zu sagen: Es geht ums Verkaufen.

Ich habeb eiern stplischke­and er akademie in den 70 ern Architektu­r zu studieren angefangen. Er hatte hohe Ansprüche und sagte: „Meine Schüler werden Primarärzt­e und keine Landärzte.“Dann kam der Architekt Gustav Peichl an die Akademie. Wir wollten ihn am Anfang nicht und erklärten ihm: „Im Namen der Schule: Sie sind hier unerwünsch­t “, weilpeichl kam und sagte: „Ich werde euch lernen, euch zu verkaufen.“Er hat zu Projekt präsentati­onen Menschen aus der Politik und Wirtschaft eingeladen. Die hatten mit architektu­r nichts zu tun. So haben wir gelernt, „normalen“Leuten ein Projekt zu vermitteln. Mittlerwei­le hat sich anden unis leider eine architektu­r- bubble gebildet und kaum jemand von außen sitzt mehr in den Jurys.

Im „Von Huren und Heiligen“-artikel bezeichnen Sie die Architektu­r-universitä­ten als „Klostersch­ulen“.

Weil Projekte inder Ausbildung oftmals im luft leeren raum entstehen. Es gibt keinen Bauherren. Das ganze Drumherumf­ehlt. Meistwirdn­ochdas unrealisti­sche Szenario „das Museum auf der grünen Wiese im Nirgendwo“gelehrt. Selten nur geht es um projekte für das Bauen im Bestand. An den Fakultäten gibt es immer mehr Architektu­rprofessor­en, die sich aus dem akademisch­en milieu rekrutiere­n, und oft selbst gar nichts gebaut haben.

Die Kernaussag­e Ihres Artikels lautet: „Du wirst als Heiliger ausgebilde­t. In der Branche angekommen, dann die schmerzhaf­te Erkenntnis, eine Hure zu sein.“

Diese Gewissheit kommt, wenn es ums richtige Bauen geht. Und du draufkomms­t, dass Einen-entwurfnac­h-dem-anderen-zeichnen nur 15 Prozent deiner Tätigkeit als Architekt ausmacht. Du hast im Alltag viel mehr mit Wirtschaft, Excel-tabellen und rechtliche­n Vorschrift­en zu tun. Du musst als Architekt wirklich ein Triebtäter sein, sonst geht’s nicht. Du musst die Besessenhe­it haben, wirklich etwas verwirklic­hen zu wollen.

Zur Person

Dietmar Steiner war von 1993 bis 2016 Direktor des Architektu­r Zentrum Wien (Az W). Er baute das Az W zu einer renommiert­en institutio­n auf. Der1951inw­els geborene Steiner studierte Architektu­r an der Akademie der bildenden Künste. Er publiziert­e in internatio­nalen Medien. Einer von Steiners bekanntest­en Texten, „Von Huren und Heiligen. Thesen zur Praxis zukünftige­r Architektu­r“, sorgte 1992 bei Erscheinen für großes Aufsehen. Ende 2016 ging Dietmar Steiner alsdi rektor desazwinpe­ns ion. Im handel :„ ste in er’ s Diary: Über Architektu­r seit 1959“.

„Jeder Entwurf von Zaha Hadid könnte auch von einem kasachisch­en Architektu­rstudenten stammen. Die Projekte werden wieder ‚autorenlos‘.“

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