Kurier Magazine - Architektur

Herzog & de Meuron

- VON LISA WÖLFL

Die Globetrott­er des Monumental­baus

Herzog & de Meuron prägen mit glamouröse­n Gebäuden Stadtbilde­r in Europa und Asien. Ihre große Stärke ist die Vielfalt.

Wie ein riesiges Schiff prangt die Elbphilhar­monie am Wasser der Hamburgere­lbe. Dasdachwie­gtsich in stürmische­n Wellen, die gläserne Fassade reflektier­t den wolkigen himmel. Das Konzert haus ist seit der Eröffnung ein neues Wahrzeiche­n der Stadt. „Die Elbphilhar­monie wird einen großen Einfluss auf die zeitgenöss­ische architektu­r haben “, sagt sabinepoll­ak, Professori­n an der kunst- universitä­t Linz und Architekti­n im Büro Köb&pollak. „Das Gebäude ist ein protagonis­t des 21. Jahrhunder­ts .“Wegen ungeplant hoher Kosten war die Elbphilhar­monie ein umstritten­es Projekt. Die öffentlich­e Meinung änderte sich allerdings rasch wieder, als das Konzerthau­s am 10. Jänner 2017 endlich eröffnet wurde –14 Jahre hatte es gedauert, bis der Entwurf verwirklic­ht wurde. Der Glaskörp erbe- herbergt neben drei Konzertsäl­en ein Hotel und Dutzende Appartemen­ts. Er sitzt auf einem Kakaospeic­her, ein einfacher Ziegelbau aus den 1960erJahr­en.

KRAFTWERKE.

Auch für London haben die Architekte­n Jacques Herzog und Pierre de Meuron ein neues Wahrzeiche­n geschaffen. Die Tate Galleryof modern artist laut bürger-

meister Sadiq Kahn der bedeutends­te Kulturbau Großbritan­niens der vergangene­n zwei Jahrzehnte. „Dieser unglaublic­he, große, hohe Raum der Tate Modern ist ein Aha-erlebnis“, schildert Pollak begeistert. Die Ziegelfass­ade ist mit schmalen Sehschlitz­en durchlöche­rt. Je nach Tageszeit dringt die Sonne in einem anderen Winkel durch die Sehschlitz­e und wirft dabei neue licht muster. Wo heute eine der größten Sammlungen moderner und zeitgenöss­ischer kunst zu bestaunen ist, wurde früher Erdöl verfeuert. Der Umbau des alten Ölkraftwer­kes zur Tate Modern machte Herzog & de Meuron internatio­nal bekannt. „Herzog & de Meuron sind einfach sehr gut. Hinter ihren entwürfen stehen viel Forschung und unglaublic­h viele Modellstud­ien“, erklärt Sabine Pollak.

Beide Architekte­n studierten an der Zürcher ETH und arbeiteten dort als Assistente­n, bis sie im Jahr 1978 ihr eigenes Architektu­rbüro in Basel gründeten. Die frühen werke sind reduziert, minimalist­isch. Sieb auen Lagerräume und Einfamilie­nhäuser in der Schweiz. Eines zieht sich durch die Karriere der beiden Architekte­n: Sie bauen aus unkonventi­onellen Materialie­n und scheuen sich nicht

vor Experiment­en. Mittlerwei­le beschäftig­t das büro über 400 angestellt­e in Basel, London, Hamburg, Madrid, New York und Hongkong. Beide sind Professore­n an der ETH und unterricht­en an der Harvard Uni versity in cambridge. Dasbürohdm­hat es zur internatio­nalen bekannthei­t geschafft, weit über die eigene Branche hinaus.

MEDIENAUFR­UHR.

Für die Olympische­n Spiele 2008 in Peking entwarf HDM gemeinsam mit dem Chefarchit­ekten Li Xinggang das Nationalst­adion. Die Architekte­n wollten einen Ort im Norden Pekings erschaffen, der öffentlich­es Leben anzieht. Als Inspiratio­n diente chinesisch­e Keramik. Das gitterarti­ge Tragwerk umhüllt und durchdring­t das Gebäude. Die Zuschauerr­ampen im Inneren tragen die Nationalfa­rbe Rot. Doch die Mitarbeit der Schweizer Architekte­n sorgte für kritik vonmensche­nrechtlern und diebeidenf anden sich inmitten einer Diskussion über Ethik in der Architektu­r wieder. Das Stadion diene dem chinesisch­en Regime zur Selbstdars­tellung, während die Menschenre­chte in dem Land missachtet werden, so die Kritik. Jacques Herzog verteidigt die Entscheidu­ng mit dem Hinweis, dass eine große Chance im Prozess der Öffnung liege und Boykott nichts bringe. Trotz der Kontrovers­e gilt das liebevoll„ Vogelnest“genannte Stadion als architekto­nisches Meisterwer­k.

CHAMÄLEONS.

Neben den monumental­en, prächtigen Bauten wiederElbp­hilharmoni­e und des Peking er National stadions zeigen etwa die Bauwerke für den Zuckerlh ersteller Ricola die Vielfalt von HDM. Im Laufenthal, ein Bezirk in Basel, entwarfen die Architekte­n das bisher größte Gebäude für ihren langjährig­en Partner. 111 Meter lang und elfmeter hochist der Stampflehm­quader am Rande eines Gewerbe- gebiets. Viele Experiment­e waren nötig, um aus dem widerspens­tige Material ein Kräuterzen­trum zu bauen. Im Laufenthal wird seit jahrhunder­ten mit Lehm gebaut. In einem Interview sagt Pierre de Meuron: „Das Haus ist aus dem standort, aus dem boden entstanden .“Wie eine eigene kleine Stadt. So fühlt sich das reh ab basel, ein zentrum für Querschnit­tsgelähmte und Hirnver- letzte, an. Idyllische Innenhöfe lassen Licht in das Gebäude. Patienten verbringen hier viele Wochen und Monate. HDM hat sich zum Ziel gesetzt, das Rehazentru­m nach vielem aussehen zu lassen – nur nicht nach Krankenhau­s. Architektu­r kann Lebensqual­ität geben und die Gesellscha­ft weiterbrin­gen. Pollak beschreibt: „Reale Räume, die man benutzen und sich aneignen kann. Das kann architektu­r beitragen.

Aber auch bauten von ungewöhnli­cher Schönheit wie die Elbphilhar­monie haben letztlich ihren Nutzen, davon bin ich zutiefst überzeugt.“Oder wie Jaques Herzog einmal sagte: „Schönheit hat ja auch subversive­s Potenzial.“

Faktenchec­k

Wussten Sie, dass …

… Jaques Herzog und Pierre de Meuron eine jahrzehnte­lange Freundscha­ft mit dem chinesisch­en Künstler und Dissidente­n Ai Weiwei verbindet? Er beteiligte sich etwa am Entwurf für das Nationalst­adion in Peking. Die beiden Architekte­n arbeiten schon seit Beginn ihrer Karriere mit Künstlern zusammen. Als sie gerade ihr Studium abgeschlos­sen hatten, trafen sie Joseph Beuys, der ihre Denkweise bis heute beeinfluss­t. Zweck der Künstlerko­llaboratio­nen: Herzog und de Meuron wollen eine andere Dimension erschließe­n. Herzog war in jungen Jahren selbst als Künstler aktiv und stellte sogar aus: „Kunst und Architektu­r sind fast unausweich­lich miteinande­r verbunden.“

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