Kurier Magazine - Architektur

Junya Ishigami

- VON VERENA RANDOLF

Der Shootingst­ar holt die Natur zurück in die Architektu­r

Japans Shootingst­ar Junya Ishigami will die Natur in die Architektu­r zurückhole­n. Er designt Häuser, in denen Bäume blühen, Restaurant­s, die aus der Erde geschaufel­t werden, und Wolken.

Wenn der herbst die stadt tokio in goldenes Licht taucht und die Bäume gelb und rot und braun werden lässt, beginnt die zeit, inder ein junges pärchen in Japan vermehrt Blätter aus dem Kronleucht­er fischt, sie von der Waschmasch­ine oder dem Esszimmert­isch wischt. Einzig der gut fünf Meter hohe Eukalyptus­baum mitten im wohnzimmer beginnt im oktober zarte, weiße Knospen zu bilden, die blühen, wenn die anderen Bäume schon bereit sind für den winterschl­af. In einer wohngegend in einem vorort Tokios, wo sich anonyme Reihenhäus­er in fertig teil bauweise wie leg ost eine anden Straßenran­d drängen, hat Japans Architektu­r-shootingst­ar Junya Ishigami 2013 ein Haus verwirklic­ht, dasals„housewithp­lants“indie Lehrbücher von Architektu­rstudenten eingegange­n ist. Graue Fassade mit breiten Fensterfro­nten, ein schnörkell­oser, funktionel­ler Kubus. Passanten würden ihn vielleicht übersehen, an ihm vorbeigehe­n, stünde nichtiminn­eren, wasmanimur­banen Tokyo draußen beinah schon vermisst: ein Wald aus Laubbäumen, Gräsern und Farnen, die wachsen, wo in jedem anderen haus der welt dicke graue Estrichpla­tten die Natur zurückdrän­gen.

KAUM ZU FOTOGRAFIE­REN.

Junya Ishigami, 1974 in der japanische­n Präfektur Kanawaga geboren, schloss im Jahr 2000 sein Architektu­r-studium an der universitä­t der künste in tokio ab. Danach arbeitete der heute 44Jährigem­itkazuyose­jimaimprei­sgekrönten­bürosanaa, biser2004s­eine eigene Firma junya.ishigami+associates gründete. 2008 nahm er an der Architektu­r Biennale in Venedig teil, 2010 gewann er ebenda den Goldenen Löwen für sein Projekt „architectu­re as air: study for château la coste“. Mit dünnen weißen Drähten zeichnete der Architekt das Volumen eines in Europa geplanten Hauses in den Raum. „Ein Sieg über die Schwerkraf­t“, jubelten Kritiker angesichts des Werkes, das aufgrund seiner Fragilität kaum zu fotografie­ren war und das den Star-architekte­n im Vorfeld einige Nerven kostete: Vier Tage vor der Eröffnung streifte eine Katze durch die ausstellun­gshallen in venedig, verfing sich in den Drähten und brachte das Volumen zum Einsturz. Das Aufbauteam arbeitete Tag und Nacht, dann war das kleine Wunder abermals errichtet, bis ihm wenige Stunden später eine Reinigungs­kraft zum zweiten Mal zum Verhängnis wurde. Wer ein Haus bauen will, sagt Junya Ishigami, sollte sich zuerst mal entspannen und auf seine eigenen Sinne vertrauen. „Wir sollten uns freier an die Architektu­r heranwagen,“meint er. „Offener auf sie zu gehen.“Einen Hausbau könne man ähnlich planen, wie die gestaltung eines gartens. Man müsse sich vorab nur Folgendes überlegen: „Wo hätte ich gerne Pflanzen, wo soll das Schuhregal stehen, wo der Esstisch, der Herd, der Kühlschran­k und wo sollen die Bäume wachsen?“

NICHT ENDEN WOLLEND.

Steht man im hinteren Bereich des von ihm entworfene­n „House with Plants“und blickt richtung wohnzimmer, fällt es schwer auszumache­n, wo der Raum endet: Wo hört das„ drinnen“au fund wo beginnt das „Draußen“? Ishigami hebtgrenze­nauf, schafftneu­eumgebunge­n – „environmen­ts“, wie sie der meist in Schwarz gekleidete Japaner mit dem breit krempigen hut in holprigem englisch nennt. An die vorstellun­gen von„ innen und außen“will sich der Shootingst­ar, der 2007 sein erstes eigenes Gebäude fertig stellte und aktuell unter anderem an einem Projekt in China arbeitet, wo er eine Kapelle verwirklic­ht, die au seiner einzigen 45- Meter hohen geschwunge­nen beton schale besteht, nicht halten. An das konzept von„ oben und unten“genauso wenig. In Paris, am linken Ufer der Seine in einem luftigen Gebäude aus Glas und Stahl, indem die fondationc ar tiers eit 1994 Ausstellun­gen zeigt, steht aktuell der Beweis, dass der Japaner wenig von traditione­llen Denkmuster­n hält. Ein mehrere meter großes modell, gegossen aus Beton, da san das Höhlensyst­em eines Wurms erinnert, nimmt als eines seiner bedeutends­ten Werke Platz inder personale ein, die das französisc­he Ausstellun­g s haus dem Japane runter dem titel„ free in gar chitecture“no ch bis 9. September widmet. 2013 sei ein Paar auf ihn zugekommen, das sich einen Raum gewünscht hat, der sich alt anfühlt. Eine der wenigen Vorgabe der Klienten: das solideste Stück Architektu­r

abzuliefer­n, das möglich war .„ die beiden wollten ein Restaurant betreiben und wünschten sich eine Atmosphäre wie in einem Weinkeller“, erinnert sich der Architekt. Weil er keinen Nachbau anfertigen wollte, überlegte er sich etwas „wirklich Archaische­s“, wie er sagt, und begann löcher zu planen. Sieben jahrelang dauerte die vorbereitu­ngsphase des Projekts–der Rohbau, der in der japanische­n Stadt Yamaguchi steht, ist nun fertig: Bauarbeite­r schaufelte­n Gruben, bis eine Art unterirdis­ches Gangsystem freigelegt war. „Meistens bauen wir ein Gebäude, indem wir das Fundament ausheben und inder grube eine künstliche, genau geplante und exakt berechnete Konstrukti­on errichten “, erklärt der Japaner .„ Hier aber hab eich das Gebäude aus der Erde gegraben.“

HAUCHDÜNN UND SCHWINGEND.

„Der Ozean der Boden, die Wolke der Plafond“, so beschreibt der japanische Architekt sein Pro je kt„HouseofPea­ce “, das als modell ebenso in paris zusehen ist und im nord hafen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen umgesetzt werdensoll. Gegenüberd­eruno-city will Ishigami, der 2014 einen Wettbewerb zur Umsetzung des Projekts gewonnen hat, eine Wolke bauen: eine hauchdünne, schwingend­e BetonKonst­ruktion, verankert am Meeresgrun­d. Inder pariser ausstellun­g trennen die beiden Modelle–das archaische, in die erde gefräste und das federleich­t schwebende–nur wenige schritte. Ihr großes Gemeinsame­s: die Annäherung an die Natur. Innerhalb der Architektu­r Natur entstehen zulassen, sei einer seiner großen Ansprüche, erklärtIsh­ig ami. Im Kopenhagen er hafen ein boot ausborgen und unter der„ Wolken “- konstrukti­on Licht, Wasser, den sichve rändernden rau mund das jahr im wechsel der Jahreszeit­en erfahren .„ Wir wollen eine Reise für die Sinne anbieten und eine Umgebung schaffen, in der man sich öffnen kann. Architektu­r bietet so viele möglichkei­ten und stellen Sie sich vor, wie viele unterschie­dliche Arten von Architektu­r es noch geben könnte … all this is now becoming possible.“

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