Interview
Tu-professorpetermörtenböcküberdiezukunftderarchitektur
Herr Mörtenböck, was kommt demnächst auf uns zu? Peter Mörtenböck:
Architektur wird immer grüner und intelligenter. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das „Bosco Verticale“von Stefan Boeri in Mailand. Ein Wohnhaus mit begrünter Fassade und Bäumen in den Balkontrögen. Es ist ein Aushängeschild für all das, was in einer dicht bebauten Stadt möglich ist. Mittlerweile gibt es viele Nachahmer – in Chi- na werden ganze Städte nach diesem Muster gebaut.
Was ist das Besondere an dem Gebäude?
Das Bosco Verticale hat eine außergewöhnliche Bildhaftigkeit. Ich war vor einem Jahr selbst dort und habe Hunderte Fotos geschossen. Es ergaben sich immer wieder neue Blickwinkel.
Diezukunftderarchitektur: Petermörtenböck, Professoran dertuwien, überbaumFassaden, neuebilderwelten, Google-stadtviertelundeinen unterirdischenpark, dergar nichtexistiert.
Das zeigt sich auch in den sozialen Medien wie Instagram oder etwa
Pinterest. Sie sind voll mit Fotos davon.
Darum erfährt grüne architektur gerade einender artigen boom: Durch sie ist möglich, etwas Neues, Bildhaftes, sehr plakativ auf einem Foto mitzuteilen.
Soziale Medien transportieren Architektur von einem Ort zum anderen.
Auf der ganzen welt ist eine kenntnis über das Bosco Verticale vorhanden. Obwohl die meisten gar nicht selbst in Mailand waren, haben wir alle das Gefühl: Wir kennen das. Soziale Medien vermitteln uns ein gefühl von Vertrautheit, ein Gefühl von Nähe.
Beim Bosco Verticale kommen keine herkömmlichen Baumaterialien zum Tragen.
Beton und Ziegel sind am Verschwinden. Die wichtigsten Baumaterialien der Gegenwart sind Bäume, Pflanzen – und es sind Daten.
Auch die Art, Architektur zu vermitteln, hat sich verändert.
Wir sehen weniger die Fassaden, die Struktur und die raumaufteilung. Die Quadratmeter rücken in den Hintergrund. Wir sehen Luxus-wohnhäuser wie die „Embassy Gardens“in London, die zum Verkauf stehen. Bei denen ist aber nicht die MillionenEuro-wohnung zu sehen. Groß im Bild sind vielmehr Menschen und Cappuccino-tassen.
Wieso das?
Es solle in Lebensgefühl transportieren. Da steckt kalkül dahinter. Wenn Immobilienmakler ihr Gebäude so anbieten, geht es um ganz konkrete Werte. Auch wenn die CappuccinoTasse nicht viel wert ist, spielt sie im Leben von Menschen, die täglich viele Stunden auf Instagram verbringen, eine enorm wichtige Rolle.
Wie verändern diese global zirkulierenden Bilder die Architektur?
Wir haben noch ein sehr altes Modell der Architektur produktion im Kopf. Wir glauben, Architekten entwerfen Gebäude, bestimmen Trends und Formen. Doch unser modernes architektur verständnis ist heute stärker geprägt durch all jene, die Bilder und Gefühle anbieten können, etwa internationale Immobilien entwickler. Sie haben das Potenzial und die Kraft, stilistisch prägend zu sein.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist Toronto. Hier entwickelt die Suchmaschinenplatt formGoogle gerade ein komplett neues Stadtviertel auf einem ehemaligen Industriegelände.
Das Spannende dabei ist, dass es vom privaten in den öffentlichen Raum übergeht. Hier werden Interessen berührt, für die früher die Stadt reglementierend zuständig war. Es kommt in Toronto auch zu Konflikten, weil Google die stadt ohne vorher zu fragen vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Digitalkonzerne wollen wissen, wie Städte darauf reagieren. Bisher gibt es keine Erfahrungswerte.
Birgt ein rein von privater Hand gebautes Stadtviertel auch Risiken?
Wir wissen aus der Geschichte, dass Wohnraum, der von Fabrikbesitzern gebaut wurde, nicht mehr funktioniert, wenn sich das ökonomische Modell ändert. Detroit, einst gebaut für die auto industrie, ist ein gutes beispiel. In unserer post industriellen Gesellschaft haben wir ganz andere Lebens- und Arbeitsformen als vor einigen Jahrzehnten. Heute funktioniert die infrastruktur in detroit nicht mehr.
Was lernen wir daraus?
Wir sollten Plattformen wie Google, Facebook und Apple nicht komplett freie Hand geben, wenn sie in Zukunft Städte bauen. Es braucht ein Regulativ, damit die Infrastruktur auch weiterhin funktioniert, wenn sich die Plattformen verändern.
Neben den Digital plattformen müssen auch Architektur und Bevölkerung eigene Bilder und Visionen entwickeln.
Ein tolles beispiel dafür sind teddy cruz undfonnaforman und ihrEnt wurf für dieUs- mexikanische Grenze. Die ist ja ein Bauwerk, eine Mauer. Und im neuen amerikanischen Selbstverständnis eigentlich die neue heimliche hauptstadt. Wenn diese bilder der mauer zirkulieren und sich in den Köpfen festsetzen, dann muss es der Architektur auch möglich sein, sie zu verändern.
Die beiden Architekten stellen nicht die Grenze als Linie in den Vordergrund.
Ihnen geht es um diege samt eG renz region, inder unterschiedliche menschen gemeinsam leben, die jeden tag von Land zu Land pendeln. Der Entwurfsiehte in eG renzstation vor, die aber vielmehr ein co mm unity-zentru mist, in der unter anderem eine Universität untergebracht ist.
Eine andere neue Bewegung in der Architektur hat mit ihrer Finanzierung zu tun: Crowdfunding.
Es gibt ein Projekt, das ich faszinierend finde, weil es die aktuellen Trends vereint: dieLowLine inder New Yorkerlowereastside. Eine ehemalige straßenbahn remise, in der ein Untergrundpark entstehen soll. Durch ein kompliziertes Spiegelsystem wird Tageslicht ins Innere gebracht und eine Grünoase geschaffen. Sie soll ein Gegenstück zur bekannten New Yorker Highline sein ( eine ehemalige Güterzug- Trasse, die zu einem Park umfunktioniert wurde, Anm.).
Bisher existiert die Low Line allerdings nur als Modell.
Es ist bisher nur eine Idee und es gibt ein Crowdfunding, um zuerst den Prototypen und letzten Endes auch tatsächlich den Untergrundpark zu finanzieren. Aber mittlerweile hat sich um das Projekt eine Art Kult entwickelt. Das Stadtviertel, in dem das Gelände liegt, hat dadurch eine aufwertung erfahren. Menschen fahren hin und suchen die Low Line.
Glauben Sie, dass sie verwirklicht wird?
Meiner Meinung nach ist es ganz egal, ob die Low Line tatsächlich gebaut wird. Ihre Wirkung – dass Menschen sehen, sie können mitmachen und die Stadt verändern – die hat sie schon jetzt entfaltet.