NIE WIEDER ZINSEN?
Sparern drohen japanischeverhältnisse mit Nullzinsen über Jahrzehnte hinweg. Wer nochchancen auf positiverenditen haben möchte, kommtan Aktien und Immobilien kaumvorbei. Entscheidend ist dort aber, nicht zu viel Risiko einzugehen.
» Eine Schallmauer wurde durchbrochen: Ende September überstieg das private Geldvermögen in Österreich erstmals die gewaltige Summe von 700Milliarden Euro. Doch es erwirtschaftet viel zu niedrige Erträge: 159 Milliarden davon liegen auf täglich fälligensparbüchernoderkonten praktisch unverzinstherum. Fürneueinlagen unter einem Jahr Bindung werden laut Statistik der Nationalbankimschnittnurnoch0,12prozent Zinsen gezahlt. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es immerhin noch 2,24 Prozent ( siehe Grafik). Weitere 100 Milliarden liegen auf länger gebundenen Sparbüchern. Doch auch da ist kaum mehr zu holen. Ähnliches gilt für Anleihen und klassische Lebensversicherungen, die unter den tiefen Zinsen leiden.
Und die Hoffnungen, dass die Zinsen in absehbarer Zeit wieder ordentlich steigen, gehen gegen Null. Drohen uns japanische Verhältnisse? Dort gibt es schon »
VERLUSTGESCHÄFT.
seit 20 Jahren keine Zinsen mehr. Die Antwort: Vermutlich ja. Das sagen zumindestdiefinanzmärkte, wennsie auf das künftige Zinsniveau wetten. Constantin Veyder-malberg, Vorstand der Capital Bank: „Uns wurde vorkurzemeinzinskontraktangeboten, bei dem die Zinsen noch 50 Jahre lang bei null liegen.“Zehnjährige österreichische Staatsanleihen sind bei einer Rendite von minus 0,2 Prozent sogar ein sicheres Verlustgeschäft. Banken zahlen noch mehr drauf: Die Europäische Zentralbank (EZB) kassiert von Banken, die dort überschüssige Liquidität parken, bereits ein halbes Prozent Minuszinsen. Und es gilt als ausgemacht, dass die am 1. November neu angetretene Ezb-chefin Christine Lagarde die Strafzinsen für Bankennochweiteraufminus0,6prozent verschärft. Selbst Strafzinsen für
Bankeinlagen sind wohl nur eine Frage der Zeit. Vorläufig schütztnoch ein Urteildesoberstengerichtshofes privatesparervorminuszinsen. Dochdas gilt nicht für sonstige Bankeinlagen. Und es hindert Banken wohl auch nicht, künftig Gebühren für Spareinlagenzuverrechnen, wasletztlichauch Minuszinsen bedeutet. Selbst wer das Geld unter dem Kopfpolster vor Strafzinsen schützen will, könnte am Ende zur Kasse gebeten werden, wenn es wieder in den Bankkreislauf fließen soll. Capital-bankVorstand Veyder-malberg: „Es gibt schon Diskussionen, dass die EZB künftig größere Einzahlungen mit einer Gebühr belasten könnte.“Oder sogar im Extremfall dem norwegischen Vorbild folgen könnte. Dort wurden im Vorjahr kurzerhand die Banknoten in neue umgetauscht, die alten wurden innerhalb eines Jahres
„Gold, Immobilienaktien und Us-anleihen können das immervorhandeneaktienrisiko reduzieren.“
Klaus Kaldemorgen, DWS- Anlagestratege
ungültig. Nach dem 30. Mai 2018 konntendie alten Scheinenurnochbis zu einer Höhe von 10.000 Kronen in der Notenbank umgetauscht werden, das entspricht umgerechnet weniger als 1.000 Euro. Wohlgemerkt, solche Szenarien sind vorläufig nur Schreckgespensteundkeineunmittelbaregefahr. Großebargeldmengenimtresor oder sonstwo vor Minuszinsen zu retten, macht aber schonalleindeswegen keinen Sinn, weil man das Geld nur noch schwer wieder einzahlen kann, ohne unter Geldwäscheverdacht zu geraten.
Die größte Gefahr für das Ersparte ist aber die Inflation. Bei null Zinsen und einer Geldentwertungvonzweiprozenthalbiert sichdie Kaufkraft des Vermögens in 35 Jahren, also inetwa einer Generation. Die 260 Milliarden Euro Privatvermögen
KAUFKRAFT.
auf Banken sind also von akutem Wertverlustbedroht. Dasgiltauchfür Anleihen. Manfred Huber, Chef der Euram Bank: „Mit Euro-staatsanleihen gibt es nicht einmal die Möglichkeit, nominell irgendetwas zu verdienen.“Und bei sicheren Unternehmensanleihen sieht es kaum besser aus, dazubestehtdiegefahrvonkursverlusten. Huber:„frühersprachman von risikolosen Zinsen, heute gibt es das zinslose Risiko.“Deshalb machen Sparbücher durchaus weiter Sinn als Liquiditätspolsterundfürdenteil des Geldes, der keinerlei Kursschwankungen ausgesetzt sein soll. Für die langfristige Vermehrung des Vermögens kommen Anleger aber nicht mehr um Investments herum, die noch Chancen auf reale Renditen bieten. Dazu gehören, so der renommierte deutscheökonom »
„Esmacht keinen Sinn, auf der Flucht vor Negativzinsen größere Mengen Geld in den Tresor zu legen.“
Constantin Veyder- Malberg, Vorstand Capital Bank
Michael Heise, vor allem Aktien und Immobilien. Beide Anlagekategorien profitieren gleich doppelt von der Zinsflaute: Erstens sinken die Kosten der Unternehmen oder der Immobilienbesitzer für die Finanzierung der Schulden, wasdiegewinnepositiv beeinflusst. Zweitens steigt ausdemanlagenotstandherausdienachfrageder Investoren, die nicht mehr länger zuschauen wollen, wie ihr Vermögen laufend entwertet wird. Sohört Heise, bis vorkurzem Chefvolkswirt des Allianz Konzerns, dass die Allianz und andere Großinvestoren planen, große Summen amimmobilienmarkt zu investieren. Ernst Vejdovszky, Chef der S Immo: „Große Immobilienpakete werden bereits mit einem deutlichen Aufschlagvonzehnprozentundmehr über demwert der einzelnen Immobilien gehandelt.“Das verleiht auch den österreichischen Immobilienaktien kräftigen Rückenwind. Der IATX als Index der fünf wichtigsten Wiener Immo-papiere legte heuer 35 Prozent zu. Allerdings werde die Luft amösterreichischenwohnungsmarkt schonsehrdünn, sos-immo-chefvejdovszky. Die S Immo kauft deshalb neue Wohnimmobilien vor allem in deutschen Städten aus der zweiten Reihe wie Erfurt, Kiel oder Leipzig. Dort ist der Quadratmeter in zentrumsnahen Gründerzeitvierteln noch für weniger als 1.800 Euro zu haben.
Dies entspricht Mietrenditen von rund fünf Prozent. Davon können Käufer in Wien oder Salzburg nur träumen.
Gutesgeldverdienen konnte man heuer mit Aktien. Nach dem schlechten Aktienjahr 2018 ging es wieder kräftig nach oben. Mit einem Weltaktienmix konnten Euro-anleger in den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 einen durchschnittlichen Gewinn von 21,7 Prozent erzielen, Wiener Aktien liegen mit plus 13 Prozent ebenfalls zweistellig im Plus (siehe Grafik). Doch womit ist im kommenden Jahr zu rechnen? Werdensich diedunklen Wolkenamkonjunkturhimmelweiter verfinstern? Das hängt, so Raiffeisen-chefanalyst Peter Brezinschek, entscheidend von den politischen Rahmenbedingungen ab, etwa der Entwicklung beim Brexit und noch
WELTAKTIENMIX.
wichtiger, beim Handelskonflikt Usa-china. Beide Themen haben heuer die Weltwirtschaft stark belastet. Brezinschek geht jedenfalls davon aus, dassus-präsidentdonaldtrump im Wahljahr 2020 irgendeine Einigung mit China erzielen wird, um seine Chancen auf eine zweite Amtszeit zu erhöhen. Euram-bank-chef Huber: „Wahljahre waren in den USA traditionell gute Aktienjahre.“Auch Klaus Kaldemorgen, Manager des Mischfonds DWS Concept Kaldemorgen und einer der erfahrensten Anlagestrategen Deutschlands, rechnet damit, dass die Aktienkurse in zwölf Monaten höher stehen als heute. Doch die entscheidende Frage sei, so Kaldemorgen, wie man das immer vorhandene Aktienrisiko so reduzieren kann, dass es für Privatanleger in vertretbarengrenzenbleibt. Er rät bei Aktien zu einer Basis aus soliden Dividendenaktien und grundsätzlich eher zu Dienstleistern als zu Produzenten, weil Dienstleister weniger konjunkturanfällig seien. Generell sollten Anleger auf digitale Geschäftsmodelle setzen und dafür Unternehmen meiden, die unter dem Klimawandel leiden. Außerdem gebe es noch einige Möglichkeiten, die als Beimischung die Stabilität des gesamten Anlagedepots gerade in schwachen Börsenphasen erhöhen können. Dazu rechnet Kaldemorgen prinzipiell Cash, USStaatsanleihen, Gold, Immobilienaktien und auch Währungen wie Franken, Us-dollar und Yen, die in Krisen traditionell als sichere Häfen gelten. Fazit: An Aktien kommen Anleger langfristig kaum vorbei, wichtig ist aber ein möglichst stabiler DepotMix. – MARTIN KWAUKA