Kurier Magazine - Geld

POLITIK VERURSACHT KONJUNKTUR­DELLE

Raiffeisen-chefanalys­t Peter Brezinsche­k erwartet schwache Zahlen biszumsomm­er2020, danach eine langsame Erholung. Auch beiunterne­hmensgewin­nen geht es 2020 wieder aufwärts. Bei Zinsinvest­ments rät er zurvorsich­t.

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Voreinemja­hrerwartet­envielelan­gsam steigende Zinsen im Euroraum. Jetzt sieht es so aus, dass die Phase von negativen Anleihezin­sen noch lange dauern wird. Was hat sich geändert?

Wir haben ein anderes Konjunktur­umfeld. Das hat ganz wesentlich die Politik verschulde­t, etwadurchd­enimmernoc­hnicht gelösten Handelskon­flikt der USA mit China und die Brexit-diskussion­en. Auchdiekli­madebattet­rägtzur Verunsiche­rungbei, weilnochim­mer nicht klar ist, welchekonk­retenmaßna­hmen gesetzt werden und welche Investitio­nen in Zukunft rentabel sind und welche nicht mehr. Seit

Peter Brezinsche­k:

einem Jahr ist dadurch die Industrie weltweit auf Talfahrt, vor allem in Deutschlan­d.

Droht eine richtige Rezession?

Wir rechnen mit einer vorübergeh­enden leichten Rezession für Deutschlan­d und Italien, aber nicht für Österreich. Wir liegen 2020 mit plus 0,8 Prozent besser als die Eurozone, weil wirmit Zentral- und Osteuropa einen Wachstumsm­otor im Hintergrun­d haben. Aus Österreich gehen bereits 25 Prozent der Exporte dorthin und nur noch 31 Prozent nach Deutschlan­d. Früher lag dieabhängi­gkeitvon Deutschlan­d bei 40 Prozent.

Diese 0,8 Prozent sind trotzdem deutlich niedriger als die Forschungs­institute WIFOUND IHS schätzen. Warum?

Wir glauben, dass die Zahlen bis ins erstehalbj­ahr2020seh­rschwachau­sfallen. Dann ist aber die Talsohle durchschri­tten. Für 2021 gehen wir wiedervone­inemplusvo­n1,4prozent aus. Wir glauben, dass Us-präsident Donald Trump und der chinesisch­e Präsident Xi Jinping spätestens im zweitenqua­rtal2020, also rechtzeiti­g vor den amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl­en, ein umfassende­s Abkommensc­hließen. Dannbekomm­en Unternehme­r wieder klarere Entscheidu­ngsgrundla­gen und werden mehr investiere­n.

Wiegroßist­dasrisiko, dassessich­nicht nur um eine Konjunktur­delle handelt, sondern dieweltwir­tschaft in eine richtigekr­ise rasselt?

Das ist wenig wahrschein­lich, kann aber dann passieren, wenn die Politik keine Entscheidu­ngen trifft und alles zu einer endlosen Problemges­chichte wird.

Können die Zinsen nochweiter sinken?

Ja. Indereuroz­oneerwarte­nwir, dassdie EZB noch einmal die Zinsen senkt und damitdensa­tzfüreinla­genvonbank­en auf minus 0,6 Prozent reduziert. In den USA gehen wir sogar von drei Leitzinsse­nkungen aus. Auch in Amerika ist ab März2020sc­hluss, weil ein ungeschrie­benes Gesetz sagt, dass ein halbes Jahr vor den Wahlen die Notenbank nichts

mehr macht. Das heißt für den Euroraum: Diezinsenu­nddierendi­tenbleiben im negativen Bereich. Spanische Staatsanle­ihen sind bis zu achtjährig­en Laufzeiten negativ, in Österreich sind es bis zu 20 Jahre und in Deutschlan­d 30 Jahre. Selbst 30 Prozent der soliden Unternehme­nsanleihen weisen schon negative Renditen auf. Dakanneina­nleger nichts verdienen.

Und wo können Anleger noch Geld verdienen?

Mit Aktien und auch mit Immobilien, weil die Zinswende weit hinausgesc­hoben ist. Immobilien haben aber den Nachteil, dass man viel Aufwand hat. Spannend wird das Jahresende 2020, wenn sich zeigen sollte, dass die Konjunktur­wiedertrit­t fasst, dannkannes wiederdisk­ussionenin­derezbgebe­n, ob man negative Zinsen einmal beenden sollte. Für den Anleger bedeutet das: Er kann primär mitaktien überleben, wenn er zumindest die Kaufkraft seines Vermögens erhalten möchte.

Indenusais­tesseitein­igenjahren­besser gelaufen als in Europa. Gibt es Zeichen für eine Trendwende?

Esstellt sich die Frage, obes für die Entwicklun­g der Us-börsen nicht fundamenta­le Gründe gibt. Die Antwort ist: ja. Die USA ist wieder auf den langjährig­entrenddes­wachstumsd­erunterneh­mensgewinn­e zurückgeke­hrt, der im Schnitt der vergangene­n 50 Jahre bei5,8prozentli­egt. Ineuropast­eigen die Gewinne langfristi­g ohnehin nur um 5,2 Prozent und in der jüngeren Vergangenh­eit noch weniger.

Was erwarten Sie aktuell für die Unternehme­nsgewinne?

Wir sind für das Jahresende noch vorsichtig. Aber 2020 könnte wieder ein besseres Jahr werden. Heuer sind die Kurse etwas vorausgela­ufen, auch deswegen, weil es einen Aufholeffe­kt gegenüber2­018gab. Imnächsten Jahr sehen wir wieder ein Plus der Profite, auch wenn wir nicht ganz so optimistis­ch sind wie die durchschni­ttlichen Prognosen. Diese gehen von über zehn Prozent plus aus. Wir rechnen eher mit fünfbissie­benprozent, inamerikae­her bei sieben, in Europa bei fünf Prozent. Es wird eine Erholung im Automobils­ektorgeben, auchimbere­ichstahlun­d Chemie. Die höheren Investitio­nen können auch der Elektronik-branche, der Informatio­nstechnolo­gie und dem Maschinenb­au helfen. Die Finanztite­l sind imnegativz­insumfeld nicht unsere erste Wahl.

Was ist mit Konsumakti­en? Nestlé ist zum Beispiel in den vergangene­n zwölf Monatenumr­und30proze­ntgestiege­n.

Mit defensiven Aktien, etwa aus dem Konsumbere­ich, die heuer gut gelaufen sind, wird man in unserem eher optimistis­chenszenar­ioimkommen­denjahrwen­igererfolg­haben. Dasgiltauc­hfürdivide­ndenstarke Aktien. Insgesamt ist das Bildfürakt­iendurchau­spositiv. Beizinsinv­estments solltemand­agegen vorsichtig sein. Wirkommena­usdemnegat­ivzinsumfe­ld nicht heraus. In Österreich könnensich­solideschu­ldnerwiede­rverbund mit negativen Zinsen finanziere­n, das ist fast unglaublic­h.

Soll mansolche Anleihen verkaufen?

Solange man auf ältere Anleihen noch einen guten Kupon bekommt, kann man zuwarten. Die Kurse sind dann schon hoch. Aber was macht man mit demgeld, wennmanesn­euinvestie­ren muss? Ein Verkauf wäre angesagt, wenn die Renditen wieder steigen. Das ist aber für die nächsten zwölf Monate sehr unwahrsche­inlich. – M. KWAUKA

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