RIESIGES POTENZIAL
Elisabeth Stadler, Ceoder Vienna Insurance Group (VIG), und Gerhard Fabisch, Präsident des Sparkassenverbandes undvorstandschef der Steiermärkischen Sparkasse, übervorsorgepotenziale in Zentral- und Osteuropa.
Die Zinsen in der Eurozone verlaufen seit2016aufdernull-linie. Hatdasauswirkungen auf das Sparverhalten in Europa?
Was wir paradoxerweise sehen ist, dass die Einlagenentwicklung der Banken eine sehr erfreuliche ist. Man könnte annehmen: Niedrige Zinsen motivieren die Menschen nicht zu sparen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es liegen 260 Milliarden Euro auf den heimischen Sparbüchern.
Gerhard Fabisch: Sind die niedrigen Zinsen nicht eine Gefahr für die Vorsorge?
Manmussschonklar sagen, dassdiemodellederlebensversicherung ursprünglich auf rational gestalteten Zinsszenarien beruhen, und wir finden derzeit ein künstlich niedrig gehaltenes Zinsszenario vor. Das entspricht nicht dem Geschäftsmodell der Lebensversicherung. Aber die Versicherungen haben hier längst mit dem Einsatz von kapitaleffizienten, fondsgebundenen Produkten reagiert.
Elisabethstadler:
Wir werden noch die nächsten Jahre niedrige Zinsen haben. Nun besteht die Gefahr, dass wir eine Generation von pensionsarmen Menschen heranzüchten, denn bei dieser Zinssituation hat eine Vermögensbildungvia Sparbuch keine Chance. Nur wer langfristig in Wertpapiere investiert, kann auch ein Vermögen aufbauen, aber das braucht Know-how
Fabisch:
und deshalb legen wir unseren Schwerpunktverstärktaufdasthema Finanzbildung.
In Osteuropa ist ja Vorsorge noch ein sehrjungesthema. Werdenhierdieambitionen der Bürger mit den niedrigen Zinsen nicht schon im Keim erstickt?
Osteuropa befindet sich weiterhin in einer wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung, wo trotz sich allgemein abschwächender Konjunktur das Wirtschaftswachstum im Schnitt doppelt so hoch bleibt wie in den EU15-Staaten, so auch in Österreich. Nach vielen Jahren der materiellen Absicherung geschaffenerwerte, etwa Auto- und Wohnungsversicherung, rücktdieeigenevorsorgefürfamilie, Pension und Gesundheit nun stärker in den Vordergrund. Wir erzielen in derlebens- undkrankenversicherung in dieserregion sehr schöne Steigerungsraten.
Die Sparbuchsparer überwiegen bei uns noch in Zentral- und Osteuropa. Dasliegtauchandeneinkommen. Die Menschen können zwar
Stadler: Fabisch:
schon mehr zur Seite legen, aber für Wertpapierinvestments reicht es bei der großen Mehrheit noch nicht.
Welche Vorsorgeprodukte kommen in Osteuropa gut an?
Wir finden in diesen Märkten vorwiegend fondsgebundene Modelle ohnegarantien, undessindauchkeine so langen Laufzeiten üblich wie vergleichsweise in Österreich. In den meisten Ländern gibt es bei Weitem kein so gutes Sozialsystem mit so hohen staatlichen Pensionsleistungen wie in Österreich, und auch die Gesundheitssysteme befinden sich auf einem anderen Niveau. Das heißt, die Menschen, deren Lebensstandard sich stetig verbessert, wollen später auch gut abgesichert und medizinisch gut versorgt sein.
Stadler: Wo stecken hier noch große Ausbaupotenziale?
Diejährlichenpro-kopf-ausgaben für Versicherungen in CEE betragen im Schnitt ein Zehntel von jenen in Österreich. Die Verbesserung des Lebensstandardswirkt sich natürlich auch positiv auf den Versicherungsgedanken aus. Es geht auch viel um die Schaffung von Risikobewusstsein. Dies stellt eine großeverantwortung für alle Akteure auf dem Versicherungsmarkt dar, die Menschen aufzuklären und das Bewusstsein für die Bedeutung der Versicherung zu schärfen.
Stadler:
„In Osteuropa ist das Wirtschaftswachstum im Schnitt doppelt so hoch wie in den EU-15Staaten.“
Elisabeth Stadler, CEO VIG
Im Bereich Vorsorge ist der Markt noch unerschlossen und das Wertpapiergeschäft steckt noch in den Kinderschuhen. Wir haben an allen Fronten, von der Vorsorge bis zur Finanzierung, in CEE noch riesige Potenziale.
Fabisch: Welche Herausforderungen sehen Sie bezüglich der Altersvorsorge in EuroPA/CEE in den nächsten Jahren?
Die demografische Entwicklung hin zu einer immer älter werdendenbevölkerungbetrifftdengroßteil der europäischen Staaten. Die Zugänge zu diesem Thema sind in den Ländern unterschiedlich. Wichtig wäre, ein gemeinsames Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen.
Imgrundehabendieosteuropäischen Staaten ähnlicheherausforderungenzubewältigenwiewir inösterreich. Das Thema private Altersvorsorge ist in manchen Cee-staaten sogar noch zentraler, denn dort ist die staatlichealtersvorsorge deutlich ungünstiger als inösterreich geregelt.
Stadler: Fabisch:
„Wir haben an allen Fronten, von der Vorsorge bis zur Finanzierung, in CEE noch riesige Potenziale.“
Gerhard Fabisch, CEO Steiermärkische Sparkasse