Entwicklung des Immobilienmarktes im Round-Table-Gespräch
ENTWICKLUNG DES IMMOBILIENMARKTES
Vier Experten reden über die Preise, leistbares Wohnen und die Bautätigkeiten, die aktuell in ganz Wien stattfinden
Vier Experten reden über die Preise, leistbares Wohnen und die Bautätigkeiten,
die aktuell in ganz Wien stattfinden.
» Über die Immobilienpreise und das leistbare Wohnen wird aktuell viel geschrieben. Um den Status quo zu ermitteln, lud der KURIER Sandra Bauernfeind, geschäftsführende Gesellschafterin bei EHL, Dieter Groschopf, Geschäftsfüh rerstellvertreter vom Wohnfonds Wien, Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft, und Gunther Maier, Leiter des Forschungsinstituts für Raumund Immobilienwirtschaft an der WU Wien, zu einem Gespräch ein. Die steigenden Immobilienpreise beschäftigen die Menschen. Haben wir tatsächlich einen historischen Höchststand erreicht?
Gunther Maier: Ich tue mir mit dieser Aussage immer etwas schwer. In unserem regulativen System heißen steigende Immobilienpreise nur, dass die Preise für Neuvermietungen steigen. Für den gesamten Bestand, der etwa 95 Prozent ausmacht, verzeichnen wir einen ganz normalen Anstieg. Und seien wir uns ganz ehrlich: Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist Österreicher noch immer relativ billig.
Anton Holzapfel: Derzeit nimmt man schon relativ hohe Kaufpreise wahr. Das gab es vor 25 Jahren schon einmal als Folgedernahenden EXPO. Dasind die Preise auch gestiegen. Dann wurde die EXPO abgesagt und der Traum ist geplatzt. De facto sind in den darauffolgenden 15 Jahren die Immobilienpreise stagniert. Einer der Faktoren, warum sich das geändert hat, ist, dass ab 2011 viele Personen in Immobilien investiert haben, um den Aktienmärkten auszuweichen. Sandra Bauernfeind: Die Bauträger haben in den vergangenen zehn, 20 Jahren tatsächlich ein Produkt geschaffen, in das man investieren kann. Ich halte die Preisanstiege der letzten Jahre schon für bedeutend, aber sie sind der Flucht von den Aktienmärkten und Sparbüchern – wo es derzeit Negativzinsen gibt – in ein Objekt geschuldet, das zwar eine niedrige, aber stabile Rendite bringt. Der Grund liegt sicher nicht an den Bauträgern, die gesagt haben: „Jetzt sind wir lustig und ziehen mal die Preise an.“
In Diskussionen kommt aufgrund der steigenden Immobilienpreise immer wieder der Begriff der „platzenden Blase“ins Spiel. Ist diese Befürchtung gerechtfertigt?
Sandra Bauernfeind: Meiner Meinung nach nicht. Eine Blase kann nur platzen, wenn die Immobilieneigentümer unter Druck verkaufen müssen. Aber im Markt ist viel zu viel Eigenkapital drinnen, als dass das passieren wird. Anton Holzapfel: Zeigt sich, dass es in den kommenden Jahren ein Überangebot geben sollte, wird es dort Preiskorrekturen geben. Ich sehe aber keine Blase auf uns zukommen.
Gunther Maier: Das Charakteristikum einer Blase ist, dass man sie erst erkennt, wenn sie geplatzt ist – egal um welchen Markt es sich handelt. Deshalb kann man das im Vorhinein nicht prognostizieren.
Aber ich wollte noch einen wichtigen Grund für die steigenden Immobilienpreise ins Feld werfen: Um 1910 hatte Wien mehr als zwei Millionen Einwohner auf einer wesentlich kleineren, besiedelten Fläche als heute. Danach ist die Bevölkerung kontinuierlich zurückgegangen. Jetzt wächst sie wieder. Natürlich führt das zu vermehrter Nachfrage am Wohnungsmarkt – und schon steigen die Preise. Dieter Groschopf: Meines Erachtens nach ist auch die jahrelange preisdämpfende Wirkung des geförderten Wohnbaus verloren gegangen. Noch vor wenigen Jahren betrug das Verhältnis von geförderten Immobilien zu freifinanzierten 80 zu 20, wobei die freifinanzierten Wohnungen in den sogenannten „Zuckerl-Lagen“errichtet wurden. Das hat sich deutlich geändert. Die gestiegene Nachfrage, sei sie durch das starke Bevölkerungswachstum oder die Flucht vom Kapi-
talmarkt in die Immobilie entstanden, wirkt sich letztlich auf den Grundstücksmarkt aus. Die gemeinnützigen oder gewerblichen Bauträger, die mit Wohnbau-Förderungsmitteln bauen, haben dadurch auf dem freien Markt Schwierigkeiten, geeignete Grundstücke zu finden. Gab es vor zwei Jahren noch Angebote um 400 Euro umgerechnet auf die Netto-Nutzfläche über die Makler, beginnen diese heute bei 1000 Euro. Wir als Wohnfonds Wien sind mehr denn je gefordert, unsere eigenen Flächen in die Umsetzung zu bringen, weil die Bauträger in den vergangenen Jahren aufgrund dieser Situation weniger an Eigenakquisition eingebracht haben.
Für die Bevölkerung bleibt aber der schale Beigeschmack, dass man sich Wohnen bald nicht mehr leisten kann – egal, was zum Preisanstieg beiträgt. Wie kann gegengesteuert werden? Sandra Bauernfeind: Das Wichtigste, um ein preisdämpfende Wirkung erzielen zu können, ist die Neuproduktion von Wohnungen. Und das wird ja gerade in Wien getan. Dieter Groschopf: Der Wohnfonds Wien verfügt über einen einen Grund- stücksbesitz von rund 2,8 Millionen Quadratmeter. Auf die kommenden Jahre betrachtet, müssen rein von den verfügbaren Flächen keine Beklemmungen aufkommen. Das Thema wird eher sein, wie schnell alles in die Umsetzung gebracht werden kann, damit wir auf die Nachfrage reagieren können. Sandra Bauernfeind: Die Nachverdichtung im Bestand ist ebenso ein hehres Ziel. Sobald an einem Haus aber Wohnungseigentum mehrerer Parteien begründet ist, kann man das in der Realität de facto vergessen, da eine 100-prozentige Zustimmung nötig ist. Für eine raschere Entscheidungsfindung innerhalb der Objekte benötigt es dringend einer Überarbeitung des Wohnungseigentumsgesetzes, aber auch des Mietrechts. Dieter Groschopf: Widerstände in der Projektrealisierung, die die Bauträger treffen, gibt es tatsächlich viele – vom Naturschutz bis zu Bürgerinitiativen. Dadurch kommt es natürlich zu Projektverzögerungen.
Sandra Bauernfeind: Und derzeit wird Sozialpolitik über das Alter von Gebäuden betrieben. Der Abriss von Häusern, der bereits beschlossen war, wird scheinbar wahllos eingestellt. Das macht es schon schwierig, die Neuproduktion anzukurbeln.
Anton Holzapfel: Ich möchte aber schon auch klarstellen, dass wir hier nur vom urbanen Bereich reden. In den Ballungszentren wie Wien, Salzburg, Innsbruck und vielleicht noch im Rheintal wird in den kommenden Jahren die Herausforderung sein, einen Wohnungsengpass zu verhindern. Aber wir werden künftig auch Antworten suchen müssen, wie wir mit all jenen Gebieten, wo die Abwanderung überwiegt, umgehen – ob Mürztal, Oberkärnten oder das Waldviertel. Das sind auch große Themen, die auf die Immobilienwirtschaft »
zukommen. Denn bei allem Hype, den es um die Ballungszentren gibt, muss man auch dran denken, wie die Landgegenden die Zukunft gut mitgestalten werden.
Gunther Maier: Wenn eine Stadt wie Wien wächst, geht das auch in die Fläche und löst einen Mechanismus aus – mit der Folge, dass der Speckgürtel gepusht und die ökonomische Grenze weiter nach außen gedrückt wird. Gegenden wie das Weinviertel oder das östliche Waldviertel können von der positiven Entwicklung Wiens durchaus profitieren.
Dieter Groschopf: Ich denke, dass Wien gut gerüstet ist – und da geht es mir jetzt nicht rein um den geförderten Wohnbau. Wir sollten froh sein, in einer wachsenden Stadt zu leben. Eine schrumpfende Stadt hat ganz andere Probleme, was internationale Beispiele deutlich belegen. Und all das, was jetzt errichtet wird, ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Der Bau von Wohnungen schafft Arbeitsplätze. Es gibt auch ein klares politisches Bekenntnis zum geförderten Wohnbau in Wien. Sandra Bauernfeind: Wir sind auf einem historischen Höchststand, was die Bautätigkeit betrifft. Der Überhang bei der Nachfrage wird sich in nächster Zeit abbauen. Tatsächlich leben wir in Österreich, was Immobilien betrifft, auf einer Insel der Seligen. Dietmar Groschopf: Um es zusammenzufassen: Ja, wir haben momentan eine Überhitzung des Marktes. Aber die Stadt Wien gibt Rahmenbedingungen für den Bau von Immobilien vor, von denen andere Städte nur träumen können.
Danke für das Gespräch.