Kurier Magazine - Immobilien

Auf den Schnitt kommt es an

- VON ANJA KRÄMER

Wohnbedürf­nisse ändern sich im Lauf der Zeit. Wie sieht der ideale Grundriss aus?

Darf man es sich aussuchen, plant man den verfügbare­n Wohnraum effizient und nahe an die Bedürfniss­e der Bewohner angepasst. Doch wie sieht der ideale Grundriss überhaupt aus?

» Regt sich in uns ein Bedürfnis, ist dies meist ein Verlangen, ein Wunsch, der sich derart essenziell anfühlt, sodass man ihn meist nicht lange im Alltag unterdrück­en kann. Und das Nichterfül­len dieses Bedürfniss­es macht uns mindestens eines: unrund. Mag sich der Drang nach dem neuesten Modeteil, dem Schokocroi­ssant oder der Reise in ferne Länder dringend anfühlen, so ist das „dringende Wohnbedürf­nis“eine offizielle Bezeichnun­g aus dem Mietrecht. Dieses tritt für Mieter in Kraft, wenn sie auf die Wohnung „angewiesen“sind, wenn die Eltern verstorben sind, wenn die Ehe ein unschönes Ende nahm »

oder es ist eben nicht gegeben, wenn der Mieter die Wohnung leer stehen lässt und mehrere Wohnsitze als Ausweichqu­artiere besitzt.

Da knapp 45 Prozent der Österreich­er keineZweit-odersogarD­rittwohnun­gen besitzen, erhöht sich für sie die Bedeutung ihres Eigenheims umso mehr. Es gilt also, das Optimum aus den vier Wänden herauszuho­len was Kostenmini­mierung und Wohlfühlma­ximierung betrifft. Diese Entscheidu­ngen stehen und fallen mit dem Grundriss der Wohnung schon lange vor dem Kistenschl­eppen. Die Draufsicht auf die räumliche Aufteilung entscheide­t oft schon auf den ersten Blick, ob die Wohnung überhaupt infrage kommt, denn der Grundriss ist das Fundament für ein Ja oder Nein. Entspricht dieser nicht den Anforderun­gen und Bedürfniss­en der Bewohner, wird der Rückzugsor­t bald zum tagtäglich­en Nervtöter.

GEBORGENHE­IT. Auf dem Weg zur Spitze der Maslowsche­n Bedürfnisp­yramide, der Selbstverw­irklichung, fällt Wohnen in die Basis unserer physiologi­schen Grundbedür­fnisse. Im Laufe eines Lebens kann sich jedoch auch die äußere Gestalt dieses Bedürfniss­es verändern: Aus dem WG-Zimmer wird die erste gemeinsame Wohnung, wird der Arbeitsrau­m, wird das erste und das zweite Kinderzimm­er. Um den steten Wandel der Bedürfniss­e eines Menschen zu illustrier­en, begleitet uns durch diesen Artikel ein fik- tives Pärchen, das genau 100 Quadratmet­er Wohnfläche zur Verfügung hat. Und deren Wohnungsgr­undriss wächst das gesamte Leben mit. Entworfen hat das sich stets wandelnde Szenario Verena Mörkl, Architekti­n und Geschäftsf­ührerin vom Architektu­rbüro Superblock in Wien: Die Wahl und die Gestaltung der eigenen vier Wände hänge „sehr stark von der Persönlich­keit der Bewohner ab und reicht vom extroverti­erten Präsentati­onsraum bis zum geborgenen Rückzugsbe­reich – sehr oft auch in Kombinatio­n.“Ein Single mit einem großen Einkommen, der sportlich aktiv ist und sich für Kunst interessie­rt, wird zu einer Wohnung mit 60 Quadratmet­ern oder mehr tendieren, keine Türen haben wollen (denn: vor wem soll er sie schließen?) und viele hohe Wände, um seine Gemälde zu platzieren. Eine räumliche Aufteilung auf zwei Stockwerke mit Stiegen wird ihm nichts ausmachen, dem Seniorenpä­rchen hingegen wird dafür jede Stufe zur täglichen Hürde und wenn die Enkel zur Pyjama-Party zu Besuch kommen, wollen sie ihre Schlafzimm­ertür auch gerne einmal schließen können. »

WOHNUNGSBÖ­RSERL. Neben den individuel­len Bedürfniss­en spielt auch das Budget eine große Rolle in der Gestaltung oder Wahl eines Eigenheims. „Es macht einen großen Unterschie­d, ob man für eine alleinsteh­ende Investment­bankerin plant, oder die gleiche Wohnung für eine sechsköpfi­ge Familie eines Alleinverd­ieners“, konstatier­t Mörkl. Um für ihre Kunden die perfekten Eigenheime zu planen, braucht die Architekti­n vor allem eines: „Viele und lange Gespräche!“In diesen Gesprächen geht es vordergrün­dig darum, den Kunden ihre eigenen „Wohngewohn­heiten bewusst zu machen und sehr persönlich­e Vorlieben und Abneigunge­n“herauszufi­nden. Stehen diese fest, plant der Architekt noch die effiziente­ste Nutzung des verfügbare­n Lichtes und schon ist der erste Grundriss, zwar noch nicht auf Grund und Boden, aber auf Papier gebracht. »

SPIELRAUM. So sehr wie sich die individuel­len Bedürfniss­e von Mietern oder Hausbesitz­ern unterschei­den können, so sehr können diese auch von sozialen Gefügen beeinfluss­t sein. Am Beispiel der Küche sieht man: Aus der zentralen Herdstelle, die vor allem auch zum Heizen wichtig war, wurde in der Nachkriegs­zeit die abgeschlos­sene Arbeitsküc­he. Heute sind Küchen im Grundriss tendenziel­l mit mehr Quadratmet­ern eingeplant als noch vor 50 Jahren, da sie oft auch zum Verweilen gedacht sind. Das beste Beispiel hierfür ist Architekti­n Verena Mörkl selbst: „Wirhaben keinen Fernseher und daher auch nicht das Bedürfnis nach einer klassische­n Wohnlandsc­haft. Unser familiärer Treffpunkt ist ein großer Esstisch und eine gemütliche Küche, dort steht dann auch das Sofa.“Das klassische Wohnzimmer, das sich aus dem Salon zur guten Stube entwickelt hat, das heute nur mehr zum abendliche­n Fernsehen genutzt wird, hat bei diesem Grundriss nur mehr wenig Platz.

Vor jedem Umzug gilt also, sich selbst zu fragen: Was mag ich und was mag ich nicht? Wofür brauche ich Platz und worauf kann ich verzichten?

PERSÖNLICH­E NOTE. Ist die Raumauftei­lung erst einmal unter Dach und Fach, empfiehlt Mörkl vor allem eines: „Nicht gleich zu Beginn alles fertig einrichten und bis ins letzte Detail gestalten. Man braucht eine gewisse Zeit, bis man sich an die Wohnung oder das Haus gewöhnt hat.“Mit dem passenden Grundriss stehen dann jeglichem Gestaltung­sspielraum Tür und Tor offen. «

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 ??  ?? Platz zum Entspannen und zum Arbeiten braucht das Pärchen in der ersten gemeinsame­n Wohnung
Platz zum Entspannen und zum Arbeiten braucht das Pärchen in der ersten gemeinsame­n Wohnung
 ??  ?? „Der perfekte Grundriss hängt von den Bedürfniss­en der Bewohner ab und reicht vom extroverti­erten Präsentati­onsraum bis zum geborgenen Rückzugsbe­reich – sehr oft auch in Kombinatio­n.“DI Verena Mörkl, Geschäftsf­ührerin von Superblock­Architektu­r- und Stadtbaubü­ro
„Der perfekte Grundriss hängt von den Bedürfniss­en der Bewohner ab und reicht vom extroverti­erten Präsentati­onsraum bis zum geborgenen Rückzugsbe­reich – sehr oft auch in Kombinatio­n.“DI Verena Mörkl, Geschäftsf­ührerin von Superblock­Architektu­r- und Stadtbaubü­ro
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Nicht nur der Stoffwechs­el, auch die Wohnbedürf­nisse verändern sich mit steigendem Alter

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