Stein für Stein zum Öko-Haus
Das eigene Zuhause kann uns krank machen: Welche Schadstoffe es gibt und wie ökologische Materialien Abhilfe schaffen
Fakt ist: Die eigenen vier Wände können uns krank machen. Doch ökologische Materialien rund um Bau und Innenausstattung schaffen hier für Mensch und Umwelt Lösungen im Einklang.
» Die Trageringe des Getränke-Sixpacks haben den Panzer der Schildkröte völlig deformiert, der Seevogel starb an bunten Plastikstücken in seinem Magen und die Qualle hält das in der Strömung dahintreibende Plastik-Sackerl für einen Artgenossen. Wir alle kennen diese Bilder, verbreitet über soziale Medien, um uns die Kausalwirkung unserer alltäglichen Konsumentscheidungen vor Augen zu führen. Und es zeigt Wirkung. Strohhalme werden verboten, die Einwegsackerl kurz darauf. Durch den vereinfachten Zugang zu Informationen sind die Menschen heute wesentlich besser über die Auswirkungen ihrer Handlungen für die Welt informiert und handeln bei dementsprechenden Bewusstsein im Sinne einer nachhaltigen Ökologie.
BODENPLATTEN & CO. Ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens zieht hier aktuell stark im Sinne der Nachhaltigkeit an: das ökologische Bauen. Denn auch für Bodenplatten, Isolierung und Wandfarben gibt es natürliche und ökologische Alternativen. Und: „Es geht nicht mehr nur darum, einfach ein Gebäude zu bauen, sondern eine gesunde und attraktive Wohn- und Arbeitsumgebung zu schaffen und dabei Ressourcen- und Energievorräte sowie die Umwelt minimal zu beeinflussen“, erklärt Azra Korjenic, Bauphysikerin und Professorin an der TU Wien. Denn eine ökologische Bauweise habe vor allem positive Effekte auf unsere Gesundheit. „Elektrische Felder stören das Nervensystem und führen dadurch beispielsweise zu innerer Unruhe, Herzrhythmusstörungen und Tinnitus, Wasseradern belasten Organe wie Blase, Nieren und die Leber, Radon in Verbindung mit Feinstaub belastet die Lunge und das Verdampfen von Weichmachern, Holzschutzmitteln, Klebstoffen und Farbstoffen in Kombination mit Feinstaub kann zu Allergien führen“. Es gilt also einige Fragen zu bedenken, bevor mit dem Bau losgelegt werden kann. Ganz zuoberst liegen hier laut dem Geobiologen Ernst Schwarzhans „Lage und Umgebung des Grundstücks, da die jährlichen Sonnenstunden – je mehr umso besser – positiven Einfluss auf die Wohnqualität haben und sich natürliches Licht günstig auf das Wohlbefinden auswirkt.“Weiters gilt zu beachten, ob sich Hochspannungsleitungen, Handymasten, Eisenbahnlinien, Trafostationen und Kraftwerke in der Nähe befinden, da „all diese Einrichtungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit“haben.
EINFLUSSFAKTOREN. Was viele „Häuslbauer“außer Acht lassen, ist der Einbezug eines geobiologischen Fachmanns, den Schwarzhans dringend empfiehlt: „Dieser sollte das Grundstück auf Störzonen wie zum Beispiel Wasseradern, Verwerfungen, Grabenbrüche untersuchen und entsprechende Maßnahmen vorschlagen. Ebenfalls anzuraten ist eine RadonMessung. Es gibt bereits Geländekarten im Internet, in denen ersichtlich ist, wo vermehrt mit Radonbelastung zu rechnen ist.“Der unumstrittene Mehrwert: „Die WHO hat den Anteil in der Atemluft pro m 3 mit 100 Bq/m 2 festgelegt. Eine hohe Radonbelastung in Kombination »
mit Feinstaub wird mit Lungenkrebserkrankungen in Verbindung gebracht.“Sind diese Parameter erst gegeben, so konstatiert Azra Korjenic, dass die darauffolgende ökologische Bauweise eines Hauses „eigentlich nicht neu“ist: „Unsere Vor-Vorfahren haben 100 Prozent ökologisch gebaut. Das Problem ist, dass die heutige Generation das Bauen in dieser Bauweise nicht gelernt hat und die bautechnischen Anforderungen gegenwärtig ganz anders sind. Die alte Bauweise wird deshalb einerseits neu entdeckt und an die heutigen bautechnischen Anforderungen angepasst und andererseits werden neue Kombinationen und innovative Konstruktionen aus natürlichen Materialien entwickelt und der Bauwirtschaft zur Verfügung gestellt.“
AUSWAHL. Das Angebot ist parallel zum Bewusstsein für ökologisches Bauen in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, die Menschen wählen gezielt schadstofffreie Baustoffe: „Die meist umgesetzten Konstruktionsarten sind Holz- und Strohhäuser. Als Dämm- und Füllstoffe werden Holzfaserplatten, Stroh, Flachs, Hanf, Gras, Schilf, Schafwolle, Baumwolle, Zellulose verwendet. Auch für einzelne Beschichtungen und Anstriche gibt es eine ganze Palette an natürlichen und schadstoffar- men oder sogar -freien Produkten. Lehm als Naturstoff ist ebenfalls ganz im Trend und wird immer beliebter. Um einfacher und schneller ökologisch bauen zu können, werden immer mehr Fertigteil-Konstruktionen aus natürlichen Materialien entwickelt und hergestellt.“
Laut den Experten unterscheiden sich die Regeln beim Kauf von konventionellen und ökologischen Immobilien nicht. In jedem Fall ist eine intakte Bausubstanz ausschlaggebend – unabhängig von den Baustoffen. Ökologische Baumaterialien sind feuchtetechnisch oft empfindlicher als herkömmliche – entsprechende Planungsbüros und ausführende Fachfirmen wissen, wie die größte Qualität sichergestellt werden kann und bei einer entsprechenden Ausführung sind die ökologischen Materialien laut Korjenic „absolut vergleichbar mit konventionell verwendeten Produkten.“Und das so- gar finanziell: „Die Berücksichtigung der Gesamtkosten führt zu nachhaltigen und langfristigen kostengünstigen Bauten. Höhere Errichtungskosten werden über kurz oder lang durch die einfache Demontage- und Recyclingmöglichkeit und somit einer geringeren Deponiegebühr gegenüberzustellen sein.“
ZUKUNFTSVISION. Ökologisches Bauen ist damit nicht einfach nur ein Trend, der nach ein paar Jahren von dem nächsten abgelöst wird. Es ist ein klar formuliertes Ziel der EU, für die Jahre 2030 und 2050 die CO -Emis
2 sion, die durch die Baubranche entsteht, zu verringern. Mit einer herkömmlichen Bauweise ist das nicht vereinbar. Zudem gehen hier Umwelt und Lebensqualität Hand in Hand, denn nur eine ökologische Bauweise kann auch zukünftig eine hohe Lebensqualität schaffen und für die Zukunft gewährleisten. «