Eine reizvolle Idee, neuen Wohnraum zu schaffen
In den 20er-Jahren dachte man in New York ernsthaft über riesige Brücken mit Tausenden Wohnungen nach.
Die Idee, auf Brücken Wohnungen zu bauen, ist so neu nicht. Man kennt sie aus dem Mittelalter. Der Ponte Vecchio in Florenz ist ein berühmtes Beispiel dafür. In den 20er-Jahren griffen die amerikanischen Architekten Harvey W. Corbett (1873–1954) und Raymond Hood (1881–1934) diese Idee für eine Ausstellung über moderne Stadtplanung – Titel: „Stadt der Titanen: Eine Vorschau auf die Entwicklung von New York 1926–2026 in Bildern“– auf. Corbett und Hood lieferten dazu mit dem Architekturzeichner Hugh Ferris (1889–1962) Bilder von bewohnten Hängebrücken. Vor dem Hintergrund schwindender Bauplätze in New York war die Idee durchaus reizvoll. Obendrein hätte man damit auch das Verkehrs- und Wohnungsproblem der City in den Griff bekommen. „Eines der Bilder zeigt eine gewaltige Hängebrücke mit zwei Pylonen, die zu mächtigen Wolkenkratzern mit fünfzig bis sechzig Stockwerken ausgebaut sind, unter denen die Autos dahinrollen. Auch der Raum zwischen den Tragseilen der Brücke und den Fahrbahnen ist mit Wohneinheiten gefüllt. Unter der Brücke sind Dampfer und Schiffe zu sehen, neben dem Stützpfeiler landet ein kleines Flugzeug. Dennoch bleibt das Bild eher bizarr und bedrohlich. Statt einer leichten, eleganten Hängebrücke ist ein klobiges Bauwerk zu sehen. Gewöhnungsdürftig“, schreibt Wilkinson im „Atlas der nie gebauten Bauwerke“. Dass keine der Visionen wahr wurde, lag letztlich am Finanzcrash 1929. Das Empire State Building wurde gerade noch fertig gebaut, nach „Wohnungen auf Brücken“aber krähte kein Hahn mehr.