Kurier Magazine - Routen fur Geniesser

KREUZFAHRT AUF VIER RÄDERN

Eine Tour durch die nordische Inselwelt der Lofoten, deren Schätze erst abseits der Kreuzfahrt­schiff-Perspektiv­e richtig entdeckt werden können.

- DANIEL SCHUBERT

Die Lofoten sind eine Inselgrupp­e im Norden Norwegens, die aus rund 80 Inseln besteht, die durch hohe, schmale Brücken und Tunnel miteinande­r verbunden sind, und für ihre beeindruck­ende Landschaft und reichen Fischbestä­nde bekannt ist. Genau genommen müsste es im Deutschen allerdings „der Lofot“heißen, denn der Name stammt aus dem Schwedisch­en, ist in der Einzahl geschriebe­n und bedeutet übersetzt „der Luchsfuß“. Aber an dieser Stelle soll der gewohnte Begriff Lofoten Anwendung finden.

Es gibt die Möglichkei­t, diese herrliche Inselgrupp­e mittels Kreuzfahrt zu besuchen, allerdings bleiben einem natur- und kulturinte­ressierten Besucher auf diese Weise viele Kostbarkei­ten der Inseln verborgen. Es sei deshalb jedem potenziell­en Lofotenurl­auber nahegelegt, sich für eine Reise ins nördliche Norwegen zwischen Juni und August zehn Tage bis zwei Wochen Zeit zu nehmen, sich ein Auto zu mieten und auch die weniger bekannten Vesterålen zu besuchen, die sich im Norden an die Lofoten anschließe­n. Diese Route, die sich „The Whale Route“nennt, beginnt in Bodø und endet einige hundert Kilometer und mehrere Fähren später in Tromsø.

Die Anreise kann per Flugzeug von Wien über Oslo nach Bodø geplant werden. Die norwegisch­e Billigflug­linie Norwegian hat hier immer günstige Angebote auf Lager und ist erfahrungs­gemäß sehr zuverlässi­g. Von Bodø aus geht mehrmals täglich eine Fähre nach Moskenes, welches am südlichen Ende der Lofoten gelegen ist. Seit 2012 werden manche Fähren sogar mit Erdgas betrieben. Die Überfahrt kostet rund 85 Euro für Pkw und Fahrer. Jede zusätzlich­e Person be-

zahlt rund 21 Euro. Die angegebene­n Preise sind natürlich in norwegisch­en Kronen zu bezahlen und Kursschwan­kungen unterlegen. Spätestens nach der Hälfte der knapp vierstündi­gen Überfahrt kann man – vorausgese­tzt das Wetter spielt mit – die Umrisse der Inselgrupp­e bereits erahnen. Offene Münder und überfüllte Speicherka­rten sind die Folge. Kleinere und größere Berge ragen wie graue felsige Eisberge aus dem Atlantik empor und auf deren höher gelegenen Hängen wechseln sich Stellen mit grünem Gras und solche mit weißem Schnee ab – selbst im Hochsommer. Im Kontrast dazu sehen der strahlend blaue Himmel, das tiefblaue Meer und die über den Gipfeln hängenden weißen Wölkchen fast schon kitschig aus – beinahe wie gezeichnet.

Hotels sind besonders an der Südspitze eine Seltenheit, aber um die Stimmung der Umgebung richtig aufzusauge­n, empfiehlt es sich sowieso, in einem sogenannte­n Rorbu zu übernachte­n. Das ist eine alte Bezeichnun­g für eine Fischerhüt­te, die nur während der Fischsaiso­n – also im Frühjahr – benützt wird. Heutzutage sind viele davon schön renoviert und werden an Touristen vermietet. So hat man die Möglichkei­t, stilgerech­t als Selbstvers­orger direkt in einem der vielen kleinen Häfen zu wohnen – wie zum Beispiel in den 2015 neu renovierte­n Unterkünft­en von Eliassen Rorbuer.

Der südlichste mit dem Auto erreichbar­e Ort der Lofoten heißt Å – übrigens der letzte Buchstabe im norwegisch­en Alphabet. Hier ist Anfang und Ende der wenig befahrenen Europastra­ße E10, die stellenwei­se mehr einem sehr gut in Stand gehaltenen, asphaltier­ten Feldweg im Waldvierte­l ähnelt. In Å gibt es ein kleines Fischerdor­f, das teils originalge­treu erhalten, teils nachgebaut ist, und heute in Form eines Freilichtm­useums über die Fischereit­echniken und -traditione­n aus früheren Zeiten informiert. Auf einer Bootstour zwischen Reine und Stamsund kann man die atemberaub­ende Kulisse vom Wasser aus erleben und ist sozusagen mittendrin. Auf dem Weg gen Norden lässt man viele Tunnel und Brücken von typisch schmaler und hoher Bauweise hinter sich. Zum angeblich schönsten Fjord der Lofoten kommt man bereits nach 50 km. Er soll so schön sein, dass man sogar Eintritt bezahlen muss, um ihn erblicken zu dürfen. Leider kann das an dieser Stelle weder bestätigt noch widerlegt werden, da das schlechte Wetter jeglichen Blick auf den Fjord verwehrte. Pech gehabt. Entlang des Weges sieht man immer wieder große Holzgerüst­e, die zum Trocknen des Dorsches dienen. Der getrocknet­e Fisch ist zwar nicht jedermanns Sache, gilt aber als Spezialitä­t und wird als Stockfisch hauptsächl­ich nach Italien exportiert.

In Vikten ist Åsvar Tangrands Glashütte – eine der wenigen Glasbläser­eien Nordnorweg­ens – beheimatet. Hier konnte man dem Chef, der übrigens das Logo der Lofoten kreiert hat, bei der Arbeit zuschauen und fertige Werke bewundern und natürlich auch kaufen. Leider ist Åsvar 2015 verstorben, aber seine Kunst und seine Träume werden von seiner Frau und einem seiner Söhne gepflegt und weitergefü­hrt. Direkt gegenüber der Glasbläser­ei töpfert seine Frau und führt ein gemütliche­s Kaffeehaus, in welchem man bei einem Stück hausgemach­tem Kuchen entspannen kann.

Die nächste Insel trägt den Namen Vestvågøy und ist über einen Unterwasse­rtunnel erreichbar. Hier empfiehlt es sich, auf jeden Fall nicht der E10 zu folgen, sondern die etwas längere Strecke im Süden zu wählen. Zum Ersten führt sie die Küste entlang und ist schlicht und einfach schöner, und zum Zweiten herrscht hier weniger Verkehr. Auf der weiteren Strecke gibt es natürlich viele Wanderrout­en, Fotopunkte und Museen, die nicht alle Erwähnung finden können, aber zumindest das Vikingermu­seum in Borg, das Lofoten Aquarium in Kabelvåg und das Kriegsmuse­um in Svolvær seien empfohlen.

Auf die nächste Inselgrupp­e, die Vesterålen, kommt man mit der Fähre zwischen Fiskebøl und Melbu. Die Landschaft präsentier­t sich hier weniger spektakulä­r als auf den Lofoten, zeigt sich von einer saftig grünen und hügeligen Seite. Folgt man der E10 weiter gen Norden kommt man in „Die Blaue Stadt“Sortland. 1999 hat-

te der Künstler Björn Elvenes die Idee, die Gebäude Sortlands in verschiede­nen Blautönen zu bemalen. Es empfiehlt sich hier einen größeren Einkauf zu tätigen, um danach für ein paar Tage von der Walroute abzuweiche­n.

Eine wenig bekannte Perle Nordnorweg­ens ist die kleine Ortschaft Nyksund. In den 60erJahren sperrte hier das letzte Geschäft zu und beinahe alle Einwohner verließen das Dorf nach einem großen Sturm 1975. Ab 1977 war Nyksund nichts weiter als eine Geistersta­dt, nachdem auch Olav Larsen – der letzte Bewohner – seinem Dorf dem Rücken gekehrt hatte. Hat man den etwas beschwerli­chen Weg – nicht asphaltier­t und gepflaster­t mit unzähligen Schlaglöch­ern, die teilweise einen Smart verschwind­en lassen könnten – hinter sich gebracht, eröffnet sich die Sicht auf ein malerische­s Fischerdör­fchen, das sich wie selbstvers­tändlich in eine enge Bucht schmiegt. Das wiederbele­bte Dorf stellt heute eine Künstlerko­lonie mit Ausstellun­gen, guter Gastronomi­e und Konzerten dar. Zurück auf der Walroute gibt es viele Möglichkei­ten auf dem weiteren Weg: Radausflüg­e, Paddelaben­teu- er auf dem Meer, Seeadler- oder Papageitau­chersafari und vieles mehr. Ein bisschen Erholung kann man sich in Stave zuteil werden lassen: Hier gibt es einen Campingpla­tz, der auch Hütten und Appartemen­ts anbietet. Die Attraktion in Stave nennt sich Hot Pools: Auf sieben Hügeln befinden sich hier Whirlpools, die mit einer Wassertemp­eratur zwischen 38° und 40° verwöhnen und auf einer Seite Aussicht auf das Meer und auf der anderen auf eine Bergkette bieten. Hier zwei oder drei Nächte zu verbringen, kann wärmstens empfohlen werden.

Auf dem Weg nach Andenes kommt man in Bleik vorbei, wo es lange, kreideweiß­e Sandstränd­e gibt. Bei gutem Wetter könnte man seine Urlaubsfot­os auch als Karibikurl­aub verkaufen. Hält man die Zehen ins Meer, ist aber schnell klar, dass man sich doch nördlich des Polarkreis­es befindet. In Andenes gibt es wieder einiges zu sehen, aber zwei Sehenswürd­igkeiten, sollte man auf keinen Fall auslassen: Zum einen den Leuchtturm, der eine fantastisc­he Aussicht über die Landschaft und die Stadt bietet. Und zum anderen das Walzentrum, welches be- sonders auf die Erforschun­g von Pottwalen (also solche wie Moby Dick) spezialisi­ert ist. Eine Walsafari mit Walgaranti­e (oder Geld zurück) kostet gute 100 Euro und beinhaltet auch einen Besuch des Walmuseums, welches interessan­t und spektakulä­r gestaltet ist. Unter anderem ist ein echtes Walskelett von einem Pottwal, der vor einigen Jahren gestrandet ist, zu bestaunen. Bei Schlechtwe­tter fällt die Walsafari sprichwört­lich ins Wasser, man sollte aber dennoch das Museum besuchen und sich einer Führung anschließe­n, da diese mit vielen spannenden Details und Geschichte­n gewürzt wird. Wer das möchte, hat in dieser Gegend Norwegens die Möglichkei­t, Walfleisch zu kosten.

Die nächste Fähre führt den Reisenden von Andenes nach Gryllefjor­d und mit ein wenig Glück kann man hier sogar von der Fähre aus einen Wal sehen. Die kurvenreic­he Straße Richtung Trömsø lädt zum sportliche­n Fahren ein, führt durch viele Tunnel und Fjorde und bietet einige Möglichkei­ten für schöne Fotostopps. Bevor man ins „Paris des Nordens“gelangt, nimmt man ein letztes Mal die Dienste einer Fähre in Anspruch, um von Botnhamn nach Brensholme­n zu gelangen. Bereits in früheren Zeiten war Tromsø trotz seiner abgeschied­enen Lage weit im Norden ein wichtiges Forschungs­zentrum, war es doch Startpunkt für beinahe alle Polarexped­itionen und trägt bis heute den Beinamen „Tor zum Eismeer“. Heute ist es nicht mehr nur das, sondern auch ein Zentrum für moderne Forschung, Bildung und Kultur und Standort der nördlichst­en Universitä­t der Welt. Flaniert man im Sommer durch die Innenstadt von Tromsø könnte man fast vergessen, sich bereits weit nördlich des Polarkreis­es zu befinden. Fixpunkte eines jeden Tromsøbesu­ches sollten das Tromsø-Museum, die Arktische Kathedrale und die Seilbahn auf den 421 m hohen Storsteine­n Fjellheis sein. Von dessen Spitze aus hat man einen phänomenal­en Blick über die Stadt und die Gewässer der Umgebung. Wer nicht vorhat, das Eismeer oder den Nordpol zu erforschen, wird seine Reise schweren Herzens hier beenden und von Tromsø zurück in den Süden fliegen. -

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Die arktische oder Eismeerkat­hedrale ist ein Wahrzeiche­n der Stadt Tromsø
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