Kurier Magazine - Routen fur Geniesser
KREUZFAHRT AUF VIER RÄDERN
Eine Tour durch die nordische Inselwelt der Lofoten, deren Schätze erst abseits der Kreuzfahrtschiff-Perspektive richtig entdeckt werden können.
Die Lofoten sind eine Inselgruppe im Norden Norwegens, die aus rund 80 Inseln besteht, die durch hohe, schmale Brücken und Tunnel miteinander verbunden sind, und für ihre beeindruckende Landschaft und reichen Fischbestände bekannt ist. Genau genommen müsste es im Deutschen allerdings „der Lofot“heißen, denn der Name stammt aus dem Schwedischen, ist in der Einzahl geschrieben und bedeutet übersetzt „der Luchsfuß“. Aber an dieser Stelle soll der gewohnte Begriff Lofoten Anwendung finden.
Es gibt die Möglichkeit, diese herrliche Inselgruppe mittels Kreuzfahrt zu besuchen, allerdings bleiben einem natur- und kulturinteressierten Besucher auf diese Weise viele Kostbarkeiten der Inseln verborgen. Es sei deshalb jedem potenziellen Lofotenurlauber nahegelegt, sich für eine Reise ins nördliche Norwegen zwischen Juni und August zehn Tage bis zwei Wochen Zeit zu nehmen, sich ein Auto zu mieten und auch die weniger bekannten Vesterålen zu besuchen, die sich im Norden an die Lofoten anschließen. Diese Route, die sich „The Whale Route“nennt, beginnt in Bodø und endet einige hundert Kilometer und mehrere Fähren später in Tromsø.
Die Anreise kann per Flugzeug von Wien über Oslo nach Bodø geplant werden. Die norwegische Billigfluglinie Norwegian hat hier immer günstige Angebote auf Lager und ist erfahrungsgemäß sehr zuverlässig. Von Bodø aus geht mehrmals täglich eine Fähre nach Moskenes, welches am südlichen Ende der Lofoten gelegen ist. Seit 2012 werden manche Fähren sogar mit Erdgas betrieben. Die Überfahrt kostet rund 85 Euro für Pkw und Fahrer. Jede zusätzliche Person be-
zahlt rund 21 Euro. Die angegebenen Preise sind natürlich in norwegischen Kronen zu bezahlen und Kursschwankungen unterlegen. Spätestens nach der Hälfte der knapp vierstündigen Überfahrt kann man – vorausgesetzt das Wetter spielt mit – die Umrisse der Inselgruppe bereits erahnen. Offene Münder und überfüllte Speicherkarten sind die Folge. Kleinere und größere Berge ragen wie graue felsige Eisberge aus dem Atlantik empor und auf deren höher gelegenen Hängen wechseln sich Stellen mit grünem Gras und solche mit weißem Schnee ab – selbst im Hochsommer. Im Kontrast dazu sehen der strahlend blaue Himmel, das tiefblaue Meer und die über den Gipfeln hängenden weißen Wölkchen fast schon kitschig aus – beinahe wie gezeichnet.
Hotels sind besonders an der Südspitze eine Seltenheit, aber um die Stimmung der Umgebung richtig aufzusaugen, empfiehlt es sich sowieso, in einem sogenannten Rorbu zu übernachten. Das ist eine alte Bezeichnung für eine Fischerhütte, die nur während der Fischsaison – also im Frühjahr – benützt wird. Heutzutage sind viele davon schön renoviert und werden an Touristen vermietet. So hat man die Möglichkeit, stilgerecht als Selbstversorger direkt in einem der vielen kleinen Häfen zu wohnen – wie zum Beispiel in den 2015 neu renovierten Unterkünften von Eliassen Rorbuer.
Der südlichste mit dem Auto erreichbare Ort der Lofoten heißt Å – übrigens der letzte Buchstabe im norwegischen Alphabet. Hier ist Anfang und Ende der wenig befahrenen Europastraße E10, die stellenweise mehr einem sehr gut in Stand gehaltenen, asphaltierten Feldweg im Waldviertel ähnelt. In Å gibt es ein kleines Fischerdorf, das teils originalgetreu erhalten, teils nachgebaut ist, und heute in Form eines Freilichtmuseums über die Fischereitechniken und -traditionen aus früheren Zeiten informiert. Auf einer Bootstour zwischen Reine und Stamsund kann man die atemberaubende Kulisse vom Wasser aus erleben und ist sozusagen mittendrin. Auf dem Weg gen Norden lässt man viele Tunnel und Brücken von typisch schmaler und hoher Bauweise hinter sich. Zum angeblich schönsten Fjord der Lofoten kommt man bereits nach 50 km. Er soll so schön sein, dass man sogar Eintritt bezahlen muss, um ihn erblicken zu dürfen. Leider kann das an dieser Stelle weder bestätigt noch widerlegt werden, da das schlechte Wetter jeglichen Blick auf den Fjord verwehrte. Pech gehabt. Entlang des Weges sieht man immer wieder große Holzgerüste, die zum Trocknen des Dorsches dienen. Der getrocknete Fisch ist zwar nicht jedermanns Sache, gilt aber als Spezialität und wird als Stockfisch hauptsächlich nach Italien exportiert.
In Vikten ist Åsvar Tangrands Glashütte – eine der wenigen Glasbläsereien Nordnorwegens – beheimatet. Hier konnte man dem Chef, der übrigens das Logo der Lofoten kreiert hat, bei der Arbeit zuschauen und fertige Werke bewundern und natürlich auch kaufen. Leider ist Åsvar 2015 verstorben, aber seine Kunst und seine Träume werden von seiner Frau und einem seiner Söhne gepflegt und weitergeführt. Direkt gegenüber der Glasbläserei töpfert seine Frau und führt ein gemütliches Kaffeehaus, in welchem man bei einem Stück hausgemachtem Kuchen entspannen kann.
Die nächste Insel trägt den Namen Vestvågøy und ist über einen Unterwassertunnel erreichbar. Hier empfiehlt es sich, auf jeden Fall nicht der E10 zu folgen, sondern die etwas längere Strecke im Süden zu wählen. Zum Ersten führt sie die Küste entlang und ist schlicht und einfach schöner, und zum Zweiten herrscht hier weniger Verkehr. Auf der weiteren Strecke gibt es natürlich viele Wanderrouten, Fotopunkte und Museen, die nicht alle Erwähnung finden können, aber zumindest das Vikingermuseum in Borg, das Lofoten Aquarium in Kabelvåg und das Kriegsmuseum in Svolvær seien empfohlen.
Auf die nächste Inselgruppe, die Vesterålen, kommt man mit der Fähre zwischen Fiskebøl und Melbu. Die Landschaft präsentiert sich hier weniger spektakulär als auf den Lofoten, zeigt sich von einer saftig grünen und hügeligen Seite. Folgt man der E10 weiter gen Norden kommt man in „Die Blaue Stadt“Sortland. 1999 hat-
te der Künstler Björn Elvenes die Idee, die Gebäude Sortlands in verschiedenen Blautönen zu bemalen. Es empfiehlt sich hier einen größeren Einkauf zu tätigen, um danach für ein paar Tage von der Walroute abzuweichen.
Eine wenig bekannte Perle Nordnorwegens ist die kleine Ortschaft Nyksund. In den 60erJahren sperrte hier das letzte Geschäft zu und beinahe alle Einwohner verließen das Dorf nach einem großen Sturm 1975. Ab 1977 war Nyksund nichts weiter als eine Geisterstadt, nachdem auch Olav Larsen – der letzte Bewohner – seinem Dorf dem Rücken gekehrt hatte. Hat man den etwas beschwerlichen Weg – nicht asphaltiert und gepflastert mit unzähligen Schlaglöchern, die teilweise einen Smart verschwinden lassen könnten – hinter sich gebracht, eröffnet sich die Sicht auf ein malerisches Fischerdörfchen, das sich wie selbstverständlich in eine enge Bucht schmiegt. Das wiederbelebte Dorf stellt heute eine Künstlerkolonie mit Ausstellungen, guter Gastronomie und Konzerten dar. Zurück auf der Walroute gibt es viele Möglichkeiten auf dem weiteren Weg: Radausflüge, Paddelabenteu- er auf dem Meer, Seeadler- oder Papageitauchersafari und vieles mehr. Ein bisschen Erholung kann man sich in Stave zuteil werden lassen: Hier gibt es einen Campingplatz, der auch Hütten und Appartements anbietet. Die Attraktion in Stave nennt sich Hot Pools: Auf sieben Hügeln befinden sich hier Whirlpools, die mit einer Wassertemperatur zwischen 38° und 40° verwöhnen und auf einer Seite Aussicht auf das Meer und auf der anderen auf eine Bergkette bieten. Hier zwei oder drei Nächte zu verbringen, kann wärmstens empfohlen werden.
Auf dem Weg nach Andenes kommt man in Bleik vorbei, wo es lange, kreideweiße Sandstrände gibt. Bei gutem Wetter könnte man seine Urlaubsfotos auch als Karibikurlaub verkaufen. Hält man die Zehen ins Meer, ist aber schnell klar, dass man sich doch nördlich des Polarkreises befindet. In Andenes gibt es wieder einiges zu sehen, aber zwei Sehenswürdigkeiten, sollte man auf keinen Fall auslassen: Zum einen den Leuchtturm, der eine fantastische Aussicht über die Landschaft und die Stadt bietet. Und zum anderen das Walzentrum, welches be- sonders auf die Erforschung von Pottwalen (also solche wie Moby Dick) spezialisiert ist. Eine Walsafari mit Walgarantie (oder Geld zurück) kostet gute 100 Euro und beinhaltet auch einen Besuch des Walmuseums, welches interessant und spektakulär gestaltet ist. Unter anderem ist ein echtes Walskelett von einem Pottwal, der vor einigen Jahren gestrandet ist, zu bestaunen. Bei Schlechtwetter fällt die Walsafari sprichwörtlich ins Wasser, man sollte aber dennoch das Museum besuchen und sich einer Führung anschließen, da diese mit vielen spannenden Details und Geschichten gewürzt wird. Wer das möchte, hat in dieser Gegend Norwegens die Möglichkeit, Walfleisch zu kosten.
Die nächste Fähre führt den Reisenden von Andenes nach Gryllefjord und mit ein wenig Glück kann man hier sogar von der Fähre aus einen Wal sehen. Die kurvenreiche Straße Richtung Trömsø lädt zum sportlichen Fahren ein, führt durch viele Tunnel und Fjorde und bietet einige Möglichkeiten für schöne Fotostopps. Bevor man ins „Paris des Nordens“gelangt, nimmt man ein letztes Mal die Dienste einer Fähre in Anspruch, um von Botnhamn nach Brensholmen zu gelangen. Bereits in früheren Zeiten war Tromsø trotz seiner abgeschiedenen Lage weit im Norden ein wichtiges Forschungszentrum, war es doch Startpunkt für beinahe alle Polarexpeditionen und trägt bis heute den Beinamen „Tor zum Eismeer“. Heute ist es nicht mehr nur das, sondern auch ein Zentrum für moderne Forschung, Bildung und Kultur und Standort der nördlichsten Universität der Welt. Flaniert man im Sommer durch die Innenstadt von Tromsø könnte man fast vergessen, sich bereits weit nördlich des Polarkreises zu befinden. Fixpunkte eines jeden Tromsøbesuches sollten das Tromsø-Museum, die Arktische Kathedrale und die Seilbahn auf den 421 m hohen Storsteinen Fjellheis sein. Von dessen Spitze aus hat man einen phänomenalen Blick über die Stadt und die Gewässer der Umgebung. Wer nicht vorhat, das Eismeer oder den Nordpol zu erforschen, wird seine Reise schweren Herzens hier beenden und von Tromsø zurück in den Süden fliegen. -