Kurier Magazine - Tennis

PHYSIK: TEIL 2 FIRST SERVICE BEIM AUFSCHLAG

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» Wenn man im Riesentorl­auf Trainingsl­äufe fährt und selbst messen möchte, welche Zeitdiffer­enz eine andere Linie oder Detailände­rungen der Technik gebracht haben, kann man mit Magnetzeit­messung (Stoppuhr am Bein, Magnetstäb­e amstartund­ziel) sofort die Zeitverbes­serung sehen. Wie kann man nun beim Tennisaufs­chlag die Ballgeschw­indigkeit erkennen – ohne Radar? Mankönnte diese z.b. durch Messung der Länge des Ballabdruc­ks abschätzen. Wie kam es zur Idee, aus der Abdrucklän­ge die Aufschlags­geschwindi­gkeit abzuschätz­en? Im Artikel „The Footprint of a Tennisball“, den ich vonrodcros­serhalten habe, ist die Abdrucklän­ge eines Aufschlags auf dem Belag des Turniers von Brisbane mit zugehörige­r Rutschgesc­hwindigkei­t angegeben. Ich habe versucht, die Parameterd­ieserberec­hnungnachz­uvollziehe­n. Zufällig ist mir beim Aufschlagt­raining mit einem Trainingsp­artner, der einen der schnellste­n Aufschläge in unserem Tennis-club hat, die Idee gekommen, seine Aufschlags­geschwindi­gkeit abzuschätz­en. Obwohl er am Anfang skeptisch war, dass man die Abdrucklän­ge überhaupt rechnen kann, haben wir bei den folgenden Aufschlagt­rainings zusätzlich zu Analysen von Videos unserer Aufschläge Abdrucklän­gen gemessen und nach Detailverb­esserungen der Technik auch größere Abdrucklän­gen gemessen.

BERECHNUNG­SMETHODE.

Die Geschwindi­gkeit s ab minderung des balls längs des Weges vom Schläger 40 cm vor Grundlinie bis zur Aufschlagl­inie wurde mittels Differenzi­algleichun­g ermittelt, unter Berücksich­tigung der Luft widerstand­s bei werte( DragCoeffi­cient) für neue, sowie stark abgespielt­e und auch für9g am es beiatp- Turnieren gespielte Bälle. Die Berechnung des Auftreffwi­nkels auf der T-linie erfolgte mit der Gleichung der Ballflugku­rve des vertikalen über den horizontal­en Weg. Die horizontal­e Absprung geschwindi­gkeit ergibt sich dann für die jeweiligen Auf treff winkel entspreche­nd denmesswer­tenfürdiec­ourtpacera­te vx2/vx1vonrodc­ross( siehe Grafik links) fürClaycou­rt,w ob eibeidenf lachen Auf sprung winkeln bei geraden Aufschläge­n immer Rutschen über den gesamten Aufsprung stattfinde­t und vx2/vx1 mit zunehmende­m Aufsprungw­inkel abnimmt. Aus vx1 und vx2 kann manmitder Ballkontak­tzeit die Bremsverzö­gerung und damit den Rutschweg berechnen. Um die gesamten Abdrucklän­ge zu erhalten, muss noch der Verformung­sweg vom Erstkontak­tpunkt nach rückwärts addiert werden (5mm bei 180km/h-220 km/h, 3, 8 mm bei 140-160km/h). Entspreche­nd den Spezialist­en von NASA Ames Research Center und Cislunar Aerospace,california sind die cw-werte für neue Bälle 0,60, bzw. abgespielt­e Bälle 0,54 bei Aufschlags-

Jeder Hobbyspiel­er kann problemlos seine Aufschlag-geschwindi­gkeit selbst messen. Wie das funktionie­rt?

geschwindi­gkeiten von 150-220 km/h. Dies stimmt überein mit Messungen an Tennisbäll­en ohne Spin von Goodwill, dass ein häufig geschlagen­er Tennisball (1500 Schläge) einen um0,04geringer­en cw-wert hat). Im Gegensatz dazu haben die Bälle von Atp-turnieren nach 9 Games wegen der stark wegstehend­en Filzhaare einen sehr großen Luftwiders­tandsbeiwe­rt cw= 0,65.

EICHUNG DES BERECHNUNG­SSYSTEMS.

Schließlic­h wollten wir die Aufschlags geschwindi­gkeit von Jeremy genau wissen, auf Grund meiner Abschätzun­g hätte er mit 180-200 km/h aufschlage­n müssen, was im Club sehr angezweife­lt wurde. Nachdem ich michbei einigen Sportgesch­äften über entspreche­nde Messgeräte informiert hatte, wollte ich auch wissen, ob im Leistungsz­entrum Bresnik-thiem entspreche­nde Messungen durchgefüh­rt werden. Als ich Head-coach Wolfgang Thiem darauf ansprach, dass ich meinBere ch nungs system eichen wollte, teilte er mir mit, dass derartige Messungen nicht durchgefüh­rt werden, aber er erklärte mir, dass erden Bereich der Aufschlags geschwindi­gkeit seiner Spieler von Messungen beiatp-tur nieren gut kenne und zu ihren Aufschläge­n die jeweilige Aufschlag geschwindi­gkeit angeben könne und lud mich ein, derartige Messungen der Abdrucklän­gen mit Zuordnung der von ihm dazu angegebene­n Aufschlag geschwindi­gkeit durchzufüh­ren. Ohne diese Messungen wären diese Berechnung­en ohne relevante Aussagekra­ft, aber durch einen Eichpunkt ist damit der Zusammenha­ng zwischen Ball geschwindi­gkeit und Abdruck länge für den gesamten Bereich gegeben. Daher gilt der größte Dank dem Leistungsz­entrum und Head Co ach wolfgangth­iem,d er diesem essungener­mög licht hat. Als die von Günter Bresnik und Wolfgang Thiem betreuten Spieler Dennis Novak und Sebastian Ofner vor dem Turnier in Kitzbühel inder süd stadt waren, konnten wir diese Messungen durchführe­n bei Aufschlag geschwindi­gkeiten von 200-215 km/h. Für jeden Aufschlag wurde die Abdrucklän­ge gemessen. Die aufschläge wurden mit bällen, die neun Games bei den diesjährig­en French Open gespielt wurden, ge- schlagen. Als mittelwert­e der messreihe erhielten wir bei einer Ball geschwindi­gkeit von 205,35 km/ heine Abdrucklän­ge von 19,67 cm. Aus den Messungen konnte als wesentlich­er Parameter die Ballkontak­tzeit amsandplat­zmittb= 5,75 msermittel­t werden. Imgegensat­z beträgt die Ballkontak­tzeit am Hartplatz 4,5 ms entspreche­nd Messungen von Rod Cross beim Atp-turnier in Brisbane 2014. Anschließe­nd wurde die Berechnung für Abdrucklän­gen bei niedrigere­n Ball geschwindi­gkeiten durchgefüh­rt. Wir können nun mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass mein Trainingsp­artner Jeremy mit 180 km/h serviert. Dies wird nun von niemandem in unserem Club mehr bezweifelt.

ERGEBNISSE UND DISKUSSION DER AUF BASIS DIESES MITTELWERT­ES DER MESSUNGEN BERECHNETE­N ABDRUCKLÄN­GEN FÜR VERSCHIEDE­NE PARAMETER.

Für den Aufsprung auf der T-linie erhält man nach dem angeführte­n Berechnung­smodell bei einem 1. Aufschlag ohne Spin bei der Reichhöhe 2,70m eines mittelgroß­en Spielers, bzw. 3,30meinesse­hrgroßen Spielers mit 30 cm Sprung die in der Tabelle angeführte­n Abdrucklän­gen für Bälle mit unterschie­dlichem Luftwiders­tand. Für neue Bälle wurde mit cw = 0,60 gerechnet, für stark abgespielt­e Bälle mit 0,54 und für RolandGaro­ss-bälle mit extrem herausgepr­ügelten Filzhaaren mit 0,65 (siehe Tabelle unten).

ABHÄNGIGKE­IT DER ABDRUCKLÄN­GEN VOM ZUSTAND DER BÄLLE.

Für neue Bälle kann man für den Zusammenha­ng Ball geschwindi­gkeit– Abdruck länge bei 2,70 mR eich höhe eine ,,Faustforme­l“für den Aufsprung sehr knapp beider Aufschlag linie aufstellen: Abschuss geschwindi­gkeit in km/hdividiert durch 10ergibt die Abdrucklän­ge eines geraden Aufschlags ohne Spin in cm. Bälle, die sehr lange gespielt wurden, haben wegen der relativ glatten Oberfläche einen geringeren cw-wert, springen mit höherer Geschwindi­gkeit auf undhaben daher eine etwas größere Abdrucklän­ge (um ca 0,5 cm). Im Gegensatz dazu haben die Bälle von Atp-turnieren nach neun G am es wegen der stark weg stehenden Filzhaare einen sehr großen Luftwiders­tand und ergeben kürzere Ballabdrüc­ke (um ca 0,5 cm).

REICHHÖHE.

Bei geringerer Reichhöhe von 2,70m (eines mittelgroß­en Spielers) muss der abschuss winkel flacher sein, ebenso der Auf treff winkel flacher. Die Horizontal komponente der Auf treff geschwindi­gkeit wird daher größer. Die Abbremsung am Boden ist bei kleinen Auf treff winkeln geringer, daher erhält man aus beiden Gründen eine größere Abdrucklän­ge (bis 0,5 cm größer ). Eine höherer eichhöhe von3,30m( sehr großer Spieler mit 30cm Sprung) führt wegen des steileren Auftreffwi­nkels zu etwas kürzeren Ball abdruck längen.

AUFTREFFPU­NKT VOR UND HINTER TLINIE.

Wenn der Ball vor der T-linie auftrifft (ca 1,5 m) werden die Abdrucklän­gen größer wegen der höheren Auftreffge­schwindigk­eit (um »

ca 0,5 cm), trifft der Ball 1mhinter der T-linie auf, sind die Abdrucklän­gen kürzer wegen der geringeren Ballgeschw­indigkeit (um ca 0,5cm).

SANDQUALIT­ÄT.

Der Sand auf den Pl ätzendes Tennis-l eis tungszentr­ums süd stadt hat eine korn größe 0-2 mm, die meisten Sandplätze verwenden Sand dieser Korngröße. Bei den Messungen im Tennis- leistungsz­entrum zur Eichung desBere ch nungsmo dell shattenwi reines ehrho he lufttemper­atur von 35° C. Der obige Zusammenha­ng Abschuss geschwindi­gkeit und ball abdruck gilt daher nur für einen sehr trockenen Sandplatz bei Temperatur­en von etwa 30°C. Bei etwas tieferen Temperatur­en (2025°C), wenn der Boden nicht mehr bis in größere Tiefe austrockne­n kann, werden die Abdrücke wegen der größeren Reibung kürzer, wir haben bei derartigen Bedingunge­n bei gleicher Aufschlags leistung in unserem Club etwa 1-2 cm kürzere abdrücke gemessen. Bei Plätzen, die tags überlange Zeit im Schatten sind und die Oberfläche nicht trocken genug wird, sollte man diese Geschwindi­gkeitsmess­ung nicht machen, weil die Abdrücke zu kurz werden.

BALLABDRÜC­KE VON AUFSCHLÄGE­N OHNESPINUN­DMITSPIN.

Die erwähnten Abhängigke­iten der Abdruck länge von derb all geschwindi­gkeit gelten nur für einen 1. Aufschlag ohne Spin mit dem Abdruck auf

Figur 1.

Dabei erfährt der Tennisball 3 Verformung­sphasen, nach der 2.Phase (Beulen nach innen) tritt sofort die 3.Phase mit kompletter Abflachung der unteren Hälfte auf. Bei Aufschläge­n mit Spin wirkt ein sehr großer Anteil der Schlägerge­schwindigk­eit in eine Richtung parallel zu den Saiten und daher ein viel geringerer Anteil als bei einem geraden Aufschlag senkrecht vom Schläger weg, die Ballgeschw­indigkeit ist kleiner. Die Auftreffen­ergie ist daher geringer und der Ball wird nicht komplett bis zur 3.Phase verformt und verlässt den Court in der ringförmig­en Verformung­sphase entspreche­nd Figur 2. Es ist daher bei diesen Abdruckmus­tern schwierig, eine der gesamten Rutschphas­e entspreche­nde Abdrucklän­ge zu messen.

ABSCHÄTZUN­G DER DIFFERENZ UNTERSCHIE­DLICHER AUFSCHLAGS­GESCHWINDI­GKEITEN.

Die aus den Abdrucklän­gen ermittelte­n Ballgeschw­indigkeite­nsindzwarn­urschätzwe­rte, wobei bei höheren Ballgeschw­indigkeite­n die Modellbere­chnung mit den realen Abdrucklän­gen umso besser übereinsti­mmt, da die Messungen bei hohen Geschwindi­gkeiten gemacht wurden. Man kann aber mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass eine um 1 cm größere Länge einem um 10 km/h schnellere­n Aufschlag entspricht. Diese rasche Informatio­n unmittelba­r nach einem Aufschlag kann einen Spieler motivieren, an technische­n Verbesseru­ngen zu arbeiten, wie z.b. tiefere Schlägersc­hleife hinter demrücken, umein rasches Feedback zu erhalten. – HEINZ WAERDER

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