Rollstuhltennis
Ein Erklärungsversuch von der Nummer eins Nico Langmann
» „Du spielst aber gut! Sag, bist du auch bei Meisterschaften oder sodabei? Gibt es das bei euch auch ?“–„ ja ja, ich bin aber vor allem auf der internationalen Tour unterwegs.“– „Wow, ich wusste gar nicht, dass es das gibt!“So oder so ähnlich sieht das Aufeinander treffen eines interessierten Beobachters meines Trainings, der meist zum ersten Mal in seinem Leben Rollstuhltennis live sieht, und mir oft aus. Über die Begeisterung, die diese Sportart bei so manchen Zuschauern auslöst, freue ich mich jedes Mal aufs Neuesehr, ein klein bisschen schmerzt es allerdings auch, wenn ich merke, dass diese von professionellem Behindertensport zuvor noch überhaupt nie gehört haben. Dabeiist vor allem Rollstuhltennis eine global gesehen überaus populäre Sportart, die so professionell aufgezogen ist wie fast keine andere. Hier ein Versuch, Ihnen meinen so heiß geliebten Sport ein wenig näherzubringen: Rollstuhltennis ist eigentlich sehr einfach zu erklären, da es beinahe keine unterschiede zum„ echten“Tennis gibt( Ich tue mir schwer, einen guten Namen für das hier als „echte Tennis“Bezeichnete zu finden, andere Möglichkeiten wie „GeherTennis oder „normales Tennis“scheinen mir noch schlechter geeignet). Regeltechnisch besteht nur ein einziger Unterschied, nämlich, dass der Ball zwei Mal aufspringen darf. Was aufgrund von Aufschlag geschwindigkeiten von bis zu 180 km/ hund meist voll durchgezogenen Grundschlägen aber mittlerweile sehr selten vorkommt. Der Vormarsch der PowerSpieler ist auch im Rollstuhltennis zu beobachten. Anders als beiden meisten Behinderten sportarten ist auch das Klassifizierungs system mehr als simpel. Spieler mit verschiedensten Einschränkungen werden in einer Di- vision zusammengefasst, es gibt eine Weltrangliste, eine Nummer eins der Welt, alles sehr anschaulich. Was aber auf der anderen Seite einige Probleme mit sich bringt – auf dem Platz treffen sich Spieler, die etwa von der Brust abwärts gelähmt sind, und andere, die den Sportrollstuhl lässig schlendernd vor sich herschieben und sich erst bei Spielbeginn setzen. Spielen kann nämlich jeder, der aufgrund einer Einschränkung daran gehindert ist, Tennis leistungsmäßig auszuüben –ein kaputtes knie zum beispiel reicht da schon. Dass hierbei derjenige mit voll einsatzbarer Rumpfmuskulatur einen massiven Vorteil hat gegenüber Spielern wie mir, die ab dem Bauchnabel abwärts gelähmt sind, ist klar. Aber andererseits ist diese Einfachheit auch das Erfolgsrezept der Sportart Rollstuhltennis. Denn nur so gelingt die Annäherung und teilweise sogar Eingliederung in die ATP-undwtaTour. Mittlerweile gibt es Rollstuhltennisspieler bei allen vierGrandSl am-bewerben, und das mit vollem Erfolg. 4000 Zuschauer bestaunten dieses Jahr den sieg derbri tischen Paarung Reid/hewitt in Wimbledon auf Court 2, diving Volleys sowie diverse Stürze aus dem Rollstuhl inklusive. Spielberechtigt sind bis jetzt leider nur die Top acht der Weltrangliste, für jene lohnt es sich aber richtig: Für eine Teilnahme allein gibt es schon einen Scheck über 8000 Euro, der Sieg bringt insgesamt über 30.000 Euro – Summen, die im behinderten sport ansonsten nur sehr selten zu finden sind. Gäbe es nun zig Raster, jeder für eine eigene Art derBe hinderung, wäre diese professionelle und auch„ verkauf bare“Veranstaltung von Turnieren kaum realisierbar. Für uns übrige Spieler, die wir noch nicht in der absoluten Weltspitze zu findens ind,gibte sau ch genügend gelegenheiten, ein wenig AT P-o der Wta-tour-luft zu schnuppern. Dominic Thiem und ich haben uns zum Beispiel nicht, was ja doch eher naheliegender wäre, beim Training in der Südstadt kennengelernt, sondern beim gemeinsamen „Sandplatzwühlen“in Rom. Er gegen Nishikori, ich gegen Scheffers (Ned/nummer zehn der Welt), nur zwei Plätze voneinander entfernt. Ich finde, das zeigt sehr gut, wieweit wir in dieser entwicklung schon sind, und auch welchen Stellenwert Behindertensport mittlerweile in der breiten Öffentlichkeit hat. Wir sind nicht mehr „die Behinderten, die eben Sport machen “, sondern professionelle L eis tungs sportler, die nun mal eine Einschränkung haben. Und das ist es, was Behindertensport ausmacht. Er verändert nicht nur die Athleten selbst, sondern zeigt auch allen rundherum, was man mit einer Beeinträchtigung schaffen kann. «
Ein Erklärungsversuch von Österreichs Nummer eins Nico Langmann.